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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 4 (April 1932)
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Kellermann, Elisabeth: Qualitätsgefühl
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Parnitzke, Erich: Formen von "Wasser"
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0071

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„Qualität" i s t, wer in sich selbst ruht und darum Krall
und Ruhe ausstrahlt. Heinrich Federer traf solche
Menschen oben in den Einöden der Abruzzen an, —
uns begegnen sie zuweilen zwischen den vielen hel-
len und dunklen Haarschöpfen unserer Zeichensaal-
Kinderstube, später, im Reisegewirr des Lebens, trifft
man selten ein großes Kind. Warum ist das so? Warum
fehlt so vielen der Mut zu sich selbst, der Mut zum
echten, eignen Wesen? Weil da eine Unsicherheit
steckt, ein Mangel an Qualitätsgefühl, Qualitätsgefühl
auch für eigne, innere Werte. Das Fremde, — der alte
Fluch der Deutschen — glänzt mehr! Das Fremde muß
es sein, und wenn's nur eine fremde Eintagsmeinung
wäre. Ein blank gescheuerter Tisch aus Eichenholz,
nein, ein „Büffet" muß es sein, eine feine, zarte Kette
von Gold aus Großmutters Händen, neinl eine dicke,
dumme, knallbunte Glas- oder Holzkugelkette muß es
sein im Zeitalter der „Primitiven" der Nigger„kultur"
Deutschlands. Die inneren Ketten genügen eben vielen
immer noch nicht. Vergebens hat ein Erwin Guido
Kolbenheyer seinen Aufruf an die Universitäten erlas-
sen mit der ebenso knappen wie kühnen Frage: Was
habt ihr getan, um die Verniggerung der Kunst auf-
zuhalten? Solche Stimmen werden totgeschwiegen.
Wir wissen das. Ein Blick auf Bühne, Literatur, Konzert-
saal, — — — wenn überhaupt, so hat da nur noch

ERICH PARNITZKE-KIEL: FORMEN VO
Anläßlich einer Halen- uncIVerkehrslechnischen Ausstellung
auf dem Messegelände wurden in der Kieler Kunsthalle
Bilder von: „Schiff und Schiffahrt in allerund neuer Zeit"
gezeigt. Von frühmittelalterlichen Miniaturen bis zu mo-
derner Graphik und Im besonderen Sdliflsbildnisse aus
Reederei-Kontoren und Kapitänskajülen, die mit grofjem
Sachverstand jedes Detail der Ausstattung enthalten und
manchmal unversehens künstlerische Kabinettstücke sind,
wertvoller als mandie „Kunslmalersludie" von oberllädi-
lichem Reiz. Die Ausstellung war in vielfacher Beziehung
anregend. Ich bringe hier einige graphische Lösungen der
Formen des „Wassers", die eine Mitteilung verdienen im
Hinblick auf teilweise ähnliche Gebilde in vorstellig ge-
schallenen Schülerarbeiten. Sie möchten dazu beitragen,
dalj die Ausgestaltung des „Wassers" in den verschiedenen
Möglidikeilen erkannt werde, datj „Formeln” vermeidbar
bleiben (wozu ich schon das blofje Anmalen in Blau redine
— wenn es das einzige Leitbild istl) und die lebendigen
eigenslrebigen Ansätje „verstanden" und sinnvoll begün-
stigt werden können zu „schöner" Ausprägung,
Zwei Vorstellungen treten auf, wenn Wasser verwirk-
licht werden soll: Farbe und die Struktur. Ich be-
schränke mich in den Beispielen auf solche rich-
tungsmäßig-geschriebener (graphischer) und solche
reliefmäßig-modellierender (plastischer) Art. .Die
„malerische" kann ich als zumeist bekannt voraus-
setzen, auch würde sie authentische Reproduktionen
verlangen und ohne Farben kaum verständlich blei-
ben. Entschuldigen muß ich meine handschriftliche
Nachgestaltung, die vergröbert, was in den Originalen
gegeben ist und nur eine gewisse Berechtigung hat als
Hinweis, die Formen nachzuschlagen, was jedem, der
einiges Bildmaterial gesammelt hat, möglich sein dürfte.
Die farbige Verwirklichung nachzulesen, dürfte aller-
dings auch dann noch schwer fallen, weil die Über-
schwemmung mit Photos diese eigentlich unentbehr-
liche Seite in hohem Grade hat verkümmern lassen
und selbst eine erhebliche Schulung, im Schwarz-
Weiß-Bild die Farbe mitzufühlen, häufigen Irrtümein
ausgesetzt bleibt, Irrtümern in der Leitvorstellung, die
dann nur zu leicht in die „Lehre" übernommen werden.
So weit, daß oft schlechthin von „Zeichnung" ge-
sprochen wild, wo es sich tatsächlich schon um Struk-
tur und Farbe handelt, wo mit Farbe gezeichnet
wurde. Kinder bringen-Verwirklichungen in der Art
A, B, C, 1, sofern ihnen Buntstifte oder der Pinsel zur

