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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 6 (Juni 1932)
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Kellermann, Elisabeth: Wiegen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0113

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Wiege. Ly/cum lljohoc i. II.
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E. KELLERM ANN-ITZEHOE I.H.« WIEGEN
In diesem Winter haben wir Wiegen gearbeitet, die
Oberprima und ich. Das soll bedeuten: Abschied
vom Kinderland, Aufbau von Neuland. Wir alle wissen:
die Brücke zur Freude heißt Schaffen! Was soll uns all
das ausländisch gefärbte Modespielzeug, wir wollen
eignen und fremden Kindern selbstgeschaffene Dinge
schenken können, mögen wir arm sein, gut —, aber
wer verbietet uns den inneren Reichtum? „Denn Armut
ist ein großer Glanz aus Innen . . (Rilke.)
Beim Betrachten der Wiegen fällt eines dem Außen-
stehenden auf: die große Verschiedenheit. Es gibt
nicht nur gesägte, geschnitzte, gemalte Wiegen, wir
haben auch geflochtene, richtige gemütliche Kinder-
körbe auf Holzrädern. Ein bäuerlicher Kinderwagen
ist aus Weidenruten geflochten, (wie ein Fischkorb)

und hat einen rotgeblümten Plan. Eine andere Wiege
war einmal eine Obstkiste. Die Puppenkinder sind ent
weder aus Holz geschnitzt (mit beweglichen Gliedern)
oder aus Draht und Stoff hergestellt. In jener Wiege,
welche einen geschnitzten wilden Rosenbusch zeigt,
liegen winzige, sanfte Kissen aus dem eignen ersten
Kinderbettchen der Urheberin, ein wenig Goldstaub
schimmert aus dem tiefen Dornengrund des Rosen-
busches auf und sieht fein zu dem übrigen Braun,
„es lag gerade nebeneinander im Tuschkasten", sagte
Gisela . . .
Als die ganze Kinderstube fertig war, gingen wir
mit dem gesamten Wiegenwerk in einen uralten Park;
im Freien — unter hohen Bäumen — scheinen alle Ab-
schiede behüteter.

Mainz die Schriftleiter pädagogischer Zeitschriften des
In- und Auslandes. Ihnen sollte die Möglichkeit gegen-
seitiger Fühlungnahme gegeben werden. Zugleich aber
wurde ihnen von berufenen Sachkennern ein Einblick
in die heutigen Probleme unseres Erziehungswesens
vermittelt. Deshalb hatte das Institut auch den Reichs-
verband der Kunsterzieher zur Mitarbeit auf dieser
Tagung aufgefordert. Das Institut ist noch jung, die
eingeladenen Schriftleiter waren diesmal nur zu einem
Teil erschienen. Große Blätter waren noch nicht ver-
treten, leider fehlte auch „Kunst und Tugend". Der
Leiter der Veranstaltung, Herr Schulrat Niemann, sprach
von einer gewissen Regelmäßigkeit der Zusammen-
künfte der pädagogischen Presse auf der Zitadelle
und hoffte, im nächsten Tahi die fehlenden Schrift-
leiter begrüßen zu dürfen. Die anwesenden Schrift-
leiter waren durchaus nicht immer eines Sinnes über
den zweckmäßigsten Gang ihrer Arbeit. Es wurden
sogar Zweifel an der Dringlichkeit einiger der behan-
delten Fragen laut. Ein Schriftleiter sagte kurz heraus,
Kunsterziehung z. B. interessiere ihn jetzt durchaus nicht.
Diese Äußerung war für Herrn Kollegen B e t z I e r,
der dann (auf Einladung des R.-V. hin) seinen Vortrag
hielt, die gegebene Veranlassung, eindringlich und mit

ganzem Ernst die Bedeutung der heutigen Kunst-
erziehungsbestrebungen aufzuzeigen. Seine Rede,
durchaus nicht die eines „Nur-Fachmannes" im Sinne
fachlicher Begrenztheit, legte zunächst in unerbittlicher
Offenheit die Gründe der Bildungs- und Vertrauens-
krise unserer Zeit dar. Betzier zitierte das Wort Vie-
nots: „Deutschland lebt heute in einer ins Fließen ge-
ratenen Welt." Neben der Weltwirtschaftskrise und
der politischen Krise ist unser Volk von einer tiefdrin
genden Kulturkrise heimgesucht. Und zwar ist diese
letztere nicht in erster Linie die Folge der darnieder
liegenden Wirtschaft, sondern umgekehrt: deshalb
fehlt es an Wirtschaftsvertrauen, weil man sich nicht
mehr versteht, weil man geistig den Boden unter den
Füßen verlor, weil es keine allgemeine, verpflichtende
Überzeugung mehr gibt. Auch die Schule ist ein Ge-
genstand wirtschaftlicher Überlegungen geworden.
Das ist angesichts der Geldnot des Staates gewiß
nicht zu ändern, ja könnte der Schule sogar zum Segen
gereichen, wenn die Sparmaßnahmen da einsetzten,
wo Lebensfeindliches sich in dieser Schule bisher noch
zu halten vermochte. Indessen zeigt die Schule heute
eine Rückwärtsbewegung zur alten Lernschule hin,
während zur gleichen Zeit in den Studierstuben der

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