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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

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Heft 7 (Juli 1932)
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Fraktur oder Antiqua
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0131

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Abschließend erzählte Weismantel von einem Groß-
industriellen, der ihm angesichts des Zusammenbruchs
seiner Textilfabrik als einen seiner Hauptgründe die
„Entwurzelung der Muster" nannte, die ursprünglich
das Gesicht des Volkstums seiner Landschaft trugen,
die aber dann mehr und mehr durch die Entwürfe
einer großstädtischen Kunstgewerbeanstalt verdrängt
wurden. „Gäbe es einen Weg," so meinte dieser Fa-
brikant, „auf dem die Musterungen meiner Gewebe
wieder das Gesicht eines nicht nachahmbaren alten
Volkstums, das ja vorüber ist, sondern das eines neu-
geschöpften Volkstums erhielten, so kämen meine
Arbeiter wieder zu Brot und ich würde der Konkurrenz
auf dem Weltmarkt Herr; — gäbe es für uns die Mög-
lichkeit, eine geistige Qualität zu schaffen, die nur
uns erreichbar ist?" — Damit umschrieb dieser Groß-
industrielle die umfassende, vor uns liegende Er-
ziehungsaufgabe: „dem Volk zum geistigen
Gesicht seines Volkstums zu verhelfe n".
An dieses Ziel gemahne uns auch Goethe in diesem
Gedenkjahr seines Todes. Gerade Goethe weise uns
auch darauf hin, daß der Mensch neben der vollen
Auswirkung seiner logisch-denkerischen Kräfte auch
der vollen Entfaltung seiner künstlerisch-gestaltenden
Kräfte bedürfe, um zu „seiner letzten Würde", zu jener
der „Persönlichkeit" zu gelangen. Im vollen Menschen
seien die beiden Erkenntnisquellen, die Kants sowohl
wie diejenige Rembrandts vereint. Goethe sei uns
Deutschen der Gestalter dieser Vollendung geworden
und dies Gedenkjahr an ihn sei wahrlich vergeblich
gewesen, wenn heute aus den Grundzügen unseres
Bildungswesens gerade das verbannt würde, worin
Goethe unserm ganzen Volke Vorbild sei: in der
„Vereinigung der künstlerischen Weit-
er f a s s u n g mit der wissenschaftliche n".
Hier liege die Aufgabe der Neugestaltung der Schule
und der Erneuerung des Volkes durch sie.
„Nur um dieses großen Zieles willen halten wir es
für nötig, bis zum letzten dafür zu kämpfen, daß die
Kunsterziehung in unseren allgemein-bildenden Schu-
len jenen Raum zuerkannt erhält, den sie benötigt,
diesen ihr aus unserer Geistesgeschichte auferlegten
Anteil an diesem Rettungswerk für Schule und Volk
zu verwirklichen."
Weismantel hatte mit stärkster innerer Beteiligung,
ja mit Leidenschaft gesprochen. Seine Ausführungen
(die übrigens vom Südwestfunk aufgenommen und
übertragen wurden) packten von Anfang an wohl je-
den einzelnen der Hörer, so daß wir glauben hoffen
zu dürfen, daß sie nicht nur als Fürsprache für ein
bedrängtes Schulfach verstanden wurden, sondern
mehr noch als eindringlicher und nachhaltig über-
zeugender Aufruf für die Anerkennung der
kunstpädagogischen Bildungswerte und
für eine Erneuerung des Bildungswesens aus dem
Grundsatz der Erziehung zum reinen anschaulichen
Denken und Gestalten als des rechten Weges, die Tu-
gend zu anschaulicher Erkenntnis zu führen. —
Nach Weismantel sprach Obers'tudienrat Dr. Preitz
(Frankfurt) als Vertreter der „Gesellschaft für deutsche
Bildung", der Frankfurter Direktorenvereinigung und
der Frankfurter Philologenschaft für die Durchführung
der Preußischen Schulreform, die 192a so hoffnungs-
voll mit dem Grundsatz der Erziehung zur Kunst und
durch Kunst und der künstlerischen Durchdringung
des Gesamtunterrichts begonnen habe, nun aber in
höchster Gefahr sei, der Wirtschaftsnot zum Opfer zu
fallen.
Kurze Aussprachen der Vorsitzenden der Zeichen-
lehrer- und Musiklehrerverbände, des Vertreters der
Vereinigten Elternbeiräte und des Tonkünstlerverban-
des sowie schließlich die Annahme einer Resolution
beschlossen diese eindrucksvolle Kundgebung, die
von einigen Schülerchorgesängen umrahmt war.

