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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 4 (April 1932)
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Zacharias, Alfred: Schriftunterricht
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Zum Abbau, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0077

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Bogens oder des gotischen Domes zu gewinnen, doch
ist die Gesamtheit dieser Pracht mit einer Ahnung
der Kraft dieses Stiles erfüllt. Die Buchstaben dieser
Zeit sind von einem Pomp der Formen, daß man oft
lange studieren muß, was das für ein Buchstabe ist. Hier
sind wir an der anderen Seile angelangt, der Buchstabe
ist nur Fotm, will nicht mein der Mitteilung dienen,
und verendet bei aller Anmut der Form als Schnörkel.
Die drei gezeigten Beispiele, die hier nur angedeu-
tet wurden, Antike, Gotik und Barock, durch viele
Jahrhunderte geschieden, zeigen, wie sehr Baukunst
und Schrift einer Zeit Zusammenhängen. Können wir
für unsere Zeit auch eine Schrift feststellen? Es ist
nicht zu erwarten, daß wir eine feststehende, ab-
schließende Form finden können, bis jetzt wurden
vergangene Zeiten betrachtet, wenn wir uns einbe-
ziehen, ist zu bedenken, daß wir selbst noch am
Werke sind und unserer Zeit Gesicht und Form geben.
Der stärkste bleibende Ausdruck einer Zeit ist ihre
Baukunst. Ein Blick in die Geschichte beweist dies.
Unsere Zeit, zerrissen auf allen Gebieten, hat in der
Baukunst, aus der Wirrnis der Stilvermischung der
letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zu einem gro-
ßen, eigenen Baustil gefunden, dessen wir uns nicht
oft genug bewußt werden können. Wir sehen seine
Werke in den großen öffentlichen Bauten, in den Fa-
briken, in Siedlungen, Kirchen und Hochhäusern. Viel
umstritten ist er, aber niemand baut mehr jene Pa-
läste des 19. Jahrhunderts, die beliebig Gotik, Renais-
sance, Barock, manchmal alles vermischt „anwandten".
Prüfen wir nun einige der modernen Bauten nach
ihren Formen, so sehen wir als Elemente Formen von

Quadern, Würfeln, überall gioße Horizontale und Voi
tikale, Klarheit, Schmucklosigkeit und sachliche Flä
chengliederung. Aber wir sehen nicht die Ruhe und
Symmetrie des römischen Bauwerkes, das wir be-
trachtet haben, wir sehen nicht die Feinheit seines
Schmuckes, wohl aberStreben nach Ordnung und nach
einfachen Verhältnissen. Prüfen wir nun eine moderne
Schrift (Grotesk, Futura, Block) v/ie sie sich zu den
neuen Bauformen verhält: Wir haben wieder die Ele-
mente der römischen Großbuchstaben, der europäi-
schen Mutterschrift. Vergleichen wir sie aber mit den
Formen des alten römischen Alphabets, so verhalten
sie sich ähnlich wie die moderne Architektur zu den
alten Bauten. Sie haben nicht die Schönheit der klas-
sischen Formen, aber auch nicht die Verzerrtheit ba-
rocker Alphabete, sie sind klar, einfach, schön in ihren
Maßen, ein Gleichnis der neuen Architektur, die auf
Klarheit, Sauberkeit und Einfachheit abzielt. Die ge-
setzte Schrift eines Schriftplakates unserer Tage hat
nicht die Symmetrie gotischer Schriftseiten, die For-
men stehen frei nebeneinander, abgewogen, doch
unsymmetrisch, wie der Bau des modernen Hauses.
Prüfen wir noch, indem wir alle eben besehenen
Schriften neben unsere moderne Baukunst stellen,
welche ihr, der Form gemäß, am meisten verwandt
ist. Die Gotische, die Fraktur des Barock, die Antiqua
des alten Rom? Unsere Auge n, nicht Überlegungen
sagen uns: so wie die moderne Baukunst ein Aus-
druck unserer Zeit ist, so gehört die moderne Block-
schrift zu unserer Baukunst, und damit auch zu uns.
Mit den großen Buchstaben der Blockschrift sollen
nun unsere Übungen beginnen.

