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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 6 (Juni 1932)
DOI Artikel:
Klauss, Otto: Über Ziele und Grenzen werbegraphischer Gestaltungen in den höheren Schulen
DOI Artikel:
Zum Abbau: meine Ansicht über den Zeichen- und Kunstunterricht, [5]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0105

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gen flächenhaflen Aulbaus. Seine ausgesprochen deko-
rative Art und seine eindeutige Haltung als Bildorna-
menl lassen es besonders geeignet erscheinen als
Gestaltungsaufgabe für Schüler. Die bewußte sach-
liche Vorbereitung für diese Aufgabe ist notwendig
und kann gelegentlich sogar den Ausgang nehmen
von einer streng sachlichen Werkzeichnung. Damit ist
dem Schüler zugleich klar zum Bewußtsein gebracht,
daß eine reinliche Trennung vom bildhaften Gestalten
notwendig ist, um alle rein gefühlsmäßigen Elemente
bei dieser plakatmäßigen Gestaltung auszuschalten.
Reichere Möglichkeiten, aber auch ungleich größere
Schwierigkeiten bietet das Ideenplakat. Während
das Sachplakat stilistisch alle Lösungen realistischer
oder konstruktiver oder rein schriftmäßiger Art auch
für den Schüler zuläßt, muß er beim Ideenplakat zu-
erst eine werbende Idee erfinden und dann noch den
schwierigen formalen Zusammenschluß von Bild und
Schrift gestalten. Diese schwierige Aufgabe ist für
den Durchschnittsschüler selten dankbar. Ihre Ein-
schränkung auf das Mögliche und Wünschenswerte —
und vor allem auf den begabten Schüler — bietet die
Gewähr für eine jugend- und sachgemäße Lösung
dieser Frage, und die nötige Sicherung vor einer Ver-
quickung des bildhaften Gestaltens mit werbesach-
lichen Aufgaben. Ein reiches Arbeitsfeld steht uns
immer noch offen in der Gestaltung von Packungen,
Inseraten, Kalenderentwürfen, im Entwerfen von Re-
klamekiosken, Reklameschildern usf. Die Werbegraphik
wendet sich einem Gebot der Wirtschaftlichkeit fol-
gend an die praktischen Bedürfnisse. Wir müssen dem
Folge tragen, wenn wir unsere Aufgabe einigermaßen
sinnvoll erfassen und sachlich durchführen wollen. Das

bezieht sich ganz wesentlich auch auf die Sachlich-
keit des Technischen. Alles Struklive und Konstruktive
der Plakatform einschließlich der Beschriftung sollte
auch technisch in diesem Sinne durchgearbeilet wer-
den. Diese formal-technische Vereinheitlichung unter-
stützt die Plakatidee ebenso wie die Bindung an prak-
tische Voraussetzungen hinsichtlich des Formates, der
Farbwahl oder Farbzahl. Zuletzt bedeutet die bewußte
Einstellung auf die Eigenart des besonderen Werk-
zeuges beim Entwerfen, auf Zirkel, Winkel und Maß-
stab, neue Anregung und wertvolle Bereicherung der
formalen Möglichkeiten und erweitert das Gebiet ins
Unbegrenzte.
Die grundsätzlich andersartige innere und äußeio
Haltung, die die werbegraphische Aufgabe voraus-
setzt und gegenüber dem bildhaften Gestalten erfor-
dert, verlangt dasselbe von Lehrer und Schüler. Die
Wichtigkeit der klaren Trennung dieser beiden Ar-
beitsgebiete ist sachlich erklärt und methodisch be-
gründet. Bei dieser klaren schulmäßigen Regelung
kann das neue Stoffgebiet als sehr fruchtbringend und
anregend sich für unser Fach bewähren, ohne daß wir
allzusehr Gefahr laufen ins Dilettantische abzugleiten.
Es kann sich sogar als unmittelbar nützlich und vor-
bereitend erweisen für Leben und Beruf. Zu einem
neuen formalen und geschmacklichen Erlebnismoment
tritt als wertvolles Bildungsmitlel die angewandte
Psychologie und die Vermittlung orkenntnisreicher
Einblicke in das Wirtschaftsleben unserer Zeil. Dar-
über hinaus aber streben wir mit diesei Arbeit das
Doppelziel aller vernunftgemäßen Erziehung an: In-
nere Lockerung und lebendige Anteilnahme am Schaf-
fen der Zeit.

