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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 8 (August 1932)
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Zum Abbau: meine Ansicht über den Zeichen- und Kunstunterricht, [7]
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Umschau / Zum Nachdenken / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0148

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Sehr geehiier Men!
Beifolgend sende ich Union außer meiner Unter-
stIiii11 einige ini|.'ul'.'ive Auslulimngun übel das llioimi,
aus denen ich Sie bitte, im Wortlaut zu verwenden,
was Ihnen nützlich scheint.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Berlin-Wilmersdorf. Friedrich Kayßler.
Ich weil; mich mit den Lesern von „Kunst und Jugend"
eines Sinnes, wenn ich snge, dal; die „Impulsiven Ausfüh-
rungen" Friedlich Knyljlers uns viel zu wertvoll scheinen,
um sie zu kürzen. Wir sind dem berühmten Schauspieler
dankbar für seine (einsinnigen warmen Ausführungen, die
neben dem Künstler den Psychologen und Pädagogen
offenbaren. Ernsl Fril;.
Kayßler schreibt:
Die Kunst ist, seit ich denken kann, in der Schule
ohnehin so stiefmütterlich behandelt worden, daß es
nicht angeht, sie noch mehr auszuschalten.
Außerdem ober gibt es einen grundlegenden Irr-
tum, der hier berührt werden müßte und der nicht
energisch genug bekämpft werden kann. Er liegt kei-
neswegs allein auf dem Schulgebiet. Alle Welt unter-
scheidet von jeher streng zwischen ausgeprägtem
künstlerischem Talent und bloßem künstlerischem Inter-
esse. Erst wenn sich in jungen Menschen deutlich ein
Talent für Kunst zeigt, achtet man darauf; zuweilen
überschätzt man es und verzärtelt die Anlage. Sehr
selten aber wild daran gedacht, daß fast in jedem
Kinde, fast noch in jedem erwachsenen Menschen,
künstlerische Triebe von Natur da sind, die nur einer
gewissen liebevollen Pflege bedürfen, um fruchtbar
für den Betreffenden selber zu werden. Man denke
nur an die unzähligen Überraschungen, die Kinder bei
der geringsten Freiheit oder Anleitung in solcher Rich-
tung zu Tage fördern, oder an die vielen unbeachtet
bleibenden Fälle, wo Erwachsene bei Basteleien und
Liebhaberversuchen aller möglichen Art unerwartetes
Geschick, ja Begabungen und künstlerisches oder
technisches Gelingen zeigen. Aber es braucht nicht
einmal das zu sein, es braucht nur bei dem zu bleiben,
was man bloßes Interesse nennt: für einen guten Vers,
eine gute Prosa, lür Farben, Linien, Töne oder sonst
eine Art von Formgebung. Wenn wir ernsthaft suchen,
so finden wir kaum Menschen, die gänzlich leer
davon sind. Und wenn sie als Erwachsene leer schei-
nen, so waren sie es als Kinder bestimmt nicht oder
man hat sie nicht daraufhin angesehen. Käme der
rechte Augenblick in der rechten Situation, so würde
auch der „leere" Erwachsene plötzlich sich öffnen und
einen Inhalt, ein Interesse dartun.
Gehen wir all diesem wahrhaft auf den Grund, so
stellt sich heraus, daß hier die unermeßlichen Schätze
verborgen liegen, die wir das Innere, die Seele, den
Traum, die Sehnsucht eines Menschen nennen, sein