ein armer Zweiy das Woit, dei heißt Michel und
spielt den Narren, dessen Weisheit man ohnehin ver-
lachen darf.
Qualitätstgefühl! Das gilt auch für geistige Gifte.
Lehren wir unsere Schüler, überall Haut und Schminke
zu unterscheiden, rein und unrein zu erfühlen in Din-
gen und Denken, lehren wir wieder Sinn und Doppel-
sinn eines Grashalms deuten, Segen der Tautropfen
und Tränen erahnen. Was nützt der schönste Alber-
tina-Druck von Dürers großem Rasenstück an den
Schulwänden, wenn der junge Mensch darin nur ein
geschickt gewähltes, drucktechnisch vollkommenes
Stück Papier erblickt, statt sich und seinen Näch-
sten! „Der Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er
blüht wie eine Blume auf dem Felde, wenn der Wind
darüber weht, so ist sie nimmer da und ihre Stätte
kennet sie nicht mehr . .
Dürer wird nichts Geringeres dei Nachwelt zu ver-
erben gewünscht haben als dieses: Ehrfurcht und
Tiefe. Noch am toten Flügel leuchtet die Feder, leuch-
tet zurück göttlichen Glanz, — vertun wir die Kraft
unserer Blicke nicht im Staube. „Mehr Licht" in Päda-
gogik und Lebenl mehr Luft in die Wissenschaft, daß
sie Weisheit werde. Mehr Liebe der im Chaos krän-
kelnden Schülerseelel
Qualitätsgefühl als Freuden-Arzenei!

N „WÄSSER“
Verfügung stehen, mit blauer Farbe, und wo wir
diesen Formen in Handzeichnungen — Buchmalerei —
begegnen, sind diese allgemeinsten Symbole für
Wasser ebenfalls oft schon farbiger Ausprägung. Es
braucht ein Widerspruch zwischen Färb- und Struktur-
bezeichnung in dieser Stufe nicht aufzutreten. Wohl
aber kann er es. Handelt es sich z. B. um einen Teich
in einem Kinderbild, in dem sonst schon ausgedehnte
Farbigkeit vorkommt (Häuser, Menschen usw.), dann
führt die Absicht, dort „Blau" hinzubringen, zum Aus-
malen. Solange der Umriß noch vorwiegend Rich-
tungsbedeutung hat (rund-herum) kann dies „Malen"
auf die Mitte beschränkt bleiben und sich dort als
„Kritzelknäuel" ausbreiten, das dem Umriß sein Eigen-
recht beläßt. Erst, wenn die Grenzbedeutung klar
liegt, wird die ganze abgegrenzte Teichfläche farbig
erfüllt werden. Wir erleben aber hier schon eine Ga-
belung. Die einen Kinder erstreben den blauen Teich
und setzen das Ausmalen über manche technischen
Schwierigkeiten hinweg durch. Die andern meinen
auch Blau, aber ein einzelförmig gesetztes, sie geben
bestimmte Formdaten des Wassers! Z. B. das „Lie-
gende", welche Vorstellung so zwingend bleibt, daß
sie bis zu den spätesten Formen immer wieder durch-
schlägt. Oder das „Wellige" — hier als Sonderthema
aufgenommen. (Es darf nicht vergessen werden, daß
es eine sehr breite Entwicklung von Formen für das
ruhende Wasser gibt, die in eigenartiger Weise zum
Ausdruck für das Spiegelnde, Blanke, Glänzende, Sei-
dige eben des Wasser-„Spiegels" führt). In den gebo-
tenen Formen des „Welligen" ist beides enthalten:
der Fluß, das Strömen des Wassers und das wirkliche
Auftreten von Wellen aus dem Erlebnis der verschie-
denen Bildungen (Plätscherweilchen, Wellenkämme,
Wogen, Wasserberge usw.) Derart, daß z. B. bei der
Verwirklichung von „Bach" sich noch lange das zu-
nächst vielfach gemeinsame „Wellenband" erhalten
kann, während beim „Meer" eine Berg- und TaIform
ausgebildet wird, die beim Bach wenig Sinn hätte.
Bei den ersten Formen, die aus einem schwanken-
den Bekritzeln („da ist was", nämlich Wasser) heraus-
wachsen, ist es schwer, eine Diagnose auf „liegend"
oder „wellig" zu stellen. A, 1 — oben gehört da-

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