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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 4 (April 1932)
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Parnitzke, Erich: Formen von "Wasser"
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Zacharias, Alfred: Schriftunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0076

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lioil. Und mit den „bengalischen" Beleuchtungen wir
ken will, die zwar die Natur oft ausgießt (z. B. in
Abend- und Morgenstimmungen), die aber selten in
eine Kunslform zu bringen sind. Weil die Wirkung von
„Natureffekten" mit dem Beigeschmack von Illusion
behaftet ist, der die Kunst ins grob-Banale herabzieht.
Oder zur Darstellung eines „seltenen Naturschauspiels"
umformt. Hier zeigen sich die Grenzen einer Konven-
tion, die im Bildwerk das Selbstverständliche, Schlichte
mehr schätzt im Anlaß (um den Kunstzustand beruhig-
ter aufzunehmen) als den Theatereffekl. Weswegen
z. B. der noch so gut gemalte „Ausbruch eines Vul-
kans" kaum als „Kunst" genießbar ist. Bei dem eng-
lischen Maler Turner gibt es gehäuft solche „Selten-
ALFRED ZACHARIAS -MÜNCHEN: SCHR
Dem Schriftunterricht, der so oft für Lehrer und
Schüler ein notwendiges aber unliebsames An-
hängsel des Zeichenunterrichts ist, eine Lanze zu bre-
chen, ist der Zweck dieser Zeilen. Geschriebene und
gedruckte Schrift verfolgt uns heute auf jeden Schritt,
so daß wir schon in den tiefen Wald fliehen müßten,
wollten wir ihr einmal entgehen. Nicht nur in den
Büchern und Zeitungen tritt sie uns entgegen, nahezu
jedes Haus der Städte trägt Beschriftung kennzeich-
nender Art, seien es Reklamen und Firmen der Ge-
schäfte und Veranstalter, seien es die Aufschriften
von Bahn, Post oder des sonstigen öffentlichen Dien-
stes. Aufmerksamkeit und Anteilnahme für die uns
überall begegnende Schrift zu erwecken, durch An-
schauung und eigene Übung Wert oder Unwert ihrer
Formen beurteilen zu lernen, schließlich für eigene
Gebrauchszwecke kurze Zeilen schreiben und für
Drucksachen Geschmack und Urteil bekunden zu ler-
nen, ist der Zweck des Schriftunterrichtes. Er kann die
künstlerische Bildung wesentlich fördern.
Der Zweck der Schrift ist Mitteilung und Festhaltung.
3eder Buchstabe ist aber zweierlei, er dient der Mit-
teilung, er ist aber auch selbst ein Ding, er hat einen
Köiper, eine Form. So ist jeder Buchstabe ein Ding
der sichtbaren, und jeder gute Buchstabe ein Glied
der künstlerischen Welt. Lesen haben unsere Schüler
schon gelernt, nun sollen sie im Schriftunterricht vom
Bild der Schrift etwas verstehen lernen. Daß ein Buch-
slabe, ein O, ein E, ein M Schönheit und Größe haben
kann, das sollen sie sehen und sich daran freuen ler-
nen. Sagt uns die Form der Schrift etwas, so ver-
mögen wir auch in das Gewirr der Buchstaben, das
heute auf uns eindringt, Ordnung zu bringen, können
die Spreu vom Weizen sondern.
Das Wesen, die Größe, die Art einer Zeit prägt sich
in ihrem Stil aus und überliefert sich so der Nachwelt.
Durch alle ihre Dinge geht der gleiche Ausdruck,
durch die Bauwerke, durch die Möbel, die Geräte,
die Kostüme und nicht zuletzt durch ihre Alphabete.
Die klassische Form eines A des Alphabetes der Tra-
janssäule hat den Geist der Antike in sich, wie ein
verschnörkeltes A des Barock der Architektur des
Poppelmannschen Zwingers durchaus verwandt ist.
Geiade der Vergleich der Architektur der verschie-
denen Stile mit der Form der gleichzeitigen Schrift,
erscheint mir geeignet, die Grundlage für einen le-
bendigen Schriftunterricht zu liefern. Es wird die Auf-
gabe sein, zunächst in einer Stunde, mit wenigen,
ober s lilagenden Bildbeispielen, ohne sich bei den
einzelnen Stilen zulange autzuhalten, ohne jedem ge-
recht werden zu wollen, die auf Anschauung be-
ruhende Einsicht zu erzielen, daß ein formaler Zusam-
menhang zwischen der Architektur und dem Aussehen
der Schrift, in jeder Zeit, bis auf den heutigen Tag
Losloht. Dies soll hier angedeutet werden. Bei der
Luspiechuhg der Architekturen kann es sich in diesem
lalle nicht um eine erschöpfende Darstellung handeln,
. ndom um Herausstellung, der für die augenblick-

