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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 2 (Februar 1932)
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Fritz, E.: Zum Abbau, [1]: zum Abbau des Zeichen- und Kunstunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0042

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ZUM ABBAU
Zum Abbau des Zeichen- und Kunstunterrichts.
Die bekannte Zeitschrift „Die Form" spricht in der
Januat-Nummer über die verschiedenen Kultur-Spar-
maßnahmen der Notverordnungen. Von unserem Fach
heißt es dort: „In der Öffentlichkeit viel zu wenig
beachtet wurde der bei manchen Schultypen sehr
weitgehende Abbau des Musik- und Zeichenunter-
lichts, der gerade bei den wichtigsten Anstalten um ein
Diittel vermindert wurde (während der Abbau bei den
ubiigen Fächern kaum ein Zehntel beträgt). Es ist
■.ehr einfach, diesen Abbau damit zu begründen, daß
diese Fächer doch eigentlich nur neben dem eigent-
lichen Lehrplan einhergehen, als eine Art Erholung,
juf die man jetzt eben verzichten müsse. Damit wird
man der Bedeutung dieser Fächer nicht gerecht. Auf
die seelische Bereicherung, die vom Musikunterricht
ausgeht, braucht man gar nicht hinzuweisen — was
ober den Zeichenunterricht anlangt, so liegt seine
Bedeutung keineswegs nur in der nicht zu unterschät-
zenden Erziehung des künstlerischen Sinnes, die für
unsere gesamte Kultur von Wichtigkeit ist, sondern
vor allem in der Sicherung des anschaulichen Verhält-
nisses zur Welt, die für den Deutschen ganz besonders
notwendig ist und die sich sogar, rein praktisch ge-
sehen, „bezahlt macht". Der „Aktionsausschuß der
Kunsterzieher-Verbände Preußens" erhebt mit vollem
kocht Einspruch gegen diesen Abbau, und auch der
Werkbund hätte sicher vor der Maßregel gewarnt,
j,cnn er gefragt worden wäre." E. Fritz.
Ministorworte
Der preuß. Kultusminister Grimme sagte in einer
Rede anläßlich der Eröffnung der Berliner Museums-
neubauten: „Es gibt nur eine Rechtfertigung dafür,
daß der Staat Hunderttausende und Millionen aus-
schüttet zur Förderung der Kunst: das ist die Über-
zeugung, daß es außer dem religiösen Ergriffensein
i. oine andere Kraft gibt, die den einzelnen Menschen
und ein ganzes Volk so zu formen vermag wie das
iilebnis der Kunst, eine Überzeugung, aus der der
Villa erwächst, daß die Kunst als menschenfor-
mende und volksprägende Kraft wirklich
lebendiges Gemeingut des gesamten Volkes wird ...
Juß künftig ein ganz großer Teil der Energie frei-
jemacht wird für die Erziehung des Volkes
z u i Kunst und damit zur geistigen Volks-
erdung. Diese Aufgabe ist längst begonnen ...
j. ii stehen inmitten einer Entwicklung, in einer Wand-
lung, die einschneidender ist als der
S <: h u I f o r t s c h r i 11 auf irgendeinem wis-
senschaftlichen Gebiet ..."
Schöne und erhebende Wortei Jeder Kunsterzieher
.kiid sie mit Freude und Genugtuung lesen. Und auch
mit berechtigtem Stolz; denn er möchte aus dieser
loststellung des Ministers entnehmen, daß diese „Ent-
wicklung" und „Wandlung" auch auf die treue Arbeit
Jes Zeichenlehrers und der Zeicheniehrerin zurückzu-
lüluen ist. Aber leider haben die letzten Monate für
oie preußischen Kunsterzieher den härtesten Schlag
jebracht, der je gegen die Kunsterziehung geführt
wuide. Das Ministerwort, „daß künftig ein ganz großer
ieil der Energie freigemacht wird für die Erziehung
jes Volkes zur Kunst und damit zur geistigen Volks-
• eidung" blieb leider einstweilen unerfüllt, ja die
.oiheerenden Abbaumaßnahmen verwandelten es in
jas Gegenteil.
Wir wollen heute lediglich diese Tatsache festhal-
ton, wir wollen nicht nach der oder den Ursachen
liayen. In diesem Zusammenhänge wollen wir aber
:.icht versäumen darauf hinzuweisen, daß leider an
jei höheren Schule bei manchen Stellen in der Ein-

