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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1932)
DOI Artikel:
Gahlbeck, Rudolf: Form und Inhalt, Kunst und Publikum
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0181

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loniasa isl
erschöpf!

Aus
„Slern und Blume1
von Ollo Pankok
(Freldeulsdiland-
bund Düsseldorf)


wurzelt ist. Dann wird er von dem künden, was es im
Tiefsten bewegt, und nicht nur Kunstfreunde und Sach-
verständige auf seiner Seite haben, sondern ganze
Menschen.
Und um den Menschen handelt es sich auch bei uns
im Unterricht. Die Vergötzung des rein Formalen könnte
von dem vornehmsten Ziel, der Persönlichkeitsbildung,
ablenken, wenn auch auf der Hand liegt, daß nur das
Wie das eigentliche Lern- und Lehrbare ist. Alles Lehr-
und Lernbare muß aber seiner Natur nach zweitgradig
sein. — Hätte die Bildnerei es also nur mit dem Wie
zu tun, wäre sie eine zweitrangige Kunst — Aufbau,
Rhythmus, Hell-Dunkel, Farbenklänge: all das sind
Dinge, die sich in ihrer Gesetzmäßigkeit nachweisen,
fassen lassen. „Das aber ist es, was Traum und höch-
stes Kunstwerk Gemeinsames haben: das Geheim-
nis."* Auch Händel schreibt im genannten Aufsatz aus-
gangs: „Kunst ist Geheimnis". Er wird nun aber nicht
behaupten wollen, daß sich dies Geheimnis mit dem
Wie, worauf es doch n u r ankommen soll, deckt. Denn
das Formale und Stilmäßige ist erklärbar, das Geheim-
nis nicht. Sonst würde es wohl aufhören, Geheimnis
zu sein. Aber erlebbar ist esl Und es erleben zu las-
sen, sollen wir den Boden lockern, die Bereitschaft
rüsien. „Das Werk, das ein Nach e r I e b e n nicht ge-
stattet, sondern in seiner Absicht vielleicht bloß ver-
standen sein will, ist kein Kunstwerk. Es ist am
Ende künstlich, künstlerisch ist es nie."** Alles For-
male aber ist, weil iehr- und lernbar, Sache des Ver-
standes. Der Inhalt aber, der als menschliches Erlebnis
zu künstlerischer Gestaltung drängt, hat seine Wurzeln
in tieferen Schichten als nur im Verstand. Nicht die
äußere Gestaltung, sondern das, was hinter ihr lebt
* Hermann Hesse in „Narzifj und Goldniund“.
” Ernst Rolli „Die Grenzen der Künste1'.

und webt, ist es, wo eben jenes Geheimnisvolle aller
tiefen Kunst beginnt.
Tun wir deshalb den Inhalt nicht als so nebensäch-
lich ab! Und innerhalb unserer unterrichtlichen Tätig-
keit schon aus Gründen praktischer Pädagogik nicht.
Denn es ist kein Wort darüber zu verlieren, daß der
Schüler viel williger und arbeitsfreudiger urn solche
Formen ringen wird, deren Träger ihn auch von sich
aus irgendwie fesseln. Der Erfolg aller frei gestalten-
den Aufgaben steht und fällt doch geradezu mit die-
ser so nahe liegenden Finsicht. Auf die höchst wich-
tige Tatsache, daß bei lebendiger Kunst die Gesetze
des Wie durchweg überhaupt eist aus dem Was her-
auswachsen, kann hier nicht eingegangen werden.
Aber wenn wir nur daran festhalten, daß Kunst Be-
wegung ist, wird die Klippe formelhafter Erstarrung,
jener unausbleiblichen Folge der Überschätzung des
Wie, am glücklichsten umschifft.
Wenn diese Betrachtungen, die angesichts der Größe
des Themas nur in bescheidenem Rahmen gehalten
sein konnten, auch mehr in das Gebiet der bildenden
Kunst schlechthin als in das des begrenzten Kunst-
unterrichts gehören, so wird gleichwohl ein Nachden-
ken über das Verhältnis zwischen Form und Inhalt für
den Kunstlehrer von einschneidendster Bedeutung sein.
Denn seine Einstellung zu so wichtigen Grundfragen
wird sich noch in den letzten Verästelungen seiner
Lehrtätigkeit auswirken. Und gerade im Hinblick hier-
auf seien wir dessen eingedenk, daß Wissen viel,
Können mehr, Sein aber alles ist. „Die Individua-
lität des Kunstwerks ruht nicht im Formalen, nicht
bloß in der Ausdrucksweise, nicht in der technischen
Ausgestaltung. Denn das Handwerk unterliegt der
Mode. Kunst aber ist immer unmodern
in einem höchsten Sinne."*
* Ebenda.

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