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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 6 (Juni 1932)
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Umschau / Buchbesprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0116

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UMSCHAU
Der Bund Entschiedener Schulreformer veranstaltet
vom 1.—5. Oktober d. J. im Berlin-Schöneberger Rat-
haus, Rudolf-Wilde-Platz, einen öffentlichen Kongreß
für Kleinkind-Erziehung in Gemeinschaft mit
dem „Verein Berliner Individualpsychologen", dem
„Deutschen Fröbelverband", dem „Verein Montessori-
Pädagogik Deutschlands", mit der „Deulschen Mon-
tessorie-Gesellschaft" und der „Deutschen Psychoana-
lytischen Gesellschaft". Zweck des Kongresses ist, die
weiteste Öffentlichkeit darüber aufzuklären, welche
Pflichten aus der Not, dem Werl und dem Recht des
Kleinkindes dem Einzelnen, der Familie und den öffent-
lichen Köperschaften erwachsen.
Als Redner sind vorgesehen: Ilse A x s t e r, Dr. Ger-
trud B ä u m e r, Dr. Siegfried B e r n f e I d, Uli Droe-
scher, Anna Freud, Professor Karl Geihards,
Dr. Flitz Helling, Dr. Fritz K ü n k e I, Dr. Martha M u-
c h o w, Professor Paul O e s t r e i c h, Manes Sper-
ber, Dr, Knie Stern, Studienrai Martin Weise u. a.
Mit dem Kongreß sind Ausstellungen und Besich-
tigungen verbunden. Anmeldungen bei Albert Lenz,
Berlin 0.17, Hohenlohestraße 9.
Ausdrucksvolle — Forinwiile?
Die Verfechter des alten Salzes, daß es gleichgültig
sei, was gemalt werde, eine Madonna oder ein Bund
Spargel, es komme nür darauf an, daß gut gemalt
werde, haben recht, aber nur bedingt. Wenn die Ma-
donna schlecht gemalt wird, sind die gut gemalten
Spargel natürlich besser, wenn jedoch ein Maler oder
Zeichner, weder genial noch sonderlich original, aber
ein Maler oder Zeichner von Geblüt, mit Inbrunst die
Erlebnisse und Gesichte seiner unruhigen und hung-
rigen Seele darstellt, so schlägt er eine vielleicht
größere Begabung, wenn diese nichts als ästhetisch
ist, kraft seiner menschlichen Substanz.
In der bildenden Kunst war der Ausdruckswille eher
da, als der Formwille. Dieses Verhältnis ist heute so
verschoben, daß die Malerei ihre Lebenskraft aus der
Malerei, die Form aus der Form zu holen sucht. Es
steckt darin ein ächzendes Bemühen, der isolierten
Kunstgeschichte einige Zeilen oder Seiten hinzuzu-
fügen. Franz Josef Schönlngh im Kunslwarl, Hell 5, 1932.
Bestimmte Einzeldinge können wir uns viel weniger
unmittelbar vorstellen, als deren sinnliche Arteigen-
schaften oder Vorgänge und Zustände,
Bei allmählich fortschreitendem Verlust des Sprach-
erinnerungsvermögens haften die G a 11 u n g s bezeich-
nungen und V o r g a n g s Wörter (Zeitwörter) nccli
fest im Gedächtnis, wenn die konkreten Substantive
längst nicht mehr können erinnert werden. Stammes-
geschichtlich wie einzelgeschichtlich geht die nur e r-
lebende Haltung der überdies noch urteilen-
den Haltung voraus. Der Gegenpol des Erlebens ist
die Erscheinung der Welt, des Urteilens, die gegen-
ständliche Welt. Es haben den Charakter der Anschau-
lichkeit die im Zeitverlauf identisch verharrenden
Dinge nur übertragbarer Weise, ihre Eigenschaften,
Vorgänge, Zustände aber unmittelbar.
Im Innewerden der sinnlich bestimmbaren Eigen-
schaft begegnen einander Erlebnis und Urteil wie in
ihr selbst Erscheinung und Gegenstand. Darum sind
Gattungs- und Vorgangswörter ein weitaus älterer
Sprach- und Geistesbesitz der Menschheit als die kon-
kreten Substantive, und so haften sie auch tiefer und
erlöschen zuletzt.
Die Bedeutungen, die sich mit fest und weich, hell
und dunkel, vollends mit gehen, sitzen, stehen, schla-
gen, laufen usw. verbinden, gehen den Bedeutungen
solcher Wörter wie Baum, Bank, Tisch ebenso notwen-