stellung zur Kunsterziehung nichts von dem Geist und
der Auffassung der Ministerworte zu linden ist.
Wir entnehmen dem „Deutschen Philologen-Blatt"
Nr. 1 vom 6. Januar 1932 folgende Mitteilung des
. Verbandsvorsitzenden: „Auch als die finanzielle Not
immer dringender wurde und unmittelbare Maßnahmen
verlangte, hat der Verband der Pflicht sich nicht ent-
zogen, positiv mitzuarbeiten. Schon Ende des,
Jahres 1 9 3 0 lag ein Sparprogramm des
Verbandes vor; in einer Besprechung im Anfang
vorigen Jahres wurde es dem Minister persönlich mit-
geteilt. Es ist vielleicht gerade heute, den Vorwürfen
gegenüber, die Berufsorganisation schlage nichts
Wirksames vor, angebracht, darauf zurückzukommen.
Der Geschäftsführende Vorstand hatte schon damals,
vor einem Jahre, folgende Punkte aufgestellt und die
Verbandsleitung ermächtigt, auf dieser Grundlage zu
verhandeln:
1. Einschränkung der Arbeitsgemeinschaften und des
fakultativen Unterrichtes.
2. Zusammenlegung von Parallelklassen in einzelnen
Fächern.
3. Beschränkung auf 2 Sexten für jede Anstalt, auch
wo, wie bisher, ein Bedürfnis für 3 Anfangsklassen
vorläge.
4. Einschränkung des technisch-künst-
lerischen Unterrichtes je nach der
S c h u I a r t."
Soweit das Deutsche Philologenblatt.
Wie verhält sich Punkt 4 zu dem Ministerwort? 1
Was sagen unsere jungen Amtsgenossen in Preußen
zu dieser „positiven Mitarbeit" des Philoiogenver-
bandes, dessen Mitglieder sie sind?
E. Fritz.
Und die deutschen Philologen?
Einem Sonderabdruck aus dem Deutschen Philologen-
blatt über die preußischen Sparmaßnahmen und die
Bildungsarbeit der höheren Schulen" entnehmen wir
das Nachfolgende:
„Die schlimmsten Mängel dieser Stundentafel (des
Gymnasiums) würden sich noch ausgleichen lassen,
wenn man sich wirklich entschlösse, das Ideal
der aliseitigen Bildung aufzugeben, die
5 deutschkundlichen Stunden und 5 Zeichenstunden (in
Sexta und Obersekunda bis Prima) streichen und da-
für wenigstens die 5 Lateinstunden, 2 Stunden Grie-
chisch und 3 Mathematik wiederherstellen würde."


Wichtig an dieser Auslassung ist zunächst die
Feststellung, daß es sich bei der „allseitigen Bil-
dung" um ein „Ideal" handelt, und daß zu diesem
Ideal der „Zeichen- und Kunstunterricht" gehört.
Aber tief bedauerlich ist es, daß das Deutsche
Philologen-Blatt den Gedanken ausspricht, und da-
mit den amtlichen Stellen als Ziel hinsteilt, das Ideal
der allseitigen Bildung, d. h., genau besehen, das»
Ideal der „humanen Persönlichkeitsbildung", aufzu-
geben, um ein paar weitere Stunden Latein, Grie-
chisch und Mathematik zu gewinnen. Die, im engen
Fachinteresse befangene Gesinnung, aus der solche
Vorschläge kommen, ist uns wohl bekannt. Sie war
bei führenden Philologen immer schon da. — Sie
konnte jedoch bisher durch die auf das Ganze der
Menschenbildung gerichteten Kultur- und Erziehungs-
bestrebungen der preußischen Schulverwaltung zu-
rückgedrängt werden. Wir zweifeln übrigens nicht
daran, daß es noch Philologen gibt, die mit uns dieses
Ganze sehen.
Aber wo bleibt heute der preußische Staat, der als
Sachwalter des Eigenrechles des Kindes und der
Jugendlichen seine erkämpfte Schulreform schützt?
(Siehe Richertl)

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