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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 3 (März 1932)
DOI Artikel:
Biema, Carry: Goethes Farbenlehre in der Praxis des Kunsterziehers
DOI Artikel:
Rötzscher, Albert: Eine andere Art, Laternen zu bauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0057

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Magnetnadel dasselbe große Gesotz dei Polarität
erkennen können, dieser Zweiheit in der Einheit, das
durch die ganze Schöpfung geht bis hinauf zu den
„zwei Seelen", die sich in der Brust des Menschen
ewig bekämpfen.
Von dem zweiten großen Naturgesetz, dem ewi-
gen Wechsel, der Verwandlung, der Meta-
morphose kann sich der Heranwachsende eben-
falls am leichtesten ein anschauliches Bild machen,
wenn er es an vielen praktischen Versuchen selbst
erlebt, wie die Farben, diese flüchtigsten und ver-
gänglichsten aller Erscheinungen, sich unter seinen
eignen Händen gegenseitig uinstimmen und verwan-
deln, wie sie aufblühen oder verblassen.
Im Freien, beim Aufgang und Untergang von Sonne
und Mond kann das Kind das „Urphänomen der
Farben" erleben, die Entstehung der Farbenerschei-
nungen als „laten und Leiden" des Lichts.
Das kleine Kind, das so oft aus eigenem Gefühl her-
aus die feinsten Harmonien zusammenstellt, sollte man
niemals bei der Farbenwahl beeinflussen. Wenn aber
später bei vielen Schülern diese schöpferische Gabe
aufhört, wenn sie sich immer wiederholen oder wenn
ihre Farbkläge zu einem schwächlichen, matten Phan-
tasieren werden, dann wird es Zeit, sie die „sinnlich
sittliche Wirkung der Farben" auf Auge und Gemüt
selbst erproben zu lassen, und sie vor allem die „hohe

Emphase", die Glut und Gewalt ui leben zu lassen, die
den Farben eigen sein kann. Nichts als „einen k I a
ren Kopf und ein gesundes Auge", verlangt
Goethe zum Erfassen seiner Farbenlehre. Beides be-
sitzen die frischen unverbildeten Kinder in hohem
Grade. Deshalb sollten sie niemals mit okkultistischen
Deutungen der Farben oder mit metaphysischen Ver-
schleierungen belastet und verwirrt werden.
Die beiden sichersten Wege, das Auge zu bilden,
sind der Anblick der unnachahmlich schönen Farben-
harmonien der Blumen, Vögel, Schmetterlinge, Fische
und Muscheln, der Insekten, Amphibien und Steine
und die Betrachtung der wahrhaft starken, nie wieder
erreichten farbigen Meisterv/erke alter Zeiten, der
gotischen Glasfenster und Buchmalereien, der alten
Perserteppiche, der ostasiatischen Seidenstickereien
und Porzellane.
Der Zeichenunterricht, der jetzt schon eine so wich-
tige Stellung einnimmt, kann eine ganz neue und
noch viel höhere Bedeutung erlangen, wenn er dern
Heranwachsenden mit den großen weltanschaulichen
Begriffen der Goetheschen Farbenlehre bekannt macht.
Dann wird die entgottete materialistische Welt seines
nüchternen Zeitalters ihm nicht mehr tot und hoff-
nungslos erscheinen. Er wird das Ewig Leben-
dige erkennen in allen irdischen Erscheinungen, von
denen, nach Goethes Wort die Farbe „das herr-
lichste Phänomen is t".

ALBERT RÖTZSC HER-DRESDEN: EINE ANDERE ART, LATERNEN ZU BAUEN

Ergänzend zu dem Unterrichtsbeispiel des Herrn
St.R. August Lust-Schramberg: Papierlater-
nen mit geölten Durchscheinbildern — in Nr. 9/1931
S. 241 ff. sei hier auf eine andere Möglichkeit hin-
gewiesen, diesem Thema nahezukommen.
Aus Anlaß einer kurz nach den Großen Ferien an-
beraumten Schulfeier im Freien war die Aufgabe an
den Lehrer für Zeichnen und Werkunterricht heran-
getreten, in kürzester Zeit, innerhalb acht Tagen, zur
Ausschmückung der Festfolge, an deren Ende ein
allgemeiner Lichterzug vorgesehen war, eine Stock-
laterne zu entwerfen, die schnell herzurich-
ten, billig und (wegen des Hinschaffens) Zu-
sammenlegbar sein sollte. Den Gedanken der
Schuleinheitlichkeit sollte sie durch einheitliche Form
und durch die Masse (gegen 40U Schüler, dazu Eltern-
und Lehrerschaft, insgesamt also 500 Stück) zum Aus-
druck bringen.


Gefaltete Formen und Kugelformen schieden (wie
es bei Lust S. 242 heißt) auch für uns aus. Wir ent-
schieden uns aber einmal für die zylindrische oder
Walzen-Form, des technischen Reizes willen und weil
diese Form unserej Zeit liegt.

Aus allgemeiner Überlegung, Erwägung und Bespre-
chung der gestellten Aufgabe, ihrer Lösungsmöglich-
keiten und auch der Schwierigkeiten erwuchs (neben
dem Bau eines Entwurfes, einer M u s t e r - Laterne)
folgendes:
Pergamenfpapier sollte wegen seiner Straff-
heit und Festigkeit und wegen seiner angenehmen
und gleichmäßigen Lichtdurchlässigkeit den Laternen-
mantel bilden. Im Einzelbezug ist es teuer, 1 qm
30 Pfg., in der 5 kg-Rolle (11—12 RM.) gegen 55 m
1 qm 22 Pfg. Hier fing schon die Preisberechnung bis
ins einzelne an und spielte für die ganze Arbeit ent-
scheidende Rolle/ An Hand der Muster-Laterne er-
rechneten wir 2,4 Pfg. für das Pergamentstück zu einer
Laterne.
Da die Pergamentrolie 75 cm breit liegt, paßten wir
das Höhenmaß der Laterne daran an und entschieden
uns nach einigen Versuchen mit anderen Maßen für
25 cm Höhe. Die Rolle wurde entsprechend mit der
Feinsäge im Ganzen gedrittelt, Da nach der Muster-
laterne auch die Breite bereits ermittelt war, nämlich
39 cm einschließlich Uberstand, konnte von beson-
derer Arbeitsgruppe das Pergament zugeschnitten
werden. Die drei Rollen wurden aufgerollt übereinan-
dergelegt, so daß mit einem Schnitt 3 Stück vom
Meikschneider abfielen. Genaues Abmessen und sorg-
fältige Winkelanlage waren zur Vorschrift gemacht
worden. Die sich ergebenden annähernd 500 Stück
wurden von einer Restrolle weg auf die volle Zahl
ergänzt und in 100 Stück-Stößen in der Buchbe-
schneidemaschine am Sägerand sauber beschnitten
und einstweilig gepreßt, so daß die Rollrundung
schwand (siehe a in Zeichnung).
Als Maß für den Durchmesser der Laterne er-
mittelten wir 12 cm. Die obere Öffnung sollte des
anzubrennden Lichtes wegen etwa reichlich faust-
groß sein.
Der Gedanke, die Laterne „zeitgemäß" elektrisch
mit Taschenlampe zu beleuchten, wurde wegen der
' Siehe die Kostennufstellung am Ende.

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