ZUM ABBAU: Meine Ansicht über den Zeichen- und Kunstunterricht
(1. Forlseljung, siehe Heft 5, Seife 85 usw.)

Stets habe ich mich dafür eingesetzt, daß der bil-
denden Kunst in unserem Schul- und Unterrichts-
wesen neben der relativ übergroßen Pflege der Litera-
turwissenschaften (deutschen und fremdländischen) ein
breiterer Platz eingeräumt würde. So etwa, daß im
Staatsexamen Kunstgeschichte nicht nur Zusatzfach,
sondern ein Hauptfach würde. Der Deutsche ist auf
Kosten der Anschauungskraft literarisch überernährt.
Seine ideenreiche Unsinnlichkeit wirkt sich höchst ge-
fährlich bis in die Politik hinein aus.
An den großen Zeugnissen der bildenden Kunst in
Vergangenheit und Gegenwart vorübergehen, nur noch
eine literarische Bildung betonen, heißt: Kulturelle
Krüppel erziehen!
Das Ziel muß sein, in den Schulanstalten die Erziehung
in Literatur und in bildender Kunst gleichzustellen.
Deshalb begrüßte ich den ersten Anlauf, die Ausbil-
dung unserer Zeichenlehrer durch regelrechtes Univer-
sitätsstudiurn auf ein erhöhtes Niveau zu bringen.
Jeder Abbau, ja nur ein Stillstand in dieser notwen-
digen Entwicklung scheint mir ein Fehler. Unsere wer-
dende Generation wird solche Kurzsichtigkeit zu büßen
haben. Prof. Dr. A. E. Brinckmann,
Universität Berlin.
Diese Einsprüche haben nur dann einen Sinn, wenn
sie nicht bloß von den Fachlehrern, also „pro domo"
erhoben werden, sondern wenn sie von den Erziehern
kommen, die der Allgemeinheit für die Gesamtbildung
der Jugend verantwortlich sind. Ihr Beiseitestehen und
Geschehenlassen beweist nur, daß ihnen für ihre
Fächer Anschauung nicht Bedürfnis ist, und daß in Zu-
kunft die Bildung des gesamten Standes nach dieser
Seite zu heben und zu veredeln bleibt.
Berlin, 6. März 1932. Oskar Fischei,
Universitäts-Professor.

Der Zeichenunterricht in den Schulen soll nicht Künst-
ler erziehen wollen, sondern die Jugend künstlerisch
sehen lehren: er soll nicht sowohl die technische Hand-
geschicklichkeit als vielmehr die Phantasie ausbilden
wollen. Daher erscheint mir der Weg, den die Gefolg-
schaft von Gustaf Britsch einschlägl, durchaus richtig
und der dahin hinausläuft, das bildnerische Sehen, die
bildnerische Anschauung im Schüler auszubilden, und
zwar so, daß er im Stande ist, sie auf die Fläche zu
projizieren. Damit wäre — wie es sein sollte — Zei-
chenunterricht zugleich Kunstunterricht: aus dem rich-
tigen Verstehen der Zeichnung des Kindes wird der
Lehrer den seinem Schüler gemäßen Weg zur Kunst-
erziehung finden.
Berlin, 9. März 1932. Dr. h. c. Max Liebermann.
Mein Herz häng! seit jungen Jahren an der Entwick-
lung gerade des Kunstunterrichts, und ich habe immer,
nicht zuletzt an mir selbst, eriahren. daß für junge
deutsche Menschen nichts so bildend, befreiend und
vergeistigend wirkt, wie die Kunst und die verantwort-
liche Beschäftigung mit ihr. Je ärmer unser Volk wird
und je mechanisierter, umso notwendiger ist die Be-
wahrung ihres eigentlichen Sinnes und der schöpfe-
rischen Kräfte in der kommenden Generation.
Prof. Nohl, Göttingen.
Die Erschütterung, die der Zeichenunterricht infolge
der Notverordnungen erleidet, ist umso bedauerlicher,
als Preußen auf diesem Gebiete führend war und hier
zum erstenmal Ernst gemacht wurde in dem Bestreben,
neben der verstandesmäßigen Schulung auch die der
Form, der Anschauung und der Beobachtung zu pfle-
gen, die umso notwendiger ist, als der Deutsche nicht
das Maß von Augensinnlichkeit besitzt, über das andere
Völker verfügen. Es ist auf das Dringendste zu hoffen,
daß die Einsparungen auf diesem Gebiet nur voriiber-

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