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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 6 (Juni 1932)
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Kolb, Gustav: Nochmals im Kampf um unsere Sache
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Zickwolff, Erich: Schule und Kunsterziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0112

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Wir vom Werkbund haben allen Grund, dieses Leben
auf dem Gebiet der allgemeinen Erziehung zu beach-
ten und die lieferen geistigen Zusammenhänge zu ver-
folgen, die zwischen diesen Ideen und den Ideen des
Werkbundes bestehen.
+ +
Mil diesen vortrefflichen Ausführungen können wir
alle einverstanden sein. Sie hätten sich namentlich in
den Kreisen des deutschen Werkbundes fördernd für
unsere Erziehungsbestrebungen auswirken können,
stünde ihnen nicht der Aufsatz voran:
„Zur Problematik des Gestaltungsun-
terrichts in der Volksschule" von Walter
D e x e I, dem wir uns nun zuwenden.
Dieser Aufsatz gibt zu schlimmen Mißverständnissen
Anlaß, umso mehr als er von dem Schriftleiter der
„Form" mit der Vorbemerkung eingeleitet wird, daß
es sehr wichtig sei, daß einmal von berufener
Seile auf die Wichtigkeit der anderen, mehr praktisch-
lealen Seite des Goslallungsunteirichls hingewiesen
wird — in einem Augenblick, in dem gerade dem
„Werkunterricht" an den Schulen durch die Sparmaß-
nahmen der Garaus gemacht werden soll.
Was hat diese „berufene Seite" zu sagen?
Wir können hier auch nur einige Kostproben geben
und müssen umso mehr aul das Heft der „Form" ver-
weisen, als dem Aufsatz eine große Anzahl von Ab-
bildungen von Schülerarbeiten beigegeben sind, die
uns eindeutiger als Worte sagen, welches Erziehungs-
ideal dieser Berufene besitzt.
Dexel geht von dem bekannten Wort Goethes aus:
Fähigkeiten werden vorausgesetzt, sie sollen zu Fertig-
keiten werden und fragt: „Wie nimmt sich der mo-
derne Gestaltungsunterricht im Lichte dieser Erkenntnis
aus?" Er urteilt Summa Summarum: „Fraglos sehr be-
trüblichI": Für die Mehrzahl der Schülerarbeiten ist vor
allem eins typisch — ein Verharren auf einer ganz
frühen infantilen Stufe. Das Ungekonnte ist geschätzt
und die gewisse Einheitlichkeit der frühkindlichen Ge-
sichtsvorstellungen wird künstlich zu erhalten gesucht.
Dafür wird die Beobachlungsfähigkeit ebenso künst-
lich verkümmert und hintangehalten. Diese Beobach-
tungsfähigkeit, die neben der Geschicklichkeit der
Hand eine so ungeheure Rolle im Leben spielt . . .
Was erzieht man mit dem modernen Zeichenunter-
richt? Ein freches Geschlecht, das sich vor ein Kunst-
werk stellt und mit einem gewissen Recht behauptet,
solche Sachen habe es in der Schule auch gemacht...
Da die Zeichenpädagogik seit Jahren und heute
noch einer exakten Zielsetzung ermangelt, die alten
Methoden in Bausch und Bogen verurteilt und neu-
gültige noch nicht gefunden hat, hofft sie dieselben
aus der Beobachtung des kindlichen Schaffens zu
gewinnen.
* + +
Nach diesen allgemeinen Bemerkungen, die an Deut-
lichkeit nichts zu wünschen übrig lassen, wendet er