heilswerte" dei Naluibeobachluiicj (Lull und Licht
Spiegelungen wässriger Art), sie spiellen wieder am
Ende des Jahrhunderts eine Rolle (z. B. boi Eugen
Bracht), sie entfernen sich im selben Maße von unserm
Vermögen, den Kunstzustand aufzunehmen, als sie be-
lehren und naturbeschreibend wirken, —-
Wenn diese Betrachtung über Kunst-Formen des
Wassers dazu führt, den eigentümlichen Wert des Ge-
stalthaften zu überdenken, so hat sie ihren Zweck
erfüllt. Vielleicht fordert sie nebenbei dazu auf, den
Bildungen auch anderer „Gegenstände" Beachtung
zu schenken und die Kunstzustände abzulesen, mit
denen wir es bei der Bildbildung vornehmlich zu tun
haben — oder haben sollten.
FTUNTERRICHT
liehe Absicht wichtigen Merkmale. Man zeigt z. B.
zuerst eine Abbildung des Titusbogen in Rom, der
eine Inschrift in römischen Versalien, (Versalien
große Buchstaben) dem ältesten europäischen Alpha-
bet trägt. Er baut sich in klaren Senkrechten und
Wagrechten auf, er ist wenig höher als breit, sein
Umriß ist, als große Form gesehen, ein Quader. Der
Bogen selbst ist halbkreisförmig. Säulen, Gebälke
und Friese gliedern die Architektur, die in der klaren
Form und der monumentalen Eindringlichkeit der An-
tike vor uns steht. Die inschrifttafel, ein liegendes
Rechteck, trägt breite Zeilen, die Formen der Buch1
staben bauen sich aus Senkrechten, Wagrechten, Drei-
ecken, Kreisen und Bogen auf. Aus diesen einfach-
sten, aber auch gegensätzlichsten Elementen setzen
sich die Buchstaben zusammen, die später einzeln
und genau betrachtet werden sollen. Zunächst han-
delt es sich darum, zu sehen, daß diese Buchstaben
der Architektur des Torbogens, den sie beschriften
ähnlich sind, daß ihre Formen aus den gleichen Ele-
menten gebaut sind, daß ihnen die gleiche Schönheit
und Größe innewohnt, wie dem Bauwerk.
Aus den römischen Versalien, dem Alphabet der
größten Klarheit, haben sich unsere europäischen Al-
phabete und Schriften entwickelt. Auf diese Entwick-
lung ist später, bei Behandlung der Schriften etv/a,
zurückzukommen, zunächst sollen nur die Bilder ver-
schiedener Schriften und ihr Verhältnis zum Zeitstil
durch die Augen Eingang finden. Gegensätze sind zu
diesem Ziel nötig, große Unterschiede, deshalb soll
die Gotik schon das nächste Beispiel finden.
Schon die äußere Form des Schriftbildes, es mag
eine Seite aus einem gotischen Evangeliar oder Meß-
buch gezeigt werden oder aus der Gutenbergbibel,
ist anders. Wir sehen zwei enge, schmale, hoho
Schriftsäulen, ein ganz anderes Formbild, als die breit
nebeneinander gelagerten Buchstaben der römischen
Schrifttafel. Und v/enn wir die gotischen Worte und
Buchstaben betrachten, sie drängen sich eng zusam-
men, die Buchstaben sind eng, hoch, eckig, „spitz-
bogig". Betrachten wir ein „i", ein „g", ein „o". Dazu
die gotische Architektur. Das Innere des Kölner Do-
mes: Der ganze Zug aufstrebend, das Vertikale be-
tont. Die breitgelagerte, in sich ruhende Architektur
des römischen Bogens ist hier gesprengt. Dazu die
gedrängten Säulenbündel, geballt, wie die Buchsta-
ben- im gotischen Wortbild, die Spitzbogen der Ge-
wölberippen, der Reichtum des gotischen Zieials.
Anschauend sollen diese Bauform, und diese Sclnift-
form als Ausdruck der Gotik sich einprägen.
Wieder wird, es ist uns hier um die Gegensätzlich-
keit zu tun, Jahrhunderte überspringend, weitergegan-
qen. Wir stehen vor der Architektur eines barocken
Prunksaales. Kaum weiß sich das Auge zu fassen, übet
die sich immer wieder aufluenden Räume, über die
Säulenmengen, über die verwirrende Üppigkeit des
architektonischen und plastischen Schmuckes. Es ist
kein faßliches Formbild wie im Falle' des römischen

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