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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 12.1932

DOI Heft:
Heft 10 (Oktober 1932)
DOI Artikel:
Parnitzke, Erich: "Photographie und Kunstunterricht"
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https://doi.org/10.11588/diglit.28170#0183

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Blonde Kuh Aus „Stern und Blume" von Olfo Pankok (Freideutsdilandbund, Düsseldorf)

Kunst, und — was nie zu vergessen bleibt — erst
dadurch aufgewiesen und maß-gebend wurden!
Problemen, die man einer vollbürtigen Bildbildung
zuliebe verfolgen sollteI Wer derart gebildet ist,
macht auch keine bloß natur-sammelnden Schnapp-
schüsse. Oder er macht sie gerade, weil er die Seh-
Maschine in bewußtem Gegensatz zum Bildnern hand-
habt. Auf jeden Fall hat er ein Augenmaß für den
möglichen Bildwert.
Damit soll auch das ehrliche Bemühen und auch
zuweilen virtuose Können eines Photographen, der
das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet und
mit hohem Geschmack Reportage betreibt, also
im besten Sinne mit Anmut und Witz berichtet
und belehrt, keineswegs gemindert sein. Da, auch
die kunsterzieherische Wirkung nicht, die darin be-
stehen kann, daß e i n hochbegabter Photograph hun-
dert Pseudo-Maler in den Schatten stellen kann, die
in der Natur stecken blieben und nicht einmal nütz-
liche Naturberichterstatter waren.
Etwas muß ich noch entkräften, was im Beitrag von
Lorenz unversehens als Vorurteil aufgetreten ist. Er
stellt dem längeren „schädlichen" Einfluß früherer
Malerei auf das Photo den besseren der „Neuen
Sachlichkeit" gegenüber. Ohne weiter auf die Kunst-
frage besagter Bildauffassung einzugehen, möchte ich
nur sagen: Wenn es deutlich ist, daß die Photogra-
phie über das Geschmackliche in der bildnerischen
Wirkung nicht hinaus kann, dann bleibt es eine will-
kürliche Wertung, nach schädlich und nützlich zu
unterscheiden. Schlecht kann dann nur der Geschmack
genannt werden, der sich an schlechter, unkünstlerischer
Malerei gebildet hat. Gut hingegen ist er in allen
den Fällen, wo er an guter Kunst gebildet wurde.

Abgesehen von der handgreiflichen Vermengung von
Kameraprodukt und Freihandbildnerei, von „maleri-
schen" Retouschen, die einmal in Schwung waren,
kann nicht von einem „schädlich" die Rede sein, wo
bei einem Photo auch mal andre „Bilder" als aus-
gerechnet nur „sachliche" Pate stehen. Eine „Rem-
brandstimmung" (vorausgesetzt, daß sie nicht manuell
erzwungen und „korrigiert" oder als „lebendes Bild"
gestellt ist) braucht in keiner Weise schlechter zu
sein, als ein „kubistische" Stimmungen anrührendes
Photo. Da, es stellt sich heraus, daß überhaupt von
keiner künstlerischen Bildung mehr geredet werden
kann, wenn die sogenannte Sachlichkeit sich selbst
behaupten will. Denn derjenige, der einem gegebe-
nen Naturanblick restlos zustimmt und kein Stäubchen
missen möchte, der die Natur konservieren will, mag
der größte Naturenthusiast sein, aber ihm fehlt zum
Künstler gerade der Instinkt, der eben den Künstler
abhebt vom kontemplativen Naturverehrer durch den
Impuls des Werk-Schaffens! Der die Naturschöpfung
auch ehrt, aber die Bild-Schöpfung durch SICH vom
Grunde her ans Licht hebt. Es ist eine überaus bedenk-
liche Alterserscheinung unsrer Zeit, wenn sie die Be-
friedigung an einem „Die Welt ist schön" (nämlich
mit der Präzision der Photo-Linse gesehen) als eine
künstlerische empfindet und damit der Warnung, daß
„Abbilden das Problem noch einmal stellen" bedeutet,
müde ausweicht. Und nicht den Mut findet, zuzuge-
stehen, daß hier der Natur-Hunger das treibende
Interesse, aber der Kunsthunger nur das getriebene
ist, das sich oft nur sehr lose darum herum rankt,
als mehr oder weniger reiz- und geschmackvolle Gar-
nierung!
Der Stand der Photographie zeigt an, wieweit das

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