dig voraus wie die Appelative schlechthin etwa den
Eigennamen,
Konkrete und gar individuelle Gegenstände sind
immer und überall das jüngere, abstrakt-anschauliche
das ältere Rüstzeug des menschlichen Denkens. Tat-
sächlich gelingt die sinnliche Vergegenwärtigung von
hell (im Gegensatz zu dunkel), von hart (im Gegen-
satz zu weich), von warm (im Gegensatz zu kalt), von
Sitzen (im Gegensatz zu Stehen) unvergleichlich leich-
ter und besser als die etwa von Fuchs oder Schrank
oder gar eines guten Bekannten.
Insoweit es uns gelingt, ein bestimmtes Einzel-
ding willkürlich zu vergegenwärtigen, geschient es
ausnahmslos auf dem Umwege über dessen sinn-
liche Arteigenschaften. Das können wir näm-
lich nicht nur meinen, sondern anschaulich vorstellen,
Daß ein Kind klein ist, der Erwachsene groß, das
Pferd etwa braun und vierbeinig, der Neger schwarz,
die Butter gelb und weich, oder daß ein Tier sich
bewegt, die Pflanze rankt, der Baum sich verjüngt usw.
So gewiß nun aber das wirkliche Einzelding niemals
kann aufgeteilt werden in eine Summe von Eigen-
schaften, so gewiß setzen wir vermittelst wilikürlicli
vorstellbarer Eigenschaften stets nur S c h e m a t a zu-
sammen, die uns den Sinneseindruck des Dings ver-
treten, wie übrigens an jedem Kinde zu beobach-
ten ist, wenn es seiner Meinung nach Bäume, Hauser,
Menschen zeichnet. Der anschauliche Bestand unseres
willkürlichen Erinnerungsvermögens erweist sich als ein
persönlich umfangsverschiedener Bruchteil des Bedeu-
tungsgehaltes sinnlicher Eigenschaftsnamen. Die Fähig-
keit zur unmittelbaren Vorstellung von Einzeldingen ist
eine Legende. (Aber sie kann geweckt und entwickelt
werden, wie der neuere Zeichen- und Kunstunterricht
jeden Tag beweist. D. Schriftl.)
Aus Ludwig Klnges „Ausdrucksbowegung und
Geslallungskrafl'1 (bei Ambrosius Barth, Leipzig).

BUCHBESPRECHUNGEN
„Malende Tugend", „Schuljahrs-Kalender", heraus
gegeben von W. B o I s i n g e r. (Verlag E. G, Seeger,
Stuttgart, Paulinenstraße 50.) Preis Mk. 5.30.
Der Gedanke, der dem Unternehmen zugrunde liegt,
ist gut und verdient unsere warme Unterstützung. Je-
doch seine derzeitige Durchführung befriedigt nicht.
Hinter dem „Kalender" steht keine einheitliche Er-
ziehungsgesinnung und kein sicheres Wertgefühl für
die echte Schülerleistung. Die Auslese der Schüler-
arbeiten müßte nach anderen Gesichtspunkten gehand-
habt werden, und sie müßte namentlich eine viel
strengere sein, wenn nicht das Gegenteil von dem,
was beabsichtigt ist, erreicht werden soll. Vieles, was
hier dem Lehrer als Vorbild angeboten wird, ist nicht
nur nicht mustergültig, sondern gehört gt radezu in
die Kategorie der abschreckenden Gegenbeispiele.
Die Ornamentik liegt besonders im argen: siehe die
Schriftbeispiele, dann Aufgaben, wie „Getriebe der
heutigen .technischen Welt", oder „Löst eine gegebene
Fläche mit geraden Linien in kleinere Flächen auf und
schmücke sie mit Kreisbogen aus", oder „Vase schmük-
ken mit Linien". Welchen Sinn, zumal in der Volks-
schule, haben solche Aufgaben? Zu beanstanden ist
namentlich auch das Darstellen von Gegenständen,
wie Geräten und Gefäßen. Warum strebt man hier
malerische Wirkungen an, statt die Schüler sachlich
schlicht zeichnen zu lassen in einer Darstellungsweise,
wie sie dem Berufsleben als Vorbereitung dienen kann?
Mit welchem Recht beruft man sich bei solchen Ent-
gleisungen auf die amtlichen Lehrpläne? Wenn der
„Kalender" das nächstemal lauter echte, bescheidene
Schülerarbeiten bringt, wie sie in unseren Volksschulen

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