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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 10 (Oktober 1932)
DOI Artikel:
Sartorius, Dorothea: Nadelarbeit im Rahmen der Werkerziehung an der Pädagogischen Akademie Breslau
DOI Artikel:
Gahlbeck, Rudolf: Form und Inhalt, Kunst und Publikum
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0179

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meinschaftsarbeil zu einem wesentlichen Bestandteil
der pädagogischen Ausbildung für alle Studierenden
zu machen, um so die beste Konzentration, nicht nur
der Werkerziehung, sondern auch anderer kunsterzie-
herischer Gebiete, zu erhalten. Wort und Dichtkunst,
Musik, bildende Kunst (Z.W.N.) und Leibesübung als
körperlicher Ausdruck im Tanz sollten sich zur Lösung
gemeinsamer Aufgaben im Rahmen der gesamten Er-
ziehung zusammenschließen. Aber auch die Verwirk-
lichung dieses Planes wurde durch die Auflösung die-
ser Hochschule unmöglich gemacht.
Ein Rückblick über unsere dreijährige Versuchs-
arbeit, die sich im letzten Tahre zu der geschilderten
Form verdichtete, zeigt, daß das Verständnis für hand-
werklich-künstlerische Arbeit bei den Studierenden in
dieser Zeit sehr an Boden gewonnen hat, und die Er-
gebnisse ermutigten, auf dem eingeschlagenen Wege
weilerzugehen, obgleich die nebenamtliche Betreuung
der Nadelarbeit und der Werkarbeit aus Mangel an
Zeit manche Einschränkung notwendig machte. Sollte
hier, wie in bezug auf die Vorbildung der Studieren-
den die notwendige Abhilfe durch das Ministerium
in Zukunft geschaffen werden, dann würden wichtige
pädagogische Fragen geklärt werden können. Ich
denke z. B. an die Beziehungen zwischen Nadelarbeit

Und Volkskunst und das damit zusammenhängende
Problem des Geslaltens des Kindes auch bei seinen
Nadelarbeiten, wie es in den „Urkunden deutscher
Volkskunst" Heft 1, „Nadelarbeit", Verlag Dr. Benno
Filser, Augsburg, angeschnitten wird, und das nur im
Rahmen der gesamten Kunsterziehung zu lösen ist.
Wie unabweisbar notwendig die Verbindung zwischen
handwerklicher und Kunsterziehung ist, tritt hier er-
neut in Erscheinung. Auch die Frage, ob die Ausbil-
dung der Lehrerinnen für Nadelarbeit, Leibesübung
und Hauswirtschaft in Zukunft an der P. A. oder an
besonderen Ausbildungsstätten erfolgen soll,
dürfte aus der Wahrung der pädagogischen Gesamt-
schau unbedingt für die Pädagogische Akademie zu
bejahen sein. Das schließt nicht den Wunsch nach der
Möglichkeit einer größeren Vertiefung eines Werk-
gebietes auf dem Wege des Wahlsystems aus.
Wie schmerzlich es ist, eine Arbeit aus der Hand
geben zu müssen, ehe man sie an das erstrebte Ziel
führen konnte, weiß jeder, der mit ganzer Seele einer
Idee diente. Uns bleibt als unverlierbarer Besitz die
dankbare Erinnerung an eine harmonische Zusammen-
arbeit, die beseelt war von dem Ringen um ein Neues,
Werdendes, das schrittweise dem jungfräulichen Bo-
den abgewonnen werden mußte.

