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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 6 (Juni 1932)
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Klauss, Otto: Über Ziele und Grenzen werbegraphischer Gestaltungen in den höheren Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0102

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Deutsche Blätter für Zeichen- Kunst- und Werkunterricht

Zeitschrift des Reichsverbandes akademisch gebildeter Zeichenlehrer und Zeichenlehrerinnen
Verantwortlich für die Schriftleilung: Prof. Gustav Kolb, Stuttgart, Ameisenbergstr. 65
Druck, Expedition und Verlag: Eugen Hardt G. m. b. H. Stuttgart, Langestrafje 18
Für Besprechungsexemplare, Niederschriften oder andere Einsendungen Irgendwelcher Art wird eine Verantwortlichkeit nur
dann übernommen, wenn sie erbeten worden sind + Schreibt sachlich klar und einfach I Meidet alle entbehrlichen Fremdwörter
12. Jahrgang_Juni 1932 Heft 6
OTTO KLAUSS-STUTTGART:
Über Ziele und Grenzen werbegraphischer Gestaltungen in den höheren Schulen

„Zwischen den Polen des Bewußten und Unbewußten
hat der Sinn eine Schaukel gebaut." Kabir.
Das Straßenbild und das Alltagsleben der heutigen
Zeit ist beherrscht von der Reklame. Das bedingt
zwangsläufig eine tägliche Stellungnahme des Zeit-
menschen zu allen aktuellen Problemen der Werbe-
kunst, ihren formalen und werbepsychologischen Auf-
gaben und Absichten. Es bedeutet zugleich eine außer-
ordentlich starke Beeinflussung des Geschmacks und
eine nicht zu unterschätzende suggestive Erziehung
zu einem neuen Sehen. Zweifellos besteht eine enge
Beziehung der heutigen Werbekunst zur modernen
Malerei, die auf der Grundlage gegenseitigen Gebens
und Nehmens fußt. Und es ist oft schon darauf hin-
gewiesen worden, daß die Baukunst der Jetztzeit Züge
aufweist, die sich in der tektonischen und konstruk-
tiven Art der elementaren Typographie widerspiegeln,
und daß deren Grundaxiom einer klaren und sach-
lichen Formdurchdringung andererseits wieder schöp-
ferisch anregend zurückstrahlt auf die Gestaltung des
aliermodernsten Zweckbaus. Die künstlerische Haltung
unserer ganzen Zeit sowohl, als das künstlerische
Eigenleben und das schöpferische Verhalten des Ein-
zelmenschen sind demnach stark beeinflußt von dieser
äußeren Situation und bewegt vom Erlebnis des Tages
und der Straße. Wir fragen uns darum mit Recht, ob
nicht die Jugend, die ja diesen Auswirkungen der
Straße unfertig und darum ungeschützter ausgeliefert
ist als der Erwachsene, und die dem Prozeß der un-
mittelbaren Aufnahme von Bildanregungen viel stär-
ker unterliegt, ob nicht die Jugend der Städte vor
allem in ihrem Verhältnis zum Bild und in ihrem eige-
nen Schaffen durch dieses Erlebnismoment rezeptiv
oder aktiv irgendwie vorbestimmt ist. Und wir fragen
weiter, ob nicht diese Jugend von heute den Willen
und auch das Recht hat, in dieses Tagesleben tätig
eingegliedert zu werden.
Entscheidend für die Beantwortung dieser Frage
darf allerdings für den verantwortungsbewußten Er-
zieher weder die Aktualität noch die Beliebtheit des
Stoffes beim Schüler sein, sondern einzig und allein
die besondere Eignung dieses neuen Stoffes als Ge-
staltungsaufgabe im Rahmen der übrigen Ziele der
Kunsterziehung und die natürliche Begabung und
entwickelbare Befähigung des Schülers für die beson-
deren Anforderungen. Um zu einiger Klarheit zu kom-
men über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten
werbegraphischer Aufgaben im Kunstunterricht, wird
es darum wertvoll sein, dieses Gebiet zu überprüfen
nuch seinen sachlichen Voraussetzungen und seinen

erzieherischen Werten. Die Einfügung in den Fach-
unterricht des Bildhaften Gestaltens erfordert dabei
eine Gegenüberstellung der Ziele und ein klares Her-
ausarbeiten des Gegensätzlichen und Gemeinsamen
von bildhafter und werbegraphischer Gestaltung im
weiteren, von Bild und Plakat im engeren Sinn. Dieser
Weg führt uns dem Wesen und dem Begriff der Re-
klame näher und zeigt uns die Abgrenzung der be-
sonderen formalen Aufgabe der Werbegraphik gegen-
über der freien bildhaften Gestaltung. An seinem
Ende werden wir vergleichsweise das Wesen und die
Schaffensweise des Schülers heranziehen können und
erkennen, ob ein gemeinsamer Weg oder wenigstens
ein gemeinsames Ziel es ermöglicht, diese besondere
Aufgabe in die Unterrichtsaufgabe des bildhaften Ge-
staltens einzugliedern.
Welcher Art sind nun die inneren und äußeren Be-
ziehungen zwischen Bild und Plakat?
Immanuel Geibel beantwortet sich einmal die Frage:
„Was ich vom Kunstwerk will?" mit dem aufschluß-
reichen Nachsatz: „Daß es schön und sich selber ge-
nug sei. In dem einen Gesetz wohnen die andern all."
Er stellt damit den grundsätzlichen Unterschied zwi-
schen der freien und gebundenen Kunst heraus, der
in der besonderen Ichbezogenheit und Selbstgenüge
eines Bildes liegt gegenüber der Sachbezogenheit
und Fremdbetonung eines Plakates. Das Bild muß aus
der „innersten Heimlichkeit des Lebens" hervorgehen
und will „Geheimnisvolles kundtun". Das Plakat und
alle Werbegraphik stellt sich in den Dienst einer wirt-
schaftlichen oder politischen Sache und in den Trubel
der Straße.
Das Bild ist in der Stille und für die Stille geschaf-
fen, ist ganz inneres Muß.
Das Plakat ist geboren aus der „Öffentlichkeit" des
Lebens und aus dem Willen der Straße und ganz ein-
gestellt auf Wirkung. Es will werben, sich zur Schau
stellen, kokettieren und locken, daß die Leute stehen
bleiben. Es ist ganz äußeres Muß. Für das Kunstwerk
ist jede Pose schon ein Kennzeichen innerer Unwahr-
heit, jede Zurschaustellung wirkt als Makartismus, jede
laute aufdringliche Gebärde ist verletzend, und alles
Kokettieren im Stofflichen und Technischen ist schon
unkünstlerisch. Das Plakat lebt vom Effekt und wird erst
eigentlich wahr im Suchen nach dem Effekt. Das Plakat
ist kein „Bild", sondern eine Werbeäußerung. Begriff
und Ziel der Reklame liegen im Wirtschaftlichen. Der
Reklamekünstler ist Ansager der Wirtschaft. Erbenötigt
die ganze Raffiniertheit, Gewandtheit und Erfahrung
des Werbefachmannes. Das ganze geistige Prinzip

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