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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 11 (November 1932)
DOI Artikel:
Grauerholz, Hermann: Das formende und bildhafte Gestalten im neuen Tanz des Mädchen
DOI Artikel:
Röltgen, E.: Marionettenspiel in der Schule
DOI Artikel:
Zum Nachdenken / Umschau / Sprechsaal / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0207

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Köiper erlebte tänzerische Handlung, eine mit beweg-
ten Körper duichgelührte Aufteilung der Bewegungs-
fläche, liefert wahrscheinlich Einblicke in den Sach-
zusammenhang gemeinsam und gleichzeitig im glei-
ten Raum handelnde Personen, die Gesichtsvorslel-
lungszusammenhänge und reine Gesichtssinneserleb-
nisse um wertvolle formende Voraussetzungen be-
reichern.
Noch mehr aber rückt das Formschulende der tän-
zerischen Erziehung dann in den Vordergrund, wenn
das Mädchen auf den Wachslumsslufen oberhalb dei
Grundschulzeit die Beziehung zum inhaltlichen Tanz
leilweise und vorübergehend verloren hat, wenn es
nicht mehr aus der Einheit seiner Kindpersönlichkeii
heraus mit großem künstlerischen Ernst sehr ernslhaf-
len Inhalten symbolische Bedeutung gibt in seinen
Bewegungsbildern. Die Brücke, die jetzt vom Kinde
aUs in dem Bewegungs- und Zeichenunterricht ge-
schlagen wird, bedeutet von beiden Seiten aus ge-
baute Formschule. Die Beziehung, die es jetzt zur tän-
zerischen Bewegung bekommen hat, ist ausgespro-
chen bewegungsformender und raumformaler Art ge-
worden. Was es an seelischer Bereitschaft für inhalt-
lich bildhafte Gestaltung verloren hat, hat es an Teil-
nahme für Raumauffüllung, Flächeneinteilung und Be-
wegungsformung gewonnen. Es ist von Kopf bis Fuß
auf Bewegungs-Komposition und in Form und Raum

eingestellt, besonders dann, wenn aus den antreiben-
den Rhythmen und der melodischen Führung einer
Musik die lustbetonten Bewegungsansätze dazu kom-
men. Es macht seinen Körper zum Werkzeug betont
formender Bewegungsgedanken. Auf alle Möglich-
keiten der reinen Gruppenbewegung, die eine Hin-
führung zu den Aufbau-Gestaltungsgeselzen der Sym-
metrie, des Gleichklangs, der waagerechten, senk-
rechten, strahlenförmigen Reihung bilden, auf die
Gestaltungsgesetze der Überschneidung, der räum-
lichen Steigerung, geht es mitgestaltend ein. Es be-
jaht ornamentale Bildungsaufgaben und ahnt die Be-
ziehungen zwischen den raumplastischen Werten einer
Gruppe und den bildplastischen einer Solistin. Es
begreift den tänzerischen Raum als bildnerischen
Raum, es begreift seinen Körper als plastisches Ziel.
Seine Anteilnahme an tänzerischen Stilstudien ist ge-
radezu überraschend für alle Lehrkräfte, die das Reife-
mädchen zum erstenmal in dieser Hingabe sehen. Von
der tänzerischen Stilstudie im Bewegungsgemäßen zur
Stilstudie in Kostüm- und Bühnenentwurf ist nur ein
Schritt.
Mir kam es in diesen kurzen Ausführungen zunächst
nur darauf an, als Bewegungslehrer für Zeichenlehrer
einen Vorhang aufzureißen, hinter dem Licht aus-
gebreitet sein will über gemeinsame Formungsauf-
gaben im Sinne der neuen Kunsterziehung.