sich der sattsam bekannten, auch von uns keineswegs
geschätzten Methode des Lehrers Geist an der Aka-
demieschule in Halle zu und man entdeckt, daß sich
seine Anklagen auf diesen Sonderfall beziehen. Mit
welchem Recht verallgemeint er nun aber das hier
sicher berechtigte Urteil? Sind ihm die jahrzehnte-
alten erfolgreichen Bemühungen der deutschen Zei-
chenlehrerschaft um einen psychologisch begründeten,
kinder- und jugendgemäßen Gestaltungsunterricht völ-
lig unbekannt? Kennt er auch das aus der Praxis her-
ausgewachsene Schrifttum darüber nicht?
Freilich kennt er beides! Denn was er an vorbildlich
gemeinten Unterrichtsbeispielen dem geistlosen Ma-
terialismus des Herrn Geist entgegenzuslellen hat, ist
in diesem Schrifttum schon seit manchen Jahren — nur
in weit besserer Qualität — veröffentlicht und ent-
steht nicht erst seit heute jeden Tag in einem gut ge-
leiteten Gestaltungsunterricht in unseren Schulen. In
der Tat, nicht eine einzige neue Idee, weder im Wort
noch im Bild weiß D. uns vor Augen zu stellen — nur
verwässerten Abklatsch des schon Vorhandenen und
dazu manches Üble.
Wieso ist er dann aber berufen, hier in letzter Instanz
über die Erziehungsarbeit der gesamten deutschen
Lehrerschaft abzuurteilen?
Ja, in letzter Instanzl Denn die „Form" läßt eine
sachliche Klarstellung der unsere Arbeit schädigenden
Mißverständnisse, die sich aus den Ausführungen des
Herrn Dexel ergeben müssen, nicht zu. Auf meine
Bitte, uns ihre Spalten zu diesem Zweck zu öffnen,
erhielt ich vo,n der Schriftleitung nachstehende Antwort:
„Der Auf Stils von W. Dexel hat wie seilen eine Veröffentlichung
breifesle Zustimmung in maßgebenden Kreisen gefunden. Es
sind sowohl uns als auch dem Verfasser eine Menge Zuschril-
len rugogangen, die zeigen, ckrfj D. mit dom, was er gesagl
hat, vollkommen recht hat. Oh in Einzelheiten ein paar Miß
Verständnisse vorgekommen sind, das besagl gegenüber dem
grofjen Erfolg dieser Veröffentlichung gar nichts."
Wir meinen, diese Begründung der Ablehnung einer
Klarstellung beweist einwandfrei, daß die Ausführun-
gen Dexels tatsächlich Mißverständnisse über unsere
Erziehungsauffassung und Erziehungsleistung, und zwar
sogar in „maßgebenden Kreisen" erweckt haben. Diese
Mißverständnisse müssen, und zwar nicht zuletzt im
Hinblick auf unsere, heute durch die Sparmaßnahmen
so schwer gefährdete Erziehungsarbeit unbedingt aus
der Welt geschafft werden. Und zwar dort, wo sie
verursacht wurden.
Es entspricht nicht der Würde einer so vornehmen
Zeitschrift, wie „Die Form" es ist, und des Deutschen
Werkbundes, dessen Mitarbeiter wir allezeit gewesen
sind und fernerhin sein wollen, das zu verweigern.
Wenn es zutreffend ist, was Herr Dr, Lotz ausführte,
daß der Werkbund allen Grund habe, die tieferen gei-
stigen Zusammenhänge zu verfolgen, die zwischen
den Ideen der heutigen allgemeinen Erziehung und
der Ideen des Werkbundes bestehen, so muß er diese
Klarstellung selbst dringend wünschen. G. Kolb

ERICH ZICKWOL FF-FRANK FURT A. M.: SCHULE UND KUNSTERZIEHUNG

In Mainz, der Stadl rheinisch bewegten Lebens, mit
der weltgeschichtliche Ereignisse von gewaltiger Trag-
weite verknüpft sind, ist in letzter Zeit ein sicht-
bares Zeichen des Aufbauwillens unseres Volkes ge-
schaffen worden und jetzt auch den deutschen Kunst-
erziehern bekannt zu machen. Dort, wo einst der Lärm
militärischen Lebens die Höfe erfüllte: auf der alten
Zitadelle ist eine Hochburg derjenigen Kräfte entstan-
den, die die Zukunft unseres Volkes nicht zuletzt in
einer neuen Erziehung seiner Jugend sehen. Hier oben
geht's nicht mehr um den ernsten Dienst militärischer
Ertüchtigung, sondern um die nicht minder ernste Hin-
gabe an die Jugend. Von hier aus soll aber nicht nur
die deutsche Öffentlichkeit, insbesondere die deut-

schen Erzieher, einen wirksamen Anstoß zur Erneuerung
ihres Tuns erfahren, vielmehr will sich das Unterneh-
men, das weder staatlicher noch städtischer Unter-
stützung sein Entstehen verdankt, sondern lediglich
auf der freiwilligen und opferwilligen Arbeit der Be-
teiligten beruht, an die Erzieher aller Völker wenden.
Das „Institut für Völkerpädagogik" auf der -Zitadelle
in Mainz will an der Heraufkunft des europäischen
Menschen mitarbeiten. Nur auf einer Jugend, die in
friedlich-edlem Wettstreit und ohne Zollmauern des
Geistes aufwachsen durfte, beruht in Zukunft die
Selbstbehauptung Europas.
Allmählich wird die Öffentlichkeit aufmerksam. In
den letzten Märzlagen trafen sich auf der Zitadelle in

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