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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 2 (Februar 1932)
DOI Artikel:
Schreiber, Hans: Gotische Alphabete im künstlerischen Schriftschmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0036

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HANS SCHREIBER-BARIVIEN:
GOTISCHE ALPHABETE IIVI KÜNSTLERISCHEN SCHRIFTSCHIVIUCK*

Heute hört man so oft die Ansicht vertreten, die
Formen der Gotischen Schritten seien veraltet
,nd hätten als sentimentale Überbleibsel der Romantik
n unserem Zeitalter des technischen Triumphes nichts
mehr zu suchen; wir brauchten nur eine sachliche
Schrift, eine Antiqua, eine Groteske oder Blockschrift
.jüometrischer Prägung. Angeblich zwingen selbstver-
ständliche Gründe der Zweckmäßigkeit zu dieser For-
derung und einige „Avant-Gardisten" wollen so etwas
j,io ein radikales Verbot aller anderen als der Block-
schriften. Man vergleicht die gotischen Buchstaben mit
Jen russischen und arabisch-türkischen Alphabeten,
ne ja ebenfalls als alter Zopf mit der Schere der
•neuen Sachlichkeit abgeschnitten seien, usw.
Auf der anderen Seite stehen die gepanzerten Rit-
ter des Deutschtums und kämpfen erbittert gegen den
Ansturm einer neuen Zeit, tapfer das nationale Gut
jor „Deutschen Schriften" verteidigend.
Liegen da nicht auf beiden Seiten grundlegende
Iniumor? Zunächst über die „Sachlichkeit und Zweck-
mäßigkeit" auf dem Gebiete der Schrift: Es ist sicher
sachlich und zweckmäßig, ein Eisenbahnschild so zu
beschriften, daß es nur ein Geringes an Lesezeit
uforuuii, alles was dem zuwider läuft, ist falsch!
Zweifellos ist es aber ebenso sachlich und zweck-
mäßig, durch die Form einer feierlichen Inschrift ein
usotempo zu erzwingen, das dem vielleicht well-
lodeutenden Text zu voller Beachtung und einigem
Nachsinnen verhilft.
Vergleichen wir doch andere Formen des täglichen
ubens: wird die Hausfrau die zweckmäßige Aus-
■lung zum Geschirrspülen beibehalten, wenn sie

am Abend zur Feierstunde eine Sonate am Flügel
spielt? Wird man den Architekten tadeln, der den Fa-
brikraum anders gestaltet als die Taufkapelle, den
Operationssaal aus anderem Material baut als das
Wohnzimmer? Eine recht verstandene, Sachlichkeit soll
doch ihre Ausdrucksmittel so verwenden, daß sie dem
geforderten Zweck aufs höchste entsprechen! Woraus
ich ableite, daß wir unmöglich mit nur einem Alpha-
bet allen Anforderungen der vielgestaltigen Schrift-
praxis zweckmäßig gerecht werden können.
Natürlich muß man wissen und fühlen, daß alle ur-
sprünglichen und jungen Alphabete der formgewor-
dene Ausdruck einer Weltanschauung sind; daß sie
Zeugnis ablegen davon, „weß Geistes Kind" ein Volk
war, als es sich diese Schriftart schuf. Man sehe
doch, in wie engem Verband alle vergangene Schrift
mit der Architektur ihrer Zeit stand, ihr oft sogar in
der Festlegung der neuen Stilform zeitlich vorausging.
Es erscheint mir selbstverständlich, daß diese Stil-
wandlungen nicht aus dem Spieltrieb zur „Abwechs-
lung" entstanden, wie es in Äußerungen der jungen
Generation zu lesen steht, sondern daß sie das not-
wendige Ergebnis geistiger Wandlungen im Leben der
Völker bedeuten und so einer gesetzmäßigen Entwick-
lung folgen. — Das ganze Gebäude unserer europäi-
schen Schriftentwicklung ist ein zusammenhängender
Organismus, aus einer gemeinsamen Wurzel entsprun-
gen und in folgerichtigem Aufbau sich gestaltend. Ganz
allmählich bildeten sich in organischem Wachstum neue
Formen heraus, und stets wurde die jeweils herrschende
* Entnommen dervorzüglichen Zeitschrift „Schrill und Schreiben" (Ver-
lag Soennecken, Bonn) auf die ich hiermit empfehlend hinweise. G.K.

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