besseres Ich, sein verborgenes Stückchen Sonnen
schein oder wie man sonst will. Jedenfalls aber etwas,
das kein Mensch, der auf Ernst Anspruch erhebt, Luxus
nennen darf.
Offen herausgesagt, es handelt sich hier um das
Heimliche, was vielen Menschen das Leben überhaupt
erträglich, heller und lebenswert macht.
Immer ist nur von der Körpernahrung die Rede, nie
von der seelischen.
Um dessentwillen, nicht um der vielleicht zu
entdeckenden Künstler willen, soll man alles behüten
und pflegen, was Schönheit in den Schui-Alltag
der Kinder bringen kann. Der Spieltrieb des Kindes
entspricht dem späteren Schönheitssinn des erwach-
senen Menschen. Die Kraft des Talentes selbst bedarf
keines besonderen Schutzes, sie wird sich schon durch-
setzen. Aber die vielen zarten, bescheidenen und
verschüchterten liebevollen Ansätze der Durchschnitts-
naturen, sich dem Künstlerischen anzunähern, die müs-
sen behütet und aufgemuntert werden, so daß sie
Leben werden können, bewußtes Wollen zur Schön-
heit, Wissen um den unzerstörbaren Wert des Schönen,
des Immateriellen, des Unsichtbaren in der Welt.
Wie viele überraschende Begabungen an Kindern
tauchen auf und verlieren sich wieder. Was tut das?
Es sind Wachstumsphasen innerer Art, wie es schnell
vorausgewachsene Gliedmaßen sind, die sich später
der Gesamlproportion wieder anpassen. Aber auch
hier wie überall wird bewiesen, daß der Anteil am i
Künstlerischen Jedem eingeboren ist wie der Anteil
am Natürlichen. Pflegt und behütet diesen koslbaren
Anteil im jungen Menschen, dann wird vielleicht ein-
mal eine Generation dastehen, die natürliches Voi
ständnis und Gefühl für die Kunst mitbringt, die zum
ersten Mal in der Weltgeschichte Kunst nicht als Luxus
ansieht, sondern als tägliches Brot der Seele. Von
einer solchen wäre vielleicht auch zu hoffen, daß sie
als erste in der Weltgeschichte ihre Künstler nicht
verhungern läßt.
Berlin, 9. März 1932. Friedrich Kayßler,
Schauspieler.
Wir schließen hiermit die Beitragsfolge „Meine An-
sicht über den Zeichen- und Kunstunterricht'', die ver-
teilt ist auf die Hefte 5, 6, 7 und 8.
Wir hoffen, daß unsere Amtsgenossen in diesen
Beiträgen kunstverständiger und für die Kunsterziehung
begeisterter Nicht-Fachleute wertvolle Meinungsäuße-
rungen sehen, die nicht nur für heute Bedeutung haben.
Mögen diese „Ansichten über den Zeichen- und Kunst-
unterricht'' mit dazu beitragen, die kulturfeindlichen
Abbaumaßnahmen möglichst rasch rückgängig zu ma-
chen; mögen sie aber auch allen Amtsgenossen neuen
Mut und neue Arbeitsfreude geben.
E. F r i t z. L. J a c o b y.


Ein untergegangenes Gewerbe — Die sicbenbiirgiscli-
sächsische Töpferkunst.
Im 17. Jahrhundert stand sie bei den Siebenbürger
Sachsen in höchster Blüte. Heute gibt es nur noch eine
einzige Werkstätte in Agnetheln bei Hermannstadt.
Die Töpterkunst hat mannigfache in Form, Farbe und
Verzierung vollendete Stücke geliefert, die aus den
Bauernstuben immer mehr in den Besitz von Sammlern
und Liebhabern übergehen. Die Entwicklung, Eigen-
wüchsigkeit, Bereicherung und der Einfluß dieser ent-
zückenden Kleinkunst wird nun erstmalig geschlossen
an Hand der schönsten Stücke, die uns die Töpferei
beschert hat, von Dr. Misch Orend, Assistent am Baron
Brukenthalschen Museum in Hermannstadt, dargestellt.

Die Arbeit wird reich illustriert im Verlage H. Weither,
Hermannstadt, erscheinen.
Die Phantasie.
ln der künstlerischen Tätigkeit wirkt der Drang nach
Steigerung des Gefühlslebens, dem die Wirklichkeit
engere Grenzen gesetzt hat, als der Mensch ertragen
kann. Die Phantasie ist das Ventil, das dem gestauten
Gefühl Auswege eröffnet. Aber die Kunst könnte keine
höhere Bedeutung als jede primitive Organlust ge-
winnen, wenn die Phantasie nicht zur Struktur des
menschlichen Geistes und Bewußtseins in einem ge-
setzlichen und zweckhaften Funktionsverhältnis stünde.
Was im menschlichen Bewußtsein Zusammenhang be-
gründet, ist durch die Funktion der Phantasie begrün-
det. Sie verbindet Trieb und Geist, Wunsch und Wirk-
lichkeit. In ihr kommt es zu einer Einheit von Werten

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