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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 5 (Mai 1932)
DOI Artikel:
Abramowski, Paul: Kunsterziehung und ihre Aufgaben
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0088

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Bilder aus der Breslauer Ausstellung: „Das Kind zeigt sein Herz."

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Dr. PAULABRAMOWSKI-BRESLAU: KUNSTERZIEHUNG UND IHRE AUFGABEN

Rundlunkvortrag gellallen gelegenllidi
der Breslauer „Kunslerziehungswoche".
Sielie „Kunst u. Jugend", Heft 4, Seile 72.
Meine Damen und Herrenl
Wenn ich anläßlich der in Breslau in diesen Tagen
stattfindenden Kunsterziehungswoche zu Ihnen
über das Thema „Kunsterziehung und ihre Aufgaben"
das Wort nehme, so geschieht es aus der von tiefer
Überzeugung getragenen Erkenntnis, welche Bedeu-
tung dieser Frage im Rahmen der sog. Volksbildung
und der Jugenderziehung zukommt. Kunsterziehung ist
ein neuer Begriff mit einem alten Inhalt. Doch ist uns
dieser Inhalt im Laufe der Zeit mehr und mehr ver-
loren gegangen. Schuld daran haben manche Um-
stände, nicht zuletzt eine allgemeine Verflachung un-
serer geistigen Ansprüche in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts, die Hand in Hand gegangen ist
mit einer Überschätzung materieller Werte. Wir fragen
hier nicht nach den Gründen, warum das so kam. Ver-
setzt man sich aber im Geiste weiter zurück, etwa in
die Zeit Goethes oder der deutschen Romantik, eine
Zeit, die nach außen hin eine Notzeit für unser Vater-
land war, so befinden wir uns in einem ganz anderen
Bereich, in einer Sphäre, in der künstlerische Bildung
und gegenseitige Erziehung zur Kunst dem innersten
Verlangen aller derer entsprach, die den Anspruch
erheben wollten, als gebildete Menschen zu
gelten. Mit vollem Rechtl
Wir leben in einer anderen Zeit. Ein Jahrhundert ist
nicht nur abgelaufen: der Geist dieses Jahrhunderts
ist zerbrochen. Auf seinen Trümmern bauen wir uns
eine neue Welt, mit neuen Wegen, neuen Zielen und
Aufgaben. Ein neues, vielfach anders und besser ge-
artetes Bildungswesen hat sich durchzusetzen ver-
mocht, in dem der Pflege dei Kunst weit größere
Möglichkeiten als bisher offen stehen. Es wäre falsch,
zu sagen, daß diesen Bestrebungen kein Bedürfnis zu-
grunde läge. Das Gegenteil ist der Fall. Ich brauche
hier nur an die Einrichtung der sog. Volkshochschulen
zu erinnern, die ja unmittelbar aus den Bildungs-
ansprüchen breiter Volksschichten heraus entstanden
sind und die sich nicht zuletzt, meist in der zweck-
mäßigen Form der Arbeitsgemeinschaft, mit Dingen
der Kunst befassen. Ich muß gerade in diesem Zusam-
menhänge auch auf die Tätigkeit fortschrittlich gelei-
teter Museen hinweisen, die heute eine ihrer vor-
nehmsten Aufgaben darin erblicken, ihren Besitz durch

Führungen, Vorträge und Arbeitsgemeinschaften den
kunstinteressierten Besuchern geistig nahezubringen
und zu erschließen. (Manchem von ihnen wird bekannt
sein, daß das Schlesische Museum der bildenden
Künste regelmäßig am Sonntag vormittag um 1 »12 Uhr
durch ein bestimmtes Sammlungsgebiet Führungen,
oft in Verbindung mit einem Lichtbildorvortrag unent-
geltlich veranstaltet.) Diese Veranstaltungen pflegen
meist so stark besucht zu sein, daß eine Wiederholung
sich lohnt — ein Beweis für ihre Berechtigung und
Notwendigkeit. Es würde angesichts der mir zur Ver-
fügung stehenden Zeit zu weit führen, hier auf alle
diejenigen Einrichtungen Bezug zu nehmen, die in
mehr oder minder engem Zusammenhang zur künst-
lerischen Volksbildung und Volkserziehung stehen.
Meine Absicht ist es vielmehr, Ihnen aus diesem Ge-
biete einen Ausschnitt näher zu beleuchten, der mir
darum als der wichtigste erscheinen will, weil er ja,
menschlich gesehen, geradezu der grundlegende
ist: die Kunsterziehung der Jugend.
Die Voraussetzung für jede fruchtbare kunsterziehe-
rische Arbeit am Kinde wurzelt in der unumstößlichen
Überzeugung, daß solche möglich ist. So selbstver-
ständlich das scheint, muß es doch von vornherein
betont werden. Denn es gibt viele, die eine Erziehung
zur Kunst kurzerhand und sehr bequem als unmöglich
hinzustellen belieben. Selbst Schopenhauer, der uns
ja gewiß sehr viele tiefe Einblicke in künstlerische
und ästhetische Probleme gewährt, steht nicht an, zu
behaupten, „von der Kunst erhält jeder nur soviel, als
er nur unentwickelt mitbringt" — im Gegensatz zur
Wissenschaft, die jeder erlernen könne. Hier hat sich
eine pessimistisch gerichtete Philosophie einer voi-
gefaßten und durch keine Erfahrungen gestützte Mei-
nung zu eigen gemacht, die den wesentlichen Tat-
bestand zu verdunkeln scheint. Nun hat Schopenhauer
bei seinem Ausspruch bestimmt nicht an das Kind ge-
dacht oder richtiger: er bezieht seine Behauptung nur
auf den erwachsenen, „entwickelten” Menschen. Aber
ist seine Hypothese da richtig? Sollte es wirklich stim-
men, daß die Gaben, welche die Kunst spendet, nur
in dem Grade der jeweiligen Unentwickeltheit —- aus-
gerechnet der Unentwickeltheit! — sich auswiiken?
Das wäre nicht mehr und nicht weniger als ein Verrat
am Besten und Edelsten unseres Menschentums, das
hieße jeden Steg und jede Brücke abbrechen zu un-
serem inneren Leben, das bei jedem wahrhaft leben-
digen Menschen immer ein unentwegtes, unbewußtes

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