Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 9 (September 1932)
DOI Artikel:
Zum Nachdenken / Umschau / Buchbesprechungen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0170

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
„Paradies". Näharbeit aus allen Flicken mit Wollreslen. Mittelschule Lübeck (Zeichenlehrerin Hanna Schnörincj)

UMSCHAU
Südsee-Masken
Gustav Meyrink
Was sind Masken? Der Mensch aer letzten Jahrhun-
derte, blind, taub und stumpf geworden für die feinen
Einflüsse einer ihn umgebenden und durchdringenden
geheimnisvollen Welt und überdies einer nur halb-
wegs in die Tiefe gehenden Erklärung nicht handgreif-
lich zutage liegender Ursachen geflissentlich aus
weichend, wird sagen: Masken sind Hüllen, erschaffen
aus überschwenglicher Phantasie; keinerlei Vorbilder,
die in Wirklichkeit existieren, liegen ihnen zugrunde;
Kinder nehmen sie vors Gesicht, um einander zu er-
schrecken; die Medizinmänner wilder Völker erfinden
sie zum Zweck, sich die Unterwürfigkeit der Aber-
gläubischen zu sichern.
Als im Jahre 1722 die Osterinsel Rapanui im Stillen
Ozean von Roggeveen entdeckt wurde, fand man an
ihrer Küste zahlreiche, viele Meter hohe schwarze

Steinbilder stehen mit phantastischen Dämonengesich-
tern, und im Laufe der Zeit entstand die Behauptung,
es seien Überbleibsel aus dem sagenhaften versun-
kenen Erdteil Atlantis, bis die Wissenschaft klarstellte,
daß es lediglich aus Basalt gehauene Statuen sind,
angefertigt von den Eingeborenen, um Feinde, denen
es nach Überfall der Insel gelüsten sollte, in Furcht
und Schrecken zu jagen. Was den Zweck solcher mas-
kenhafter Bilder betrifft, hat die Erklärung demnach
im allgemeinen recht. Wie aber kommt es, daß Fieber-
kranke oder Menschen, die ihr Nervensystem durch
Rauschgifte zerstören, es — mit anderen Worten —
empfindlicher machen, in Anfällen von Bewußtseins-
trübung grauenhafte Gesichter zu sehen „wähnen"?
Wie kommt es, daß Mäuse, wenn man ihnen Hyoscia-
min einspritzt, sich auf die Hinterbeine aufrichten —
was sie sonst nie tun, wenn sie einen Feind erblicken —
und durch Gebärden äußersten Entsetzens verraten,
daß sie etwas wahrnehmen, was unseren Sinnen ver-
borgen bleibt? — „Erinnerungsbilder an einstmalige
Erlebnisse werden wach, nichts weiter", so werden
 
Annotationen