ZUiVi ABBAU
Berlin, den 25. Februar 1952
Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst u, Volksbildung
Berlin W 8, Unter den Linden 4
Durch die preußische Notverordnung ist gegen den
Kunstunterricht in den höheren Schulen ein geradezu
vernichtender Schlag geführt worden.
Der „Bund Entschiedener Schulreformer" verschließt
sich keineswegs der Notwendigkeit, daß inmitten der
ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten Sparsam-
keit unbedingtes Erfordernis ist. Er muß aber betonen,
daß eine Überwindung dieser Notzeit durch bloße
finanztechnische Verwaltungsmaßnahmen nicht gelin-
gen kann noch wird, daß im besonderen eine radi-
kale Kürzung des Kultusetats von geradezu verderb-
lichen Folgen für das Volk werden muß. Als einziger
Weg aus dem Wirrsal der Zeit erscheint die Weckung
und Steigerung aller aufbauenden Volkskräfte zur
höchsten Leistungsfähigkeit. Daran hat die künstle-
rische Erziehung wegen ihrer Abseitigkeit von allen
Nützlichkeitsinteressen einen besonders hohen Anteil.
Ihre Pflege ist keineswegs eine oloß ästhetische An-
gelegenheit, keine Fassadendekoration, keine aus
enzyklopädistischen Interessen geborene Erziehungs-
forderung, sondern der einzige Hebel zur Bildung und
Emporentwicklung des von der Zeit geforderten neuen
Menschen. Der Angriff gegen die künstlerische Er-
ziehung bedeutet daher nicht nur den Kampf gegen
den kulturellen Fortschritt, der doch nicht der Sinn
eines Kulturministeriums sein kann, sondern auch ein
Verbauen der Möglichkeiten zur Überwindung der
tiefgreifenden Volks- und Menschheitskrise. Der künst-
lerischen Erziehung in den höheren Schulen den brei-
testen Raum zu gewähren, ist darum unbedingtes Ge-
bot der Stunde. —■ Der „Bund Entschiedener Schul-
reformer" beschwört- den Herrn Minister, den Geist
der neuen Schule nicht durch kulturzerstörende Spar-
maßnahmen in seiner schöpferischen Kraft zu hemmen.
gez. I. A.: Paul Oestreich

Zeichenunterricht an höheren Schulen
Im Lichthof des Berliner Kunstgewerbemuseums
werden von der „Vereinigung der Lehrer und Lehre-
rinnen künstlerischer Fächer an höheren Schulen" die
„Ergebnisse des neuen Zeichen- und Werkunterrichts"
einiger Berliner Anstalten in einer Ausstellung vor-
geführt. Sie ist als eine Art Demonstration gedacht
gegen die Einschränkungen im Unterrichtswesen in-
folge der Notzeit, ebenso sehr um die Leistung der
Lehrerschaft zu zeigen, wie auch die Bedeutung, die
der Beschäftigung mit künstlerischer Formung irn Ge-
samterziehungswerk zukommt. Die Ausstellung ist so
aufgebaut, daß die Behandlung eines-gleichen oder
ähnlichen Gegenstandes von einer Schülergruppe
verschiedenen Alters (etwa zwischen 10 und 20 Jah-
ren) gezeigt wird. Von „Zeichnen" kann allerdings
dabei kaum noch gesprochen werden. Denn meist han-
delt es sich gar nicht um die Darstellung von Gegen-
ständen im Sinne von Körpern, sondern um Gegen-
stände im Sinne von „Themen", die gestellt oder ge-
wählt werden wie ein Aufsatzthema. So ist denn auch
nicht Linie oder Kontur, sondern die Farbe das we-
sentliche Darstellungsmittel. Sogar beim sog. „Werk-
unterricht" (der an sich in bezug auf technisch-künst-
lerische Durchbildung vorzügliches vorzuweisen hat)
gilt die Behandlung eines „Themas" doch offensichl
lieh als höchste Aufgabe. Das zeigt die Ausstellung
von Marionetten in stark karikierter Auffassung oder
gar von Figuren, die vermöge der Behaftung mit Draht-
bügeln und -schlingen an physiologisch anfechtbaren
Stellen als „Marsmenschen" gekennzeichnet werden.
Diese Abhängigkeit von zeitgenössischen Strömun-
gen und Richtungen in der künstlerischen Auffassung
zeigt sich noch stärker in den (die Mehrzahl bilden-
den) Blättern aus dem gewohntermaßen „Zeichen-
unterricht" genannten Lehrfach. Hier findet sich dei
Niederschlag aus der Kenntnis aller möglichen Kunst-
ausstellungen und Künstlerpersönlichkeiten. Man sieht
Blättei, die es zu unverkennbaren „Anklängen" an die
Art von Malern wie Matisse, Picasso, Nolde oder

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