E, rö LT GE hl- HAMBURG: SV1A RIO N ETT E N S PI E L IN DER SCHULE

An einem Festtage unserer Schule wollte die Unter-
sekunda ein Stück aufführen, aber nicht die Schü-
lerinnen selbst, sondern Puppen sollten die Rollen
übernehmen. Wir gedachten, uns sogar an ein Stück
von Goethe zu wagen, natürlich nur an ein einfaches,
an das kleine Singspiel Dery und Bätely, zu dem Georg
Harlmann eine ansprechende Musik geschrieben hat
(Redam-Verlag). Wir mußten also ein Marionetten-
theater schaffen. Bühne und Kulissen v/aren nicht
schwer herzustellen. Goethe schreibt für den Schau-
platz eine Schweizer Gegend vor, wir hielten uns nur
an die Alpenlandschaft. Auf dicke Pappe wurden mit
Deckfarbe, vor allem mit Plakatweiß, Berge und Mat-
ten für den Hintergrund, Tannenwände und ein Bauern-
haus für die Seitenwände gemalt. Das Problem war
die Herstellung der Puppen. Alles mußte möglichst
billig angefertigt werden. Die Köpfe, Arme und blo-
ten Beine wurden aus aufgeweichtem Zeitungspapier
geknetet, beim Arbeiten des Kopfes ein Holzstäbchen
durchgesteckt, damit ein Weg für den Faden geschaf-
fen wird, und die Glieder um einen Draht geformt,
dessen oberes Ende zu einer Öse umgebogen werden
muß. Die Gestaltung der Glieder macht am meisten
Schwierigkeiten, da die Knetmasse aus Zoilungspapier
ja leicht bricht und nach dem Trocknen viele Uneben-
heiten aufweist; man rnuß schon Seidenpapier und
Klebstoff zu Hilfe nehmen, will man die Höcker und
8eulen etwas ausgleichen. Auf feinere Ausarbeitung
verzichteten wir, da die primitivere und groteskere
Gestaltung der Auffassung der Schülerinnen mehr ent-
sprach.
Der Rumpf wurde aus einer Papprolle gemacht, die
unten einen Deckel erhielt, auf den Bleiknöpfe zur
Beschwerung geheftet wurden. Die Puppen müssen
möglichst mit Blei beschwert werden, vor allem die
Füße, etwas auch die Flände. Der obere Rand der
Holle wurde gezahnt (wie beim Arbeiten runder
Schachteln) und darauf ein Schulterstück wie eine Art
Klagen mit Halsausschnitt geklebt. Durch Löcher an
den oberen und unteren Seiten der Papprolle werden
hie Glieder an den Ösen mit Bindfaden löse am
Kumpfe befestigt. Will man die Figur etwas menschen-

ähnlicher gestalten, so weicht man die Papprolle mit
Wasser auf und schnürt sie in der Taille ein wenig mit
Bindfaden ein. Am besten hüllt man den Rumpf mit
Strumpfstoff ein, um den scharfen Ansatz der Glieder
auszugleichen. Vor dem Ankleiden wurden Kopf und
Glieder mehrfach mit Deckfarbe übermalt und dann
lackiert, zuletzt die Fäden durch Rumpf und Kopf ge-
zogen. Es genügt, nur Kopf und Hände an Fäden zu
leiten, feinere Wirkung erzielt man, wenn auch die
Füße geführt werden. Oben befestigt man die Fäden
am besten an Holzkreuzen oder an dickem Draht, der
wie ein Kleiderbügel gebogen wird.
Unsere Glanzleistung war die Herstellung von zwei
Ochsen auch aus einer seitlich zusammengedrückten
Papprolle, die durch Anfeuchtung knetbar war. Das
hintere Schlußstück wurde aufgeklebt, der Kopf aus
Zeilungspapier geknetet, die Beine auf Draht mit an-
gefeuchteter Zellstoffwatte geformt, überhaupt der
ganze Rumpf in feuchte Zellstoffwatte gehüllt, zuletzt
bemalt und lackiert.
Die Aufführung gelang, und die kleinen Darsteller
ernteten reichen Beifall.

ZUiVl NACHDENKEN
Der Gehalt der ästhetischen Vernünftigkeit.
Vom Insgesamt der Wirklichkeit eine wesentliche
Seite ist die anschauliche Wirklichkeit, das Wort in
weitester Bedeutung genommen, als mitbezeichnend
also einerseits alles Sehbare, Hörbare, Riechbare,
Schmeckbare, Tastbare, andererseits auch das Phan-
tasiebare, „Vorstellbare", kurz alles irgend anschau-
lich zu Vergegenwärtigende ... Es stört den Geist
und beeinträchtigt sein wahrnehmendes Erfassen die
Unübersichtlichkeit, Zufälligkeit, gesetzlose „Verwor-
renheit" der Bilder, an deren Stelle er die Gleich-
form, die Regel und in äußerster Steigerung, die
immer dasselbe wiederholende Maschine zu bringen
bestrebt ist. Die Empfänglichkeit für das Störende des
anschaulich Regellosen und die Tendenz, es umzu-

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