FRAKTUR ODER ANTIQUA?
Probe zur Schriftwahl:
Koch-Fraktur
Dao Kölner Kunffgcwerbemufeum 3cigtc im flpril die flu«1
ftelluug „Ougcnb malt 11116 3cidjnct", 6ic cfrgcbniffe 6cs neuen
3eidjeminterrid)ts an höheren ©djulen Berlins eindrucfsuoll
ausbreitete. nidjt anßeeordentlidje <Ein3elleiftungen, foudern 6er
KlaffenöurdjJdjnitt, 6er 6tan6 6er allgemeinen (Er3ieljung 311111
t'üiiftlerifdjen flusdeuef 11116 311t’ fluoeinanderfehung mit 6er
fidjtbareu iluuueit bot fid) 6em Befdjauer 311111 Radjdenfen an.
vPrftaunlid) 6ie feenhafte (frfafjung 6er Dinge, 6er 3uftändc
11116 Sonnen, 6ie ©djärfe 11116 (Eindcntigfeit 6er bildhaften
Gpradjc, 6er Teuft 6eo Uorteago 11116 6er aufbred)eu6e Reichtum
an tßeftaltungoiuillcn! 3udjtuolle Klärung des cfvlebnis- 11116
öpradjc, 6er f ruft 6eo Uortrago 11116 6er aufbred)eu6e Reichtum
eigenen fjaltung, 311t’ fjarmonie 6co (fljarai'tcrs.
Die U)cft6cut|Vi)c Gruppe 6eo Uerbandco 6er Üeljrei’ 11116
Hcljreeinnen fünftlcrifdjer Sacher an höheren ©djulen nahm 6ie
Gelegenheit 6er fluoftellung 311 einer Kundgebung für Die 1111-
gefdjmüTcetc (Erhaltung 6er Kunftfädjer in 6en ©djulen waljr.
Ö11 einer Abendveranstaltung fpradjen im uollbefetjten Hidjtljof
6eo Wufeunts Dr. Karl U) i t lj als fjerr 6eo fjaujes 11116 Heiter
6er Kölner Werffdjuien, Prof. Paul B i 11 6 e 1, 6er ßtaatl.
Sadjberatcr 11116 Abteilungsleiter an 6er Düffeldoefer flfaöcmic,
Prof. Kla.r fjof in ii Iler, 6er Ontendant 6co Kölner Gpcrn*
Ijaufeo, Gberftu6ien6ircftor Dr. Bille 11 aus fladjen alo Don
fifjender 6er rheinifdjeii Direftoreiifonferens, Dr. Barthel
uoiu Kunftgetoerbemufeuni 11116 Prof. T. 3ofef Müller, Heiter
6er ©djulinufffabteilnng an 6er Kölner iliufifbodjfdjule. fllle
Redner tvünfdjten und forderten den 3uffnnd, den das prcu-
ßifdje Reformwerf uou 1924 gefdjaffen hat, 311 erhalten, Tudlidj
Ijat man die Kunftübungen aus ihrer nebengeordneten Ofolie-
rung gelöft und begieljungsuoli in die gan3e <frjicljungoarbeit
eingeordnet und fdjou oerfudjt man, diefe glticflidje Konstellation
311 ändern, indem die (Einsparungen im ©djulhauoljalt die
tuiffcnfdjafflidjen $ädjce nur 311 5u/o, die fünfflerifdjen aber bio
3ti 20ü/u treffen. Gegen diefe ininderbewertmig wehrte man fidj
befondero im Rainen der nun 0011 iljrer Tätigfeit ausgefdjloffe--
neu flffefforen. Wenn die Uerticter 6er illufit' iljr $adj al«
unbedingt notwendige Scout gegen die allgemeine inteilet'tuelle
cfrsieljung aufüljreii, fo ijat die bildende Kunft den Uortcil, gc-
fühlomäpig-fdjöpferifdje und betradjteude Ti^ieljung mit der
intclleftnellen des Maßes, der optifdjen (Erfenntnis und Blict’-
fdjärfe 311 vereinen und fo int Heljtgebäudc eine ividjtige Binde*
ffcllung ein3unehmcn. flllen ©tinnnen gemeinfam war aber
dao Menfdj* und Hebennädjfte, das Hebendige, die Kauft, in dem
geredjten Maß wie fie bisher lebendiges Scciueut im ©djulplau
war, erhalten 311 wifjeu. Künftier follen auf den höheren ©djulen
nidjt erjogen werden, flber man befürdjtet von der Deutfdj*
fände ja audj nidjt, daß fie Didjtcr ci’3ieljc. Mit Billigtest t'aun
man alfo dasfclbe von den Kunftfä'djcrn fagen. Die Kunftfädjer
haben die Aufgabe in ihrem ©inne 3111' cfrfeniitiiiobildiing und
Somit 3iir Gefinnungsbildung 311 führen (im Kaesbadj’fdjcn
©inne). Oljce Aufgabe ift es, gegen Pfeudofunft, Talmiproäuf*
tion der Kitfdjinduftric jeder flrt die fugend 311 wappnen und fo
die Hebcnoforui eines gait3cn Uoifeo für eine reinere Sufunft
311 eüften. (Dao Uorwort Dr. Witlj’o war der (Ejelraft des
flbendo.) Kl). Bodcuficf.
* * *
K 1111 ft t lj e 0 r i e. Konflifte swifdjen Kiinftlern und Qrijcorc*
tifern haben ftets mit der Hiederlagc der Theorie geendet, flber
fie haben oft dem Künftier die Arbeit, die innere ©anunlung
erfdjwert und iljm die ©idjerljeit genommen . . .
Die f n n ft l e r i f dj e p r 0 d 11 f t i 0 n beruht auf 1111*
mittelbarer Berührung von ©ubjeft und Gbjcft in ©cclen*
3iiftäudeu, in denen die Peefönlidjfeit des Küuftlers in ©pan*
nungsfreife feines erften Sormtriebeo und der von außen
fommenden tfinwirfungen, ober and) der Mädjtc feines Uor-
Icbcus und neuer ungeahnter Kräfte tritt . . . Das Kunftwcrf
ftrebt nach unabhängiger, allein in fid) gcfdjloffencr <frifteii3,
audj wenn es von einer übermädjtigeu Tradition gefangen
wird . . .

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