Goellie in Rom. Skizze von Tischbein
Aus: Hagen „Deutsches Sehen'1
Verlag R. Piper, München
nen schauend erlebte, als göttliche Formkräfte im
Endlichen, als Gestalten, in denen der Gegensatz von
Sinnlichkeit und Idee überwunden ist".
+ + +
Trotz dem manchmal recht tollen Treiben fand
Goethe in den Straßburger Studienjahren doch noch
Zeit zur künstlerischen Betätigung. Wie stark das
Münster seine Bildphantasie erregt hatte, geht auch
daraus hervor, daß er durch Zeichnen und Vergleichen
eine klare Vorstellung von der geplanten Vollendung
des Turmes zu gewinnen suchte und sehr erfreut war,
seine Vermutung durch den Originalriß bestätigt zu
finden. Und er knüpft daran die Bemerkung: „Aber
so sollte es mir immer ergehen, daß ich durch An-
schauen und Betrachten der Dinge mühsam zu einem
Begriffe gelangen mußte der mir vielleicht nicht so
auffallend und fruchtbar gewesen wäre, wenn man
mir ihn überliefert hätte."
Auch sonst betätigt er sich bildnerisch gestaltend.
Dem Pfarrer von Sesenheim fertigt er Risse an zum
Bauen eines neuen Pfarrhauses und bemalte seine
Chaise mit Blumenornamenten, wobei ihm das Pech
passierte, einen Firnis zu erwischen, der nicht trock-
nen wollte, wodurch das „Kunstwerk unmöglich" war,
Seiner Friederike malt er farbige Bänder, die gerade
Mode geworden waren und sandte sie ihr mit kleinen
Gedichten.
Dann fand er immer wieder Zeit zu Naturstudien im
Freien. Er lernte dabei etwas Köstliches, was uns „auf
der Tagd nach den Dingen, einer Tagd freilich, bei
der wir die Gejagten sind", wie er später einmal in
sein Tagebuch schreibt, so leicht verloren geht, näm-
lich „das ungetrübte und weite Offenhalten der Augen,
die ruhevolle und andächtige Versenkung ins Ge-
schaute, das geduldige Werben an der Türe der Form
um den Eintritt in den Kern der Dinge".
t + +
Nachdem er, 22jährig, promoviert hatte, kehrt er
wieder in die Heimat zurück. Wie stark seine Anteil-
nahme für Kunst geworden war, ersehen wir daraus,
daß er auf der Reise, kaum in Mannheim angelangt,
„mit größter Begierde" zum dortigen Antikensaal
eilt, „von dem man viel Rühmens machte". Obwohl
alles nur in Gips zu sehen wai, fand ei sich doch
durch diese „herrlichen Gebilde", den „wundersam-
sten Eindrücken ausgesetzt". Der nachmalige Verehrer
der griechischen Kunst meldete sich schon; angesichts
der „ungeheuren und eleganten Akanthusblätter"
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Aus: Hagen „Deutsches Sehen'1
Verlag R. Piper, München
nen schauend erlebte, als göttliche Formkräfte im
Endlichen, als Gestalten, in denen der Gegensatz von
Sinnlichkeit und Idee überwunden ist".
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Trotz dem manchmal recht tollen Treiben fand
Goethe in den Straßburger Studienjahren doch noch
Zeit zur künstlerischen Betätigung. Wie stark das
Münster seine Bildphantasie erregt hatte, geht auch
daraus hervor, daß er durch Zeichnen und Vergleichen
eine klare Vorstellung von der geplanten Vollendung
des Turmes zu gewinnen suchte und sehr erfreut war,
seine Vermutung durch den Originalriß bestätigt zu
finden. Und er knüpft daran die Bemerkung: „Aber
so sollte es mir immer ergehen, daß ich durch An-
schauen und Betrachten der Dinge mühsam zu einem
Begriffe gelangen mußte der mir vielleicht nicht so
auffallend und fruchtbar gewesen wäre, wenn man
mir ihn überliefert hätte."
Auch sonst betätigt er sich bildnerisch gestaltend.
Dem Pfarrer von Sesenheim fertigt er Risse an zum
Bauen eines neuen Pfarrhauses und bemalte seine
Chaise mit Blumenornamenten, wobei ihm das Pech
passierte, einen Firnis zu erwischen, der nicht trock-
nen wollte, wodurch das „Kunstwerk unmöglich" war,
Seiner Friederike malt er farbige Bänder, die gerade
Mode geworden waren und sandte sie ihr mit kleinen
Gedichten.
Dann fand er immer wieder Zeit zu Naturstudien im
Freien. Er lernte dabei etwas Köstliches, was uns „auf
der Tagd nach den Dingen, einer Tagd freilich, bei
der wir die Gejagten sind", wie er später einmal in
sein Tagebuch schreibt, so leicht verloren geht, näm-
lich „das ungetrübte und weite Offenhalten der Augen,
die ruhevolle und andächtige Versenkung ins Ge-
schaute, das geduldige Werben an der Türe der Form
um den Eintritt in den Kern der Dinge".
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Nachdem er, 22jährig, promoviert hatte, kehrt er
wieder in die Heimat zurück. Wie stark seine Anteil-
nahme für Kunst geworden war, ersehen wir daraus,
daß er auf der Reise, kaum in Mannheim angelangt,
„mit größter Begierde" zum dortigen Antikensaal
eilt, „von dem man viel Rühmens machte". Obwohl
alles nur in Gips zu sehen wai, fand ei sich doch
durch diese „herrlichen Gebilde", den „wundersam-
sten Eindrücken ausgesetzt". Der nachmalige Verehrer
der griechischen Kunst meldete sich schon; angesichts
der „ungeheuren und eleganten Akanthusblätter"
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