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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1932)
DOI Artikel:
Pankok, Otto: "Stern und Blume"
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0185

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Aus „Stern und Blume" von Otto Pankok (Freicleutschlanctbund, Düsseldoif)

„STERN UND BLUME“ VON PANKOK

Diesem Buch, das wir früher schon in Kunst und Jugend
würdigten, sind die Bilder unseres Helles und die nach-
stehenden Textproben entnommen. Otlo Pankok ist ein
ganz ursprünglidier Mensdi und Künstler, in dem „die
dämonische Wellseele'', wie Ludwig Klages sagen würde,
noch unmittelbar wirkt, ja, der uns selber als ein urwüdi-
siger Ausdruck dieser dämonischen Wellseele erscheint.
Einer solchen Elementarerscheinung gegenüber versagen
alle verslnndesklaren Kunsttheorien.
Wir empfehlen den Band nochmals angelegentlich. Mir
ist er eines meiner liebsten Bücher geworden, zu dem idi
immer wieder zurückgreife, wenn ich dem „Zweckgetriebe
Leben” eine Weile entfliehen will. Der Band ist im Verlag
Freihodischulbund In Düsseldorf ersdiienen. Dem Vciiag
und dem Künstler sei herzlich gedankt für die Erlaubnis
des Abdruckes des Textes und der Bilder.
1. Kindheitserlebnis. Alle Dinge und Erleb-
nisse, die einen Künstler bewegen, sind die gleichen,
die ihn schon in seiner Kindheit entzückten. Was ihn
zum Schaffen reizt, bleibt für sein ganzes Leben das,
was schon das Kind begeisterte. Die Schauer, die ein
junger Mensch empfand bei einem Gewitter über
einer Ebene, einem Sturmwind im Park, beim Anblick
eines knospenden Baumes im Vorfrühling, eines ge-
quälten Tieres, beim Klang einer Stimme, eines Ge-
dichtes oder einer Melodie, bei der Betrachtung eines
Menschenantlitzes, der erschreckenden Tiefe des
Nachthimmels, sie setzten sich in seiner Seele fest,
zwangen ihn zum Ergreifen des Künstlerberufes und zu
intensiver Tätigkeit, um diese unerforschlichen und un-
aussprechlichen Erlebnisse zu verwirklichen, um einem

Etwas Gestalt und Leben zu geben, das bisher als un-
geboren in der Welt schlummerte.
Der Mensch Rembrandt suchte sein ganzes Leben
lang zu gestalten, was das Kind Rembrandt erlebt
hatte in der düsteren väterlichen Mühle mit ihrem Aus-
blick über die riesige holländische Ebene. In allen
seinen Werken spüren wir dieselben Probleme: die
Dunkelheit des Mühlen-Innern und die magisch be-
lichteten und verdunkelten Gestalten, die hohen dra-
matischen Himmelsgewölbe und d,e Einfalt biblischer
Geschehnisse aus den täglichen Andachtsstunden der
alten Müllersleute..
Was anders zwingt den Pariser Bankbeamten Gau-
guin, eines Tages einfach nicht mehr ins Büro zu
gehen, seine Familie im Stich zu lassen und wie ein
Besessener sich auf die Malerei zu werfen, was an-
deres, als eben die in der Tiefe hockenden, ewig
wachen Jugenderlebnisse, die dem Menschen niemals
Ruhe lassen, bis er ihrem Drängen nachgibt? Alle
Kunst ist einseitig, weil der Mensch nur aus seiner
Jugend schöpft. Darum malt Chagall sein ganzes Leben
lang Ghettobilder und Uteillo seine heimatlichen
Montmartrestraßen.
Oft hatte ich Gelegenheit, jene „vielseitigen” Künst-
ler nach ihren Jugenderlebnissen auszuforschen und
fand immer, daß diese von vielen Beschauern oft be-
wunderten Eigenschaften ihren Sitz in einer zerris-
senen, lieblosen Jugend hatten. Die zirkusmäßige Blul-

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