RUDOLPH GAHLBECK- SCHWERIN:
FORIV1 UND INHALT, KUNST UND PUBLIKUM

In dem Aufsatz, von H. Händel-Berlin, „Kunst und
Kitsch", Heft 9 — 1932, heißt es:
„Es kommt in der Kunst nicht auf den Stoff, das
Was, den Inhalt an, sondern auf den Stil, die Kunst-
form, das Wie.”
Dieser Auffassung begegnet man immer wieder. Seit
dem Impressionismus, jener Zeit, in der man sagen
konnte — ich glaube, Leistikow war es —, daß eine
gut gemalte Rübe künstlerisch ebenso wertvoll wie
eine gut gemalte Madonna sei, ist man nicht müde
geworden, auf die Form, das Wie, hinzuweisen als das
allein Ausschlaggebende, das A und O aller Kunst.
Es scheint mir indessen an der Zeit, dieser Auffas-
sung einmal gründlicher nachzuspüren. Entspricht sie
in Wahrheit dem Wesen der Kunst und insbesondere
dem der deutschen? Zu dieser Frage heißt es Stellung
nehmen, denn aus ihrer Beantwortung wachsen die
Gesetze der künstlerischen Gesamthaltung des frei
schaffenden Künstlers sowohl wie des Kunstpäda-
gogen.
Um die deutsche Kunst und ihre Pflege handelt es
sich für uns in allererster Linie, in heutiger Zeit dop-
pelt und dreifach. Und da spüren wir bald, daß an
obiger Meinung etwas nicht stimmt, Lassen wir doch
einmal im Geiste Werke von Grünewald, von Dürer,
den Romantikern oder Thoma an uns vorüberziehen!
Würde wohl einer dieser Bildner oder sonst jemand
von all denen, die uns ein wahrhaft deutsches und
dabei künstlerisch großes Werk schenkten, diesen Satz
von der alleinigen Wichtigkeit der Form mit vollem
Herzen bejahen können? Gewiß nichtl Und das kann
— ganz abgesehen von der historischen Bindung, der
selbst das Genie unterliegt — gar nicht anders sein,
sofern wir uns nur auf die tiefsten Quellen unserer
volklichen Eigenart besinnen.
Der Impressionismus ist nicht deutsch. Er ist dies
nicht nur seiner geschichtlichen Entstehung halber
nicht, sondern wegen seines Außerachtlassens der
Frage nach dem Inhalt, der völligen Vernachlässigung
seelischer Hintergründe, eine Einstellung, die den
Menschen als Gestaltungsobjekt zu bloßem Farbbün-
del werden ließ. Die künstlerische Anteilnahme kam
über die Beobachtung des Spiels von Farben, Licht

und Schatten und deren flott erfaßte Wiedergabe sel-
ten hinaus. Mag nun das Wie noch so vollendet sein:
den Deutschen kann solche Kunst auf die Dauer nie-
mals voll befriedigen. Der Romane vermag sich im
artistischen Spiel zu erschöpfen, der Germane nicht.
Ihm bedeutet Kunst mehr als ein Spiel mit dem wan-
delbaren Begriff der Schönheit, die im Formalen ihren
Niederschlag findet. Er verlangt neben dem Wie ein
Was, denn er hat — Gemüt. Diese heute höchst an-
rüchig gewordene Tatsache kann auch der bissigste
und geistreichelndste Spott von Fremdgeist übertünch-
ter Spiegelfechter nicht aus der Welt schaffen. Wir
werden sie also wohl oder übel als nicht wegzuleug-
nende Speiche in das Rad des künstlerischen Ge-
schehens einzufügen haben, sofern es wahr und voll-
ständig sein soll. Gemüt also! Der „Gebildete" lächelt
ungeheuer überlegen. Wenn schonl „Es gehört" —
schrieb ich 1931 für eine ausländische Zeitschrift —
„heute allerdings Mut dazu, Gemüt zu haben, mehr
noch, es zu zeigen, und noch mehr, es in Kunstwerken
zu bezeugen. Denn in seine unmittelbare Nachbar-
schaft hat man jenen Begriff vom Kitsch gesetzt, mit
dem man flink bei der Fland ist, wenn ein Künstler es
wagt, sich im Zeitalter der Maschine mit seinen Wer-
ken an das Gemüt zu wenden."
Aus diesem unausrottbaren, dem Deutschen eigenen
Ruf nach dem Was, den jeder hören kann, der nur
will, wird nun vielfach überheblicherweise dem Publi-
kum ein schwerer Vorwurf gemacht. Die Klagen über
Entfremdung zwischen Kunst und Volk und über die
sich daraus zwangsläufig ergebenden äußeren Folge-
erscheinungen nehmen kein Ende. Der Schaffende ist
häufig genug zum verbitterten Ankläger geworden; er
fühlt sich „unverstanden". Liegt die Schuld, die Er-
klärungsmöglichkeit für die oftmals erschütternde Leere
in Ausstellungen tatsächlich nur beim Publikum? Ge-
nügt die wirtschaftliche Lage, das mechanisierte Ma-
schinenprofil unserer Zeit allein, um diese betrübliche
Lage hinreichend zu begründen? Diese Erklärungen
befriedigen allenfalls den flüchtigen Beobachter, nicht
den tiefer Sehenden. Was also ist es dann? — Zum
großen Teil kommt es daher, weil man dem Publikum
zugemutet hat, sich lediglich am Wie zu erbauen, an

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