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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 13 (1. Aprilheft 1903)
DOI Artikel:
Weber, Leopold: Zur Hebbel-Propaganda
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0021

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schildert unS die schuldlos schuldige Julia Tobaldi, dic Liebeverführtc,
die der Fluch ihrer Hingebung vcrfolgt, da sie dem Anspruch der
Gesellschaft nach, wie sie selbcr bitter seuszt, das Unmögliche hättc
möglich machen müssen, zu licben und doch nicht zu vertraun. Er
schildert unS ihren schuldlos schuldigen Geliebten, dcn Banditenführcr
Antonio Grimaldi, der, ein Vcrbrecherkind, vollends zum wildestcn
der Ausgestoßenen geworden, nachdem er deu Vater als Räubcr-
hauptmann vor seinen Augen hat hinrichten sehn. Das Schicksal
dicser bciden verknüpft nun Hebbel durch eine höchst abenteuerlichc
Erfindung aufs engste miteinander. Antonios Vater Grimaldi ist
nämlich seinerzeit nur dadurch zum Räuber geworden, daß er als
Revolutionär gerichtet wurde, infolge einer Anzeige, dic er, durch
trügcrische Zufallsumstände irrcgeführt, dein Vater Julias, Tobaldi,
zur Last legen mußte. Nun muß sich Antonio, im Begriff, den hin-
gerichteten Vater an diescm Tobaldi zn rächen, in die Tochter des
Todfcinds verlieben, und sie unter salschem Namen in allcr Heim-
lichkeit, ohne daß thre Beziehungen cntdcckt werden, gewinnen. Wie
sich Julia Mutter werdcn fühlt, entschließt sie sich auf seine Bitten,
mit ihni zu fliehn, um dem Vater, der in ihr das Ebenbild seiner
verstorbenen Frau abgöttisch liebt, die Schande zu ersparen. Da
wird, wicder cin tückischer Schicksalsschlag, Antoniv kurz vor der ver-
abrcdcten Flucht, die ihn einem neucn Leben zuführen soll, von
cincm mißtrauisch gewordenen Räubergenossen niedergestochen, und
Julia, die ihn, herumirrend, unter seinem falschen Namen vergeblich
sucht, reizt in der Verzweiflung, da sie sich nicht selbcr an ihr Lebcn
traut, cinen Schurkcn zu einem Mordanfall gcgcn sich. Aber hier
tritt der ckeus ex maokina, von Hebbel mit pcinlichem Zweck-
bcwußtsein innerlich und äußerlich zum Eingreifen in diesem
Konflikt hergerichtct, ein: Bcrtram, ein Tiroler Graf, hat
seinc Jugendkräfte in Ausschwcifungen vergeudct und sehnt sich
in wütender Reuc nach einer Gelegenheit, die ihm vor seinem
eigncn Gewissen das Recht zu freiwilligem Sterben gäbe. Dieser
Bertrani erscheint just im rcchten Augenblick, um den Mördcr
zu verscheuchcn, und Julia, die sich ihm anvertraut, zu retten, da
ex, der edle Lebensmüde, ihr seine Hand zur Ehe bietcn kann, ohne
sie ihrerseits irgendwie verpflichtcn zu müssen. Die beidcn voll-
zichn auch ihre Hochzeit in Tirol, nachdem sie den nur wcnig be-
sänftigtcn Bater vergebens mit sich zu versöhnen versucht; der lüßt
viclmehr in seinem Starrsinn das zuvor veranstaltete Scheinbegräbnis
der angeblich an schwcrer, ansteckcnder Krankheit vcrschiedenen Tochter
in der Tat durchführen. Bei den Neuvermühltcn aber taucht nun-
mchr der mittlerwcilc wieder vom Dolchstoß genescnc Antonio auf,
die nötigen Aufklürungen crfolgcn von cinem zum andern, einer
sucht dcn andern an Opferwilligkeit zu übertreffcn, und wie die Lie-
benden schließlich erklärcn, ein Selbstmord des Grafen würde einc
ewige Schranke zwischen rhnen aufrichten, beschließt dicscr bei sich,
solange „Gemscn zu jagen", bis ihn ein Absturz vom Lebeu crlöst,
das er nun wcgwerfen darf, da er mit scinem Tode das Glück andrer
bcgründet.

Jch denke, diesc abentcucrlich komplizierte Gcmachtheit spricht
v Aprilheft 1905 A
 
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