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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 2 (Februar 1932)
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Gahlbeck, Rudolf: Photographie und Kunst
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Klages, Ludwig: Ausdruckshemmung: Mechanisierung des Ausdrucks
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0041

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es von einem Zeitgenossen stammt, von dem doch
wohl zu erwarten ist, derli er sich künstlerisch zur
Welt und Gegenwart verhält! Hier ist ein Signal, das
uns zeigt, w i e weit schon „die Mechanisierung" des
Lebens fortgeschritten ist.
Dabei soll — der Vollständigkeit und Gerechtigkeit
halber — auch die rein wirtschaftliche Lage
kurz gestreift werden, denn es ist kein Zweifel, daß
sie — genau wie der Mensch aus Körper und Geist
besteht — ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Da
indessen die Wechselbeziehung zwischen ihr und dem
Stand einer Kultur ein sehr umfangreiches Thema für
sich wäre, sollen hier nur einige Stichworte fallen, an
Hand derer jeder, der sich nicht nur betrachtend zum
Gegenwartsringen verhält, seine Folgerungen ziehen
und sie in die T a t umsetzen möge. Ais wichtige
Punkte seien genannt:
die relative Preiswürdigkeit einer Photo-
graphie im Vergleich zum Gemälde,
der nachgerade irrwitzig taumelnde Wechsel
der Mode, die gleichwohl das eitle Bestreben
hat, jeweils „festgehalten" zu werden,
die Überschwemmung zahlloser Zeitschriften
mit den Erzeugnissen der Photographie — auf
Grund eben jener Preiswürdigkeit,
das Eindringen der Photographie in die Ge-
brau c h s graphik, was oben schon angedeutel
wurde,
die bequemen Möglichkeiten der Vervielfäl-
tigung, wobei zu beachten ist, daß die Photogra-
phie vermöge ihrer Eigenart weniger unter dem
Verfahren leidet als dies bei Reproduktionen von
Gemälden der Fall ist,
und vieles andere mehr.
All diese Möglichkeiten, bzw. ihre Ausbeutung, hat
sich die Photographie, außerordentlich rührig und
„geschäftstüchtig", nicht entgehen lassen. Sie halte
und hat umso leichteres Spiel, als eben die Wirt-
schaftslage dementsprechend ist.
Die Lorenzschen Ausführungen sind demnach für
unsere Zeit zwar ungemein charakteristisch, ob aber
in ihrer Anerkennung ein „organisch fundierter Fort-
schritt unserer künstlerischen Kultur" zu erblicken
ist, das muß zutiefst angezweifelt werden.
Die Technik und ihre Fortschritte in allen Ehrenl
Aber wir wollen uns doch beileibe nicht in fehlsamer
Überschätzung durch sie überrumpeln lassen, weil
sie — wie in diesem Falle — auch in besonders
bestechendem Gewände daherzukommen vermag. Wir
wollen vielmehr jener Grenzen eingedenk bleiben,
die trotz aller Fortschritte und aller Sachlichkeit ehern
bestehen bleiben — denn das ist ihre Größe! —
solange wir noch unter Kultur das verstehen, was wir
bislang — und wohl nicht zu Unrecht und ebenso-
wenig zu unserm Schaden — darunter verstanden
haben.
Der absichtlich etwas aggressive Charakter meiner
Ausführungen ist lediglich von dem lauteren Wunsche

Zeichnung einer
Schülerin des
Ober-Lyzeums
Ifjehoe i. H.
(Frau Stud.Rcilin
E. Kellermann)
diktiert, in diese Frage volle Klarheit zu bringen,
denn gerade an Hand der Photographie und der
Kunst, dieser beiden Fechter in der Arena des Zeit-
geschehens, ist vorzüglich die Entscheidung darüber
herbeizuführen, ob wir uns zu einem neuen Idealismus
oder zu weiter fortschreitender Mechanisierung beken-
nen wollen. Und darum geht es doch letzten Endes!


Ausdruckshemmung. Mechanisierung des Ausdrucks

Obwohl die Willkürlichkeit der Bewegung stets in
der Hemmung besteht, die der Ausdrucksbewegung
durch den Gedanken des Zweckes widerfährt, so
kann sie jedoch sich unterordnen dem Gesamtbild
des Seelenausdrucks, sofern die Zwecksetzung aus
natürlichem Triebe und die Willensbetätigung unmit-
telbar behufs Verwirklichung des Zieles erfolgte. Die-
ses Verhältnis kennzeichnet den lebens abhängigen
Geisteszustand der „Naturvölker", deren Leistungen
deshalb ebenso willkürlos und folglich kaum minder
beseelt anmuten wie ihre nicht vom Geiste vermit-
telten Äußerungen. In dem Maße hingegen als Trieb-

ziel und Zweck auseinandertreten und die Willens-
betätigung nurmehr zum Mittel wird im System eines
bloß begrifflichen und daher leblosen Ganzen, beugt
sich umgekehrt der Seelenausdruck dem Doch der Ge-
setzlichkeit; und davon die erste Folge ist die H e m-
mung der Ausdrucks f ä h i g k e i t (nebst anfangs
leidenschaftlicher Steigerung, sodann aber wachsen-
der Schwächung der Seele), die zweite die Mecha-
nisierung des Ausdrucks (nebst schließlich gänz-
licher Entseelung des Leibes).
Aus „Ausdrucksbewegung und Gestallungskiiill" von Dr. Ludwig Klages,
(Leipzig. Verleg von Job. Ambrosius itarlb.) 1973.

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