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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 16,2.1903

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Heft 18 (2. Juniheft 1903)
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Avenarius, Ferdinand: Staatliche Autoritäten im Geistesleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7954#0322

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möglich sind. Daß über das Gute oder Schlechte zumal in künst-
lerischen Dingen und selbst bei einer ganzen Geistesbewegung meist erst
die Nachwelt das Urteil spricht. Binsenwahrheiten, Selbstoerständlich-
keiten, die niederzuschreiben man sich schämen sollte! Wohl, aber vor-
läufig erhalten noch alljährlich so und so viel Denker, Künstler und
Poeten Titel und Orden ob ihrer Verdienste um Kunst und Wissen-
schaft und nehmen sie an, ohne zu fragen, ob die staatliche Autorität,
die sie auszeichnet, für solcherlei Verdienste auch kompetent sei, und ob,
wenn sie das nicht ist, der betreffende Orden irgendwie mehr wert sei,
als irgend ein in nächstem Laden käuflicher Putz. Bei der Verliner
großen Kunstausstellung werden selbst die Medaillen vom Fürsten be-
stimmt, und ebenso entscheidet beim Schillerpreise die Meinung des
Kaisers selbst gegen das Gutachten der darum ersuchten Fachleute. Soll
eine Ausstellung gemacht, soll ein Denkmal gesetzt, soll ein Verein
gegründet werden, so laufen wir vorläufig immer noch nach hochge-
stellten Protektoren herum, und die Feierlichkeit auch künstlerischer oder
wissenschaftlicher Art ist zu suchen, die sich nicht von der Gegenwart
eines höchsten und womöglich allerhöchsten Herrn erst die rechte „Weihe"
verspricht. »Einzig und allein, daß er dabei sei", verlangt Wildenbruch.
Wir alle sagen uns, wie Wildenbruch selbst im Verlauf seiner Schrift,
daß eine geistige Arbeit eine erbärmliche Arbeit wäre, wenn sie solche
Heranziehung brauchte, aber im selben Atem sehen wir doch in der
Autorität, die für diese Dinge keine ist und keine sein kann, eine so
wichtige Sache, daß wir selbst fürchten, der „Körper" könne absterben,
„wenn das Haupt versagt". Wirklich, diese Wildenbruchische Konfusion
steckt in unserm ganzen Volke.

Leider ist sie aber in ihren Folgen nicht gleichgiltig. Es ist nur
menschlich, datz Fürsten, wenn ihnen ihre ungeheure Wichtigkcit z. B. für
künstlerische Unternehmungen fortwährend nahegelegt wird, sich nach und
nach selbst für die höchsten Autoritäten auch für diese Dinge halten und
daß sie deshalb Einfluß darauf erstreben. Der Kaiser müßte ein Halb-
gott sein, wenn er nicht nach und nach in den Glauben geriete, über
Kunst das beste Urteil von allen zu haben, und er mützte schwachherziger
sein, als er ist, wenn es ihn nicht nach Betätigung seiner Ueberzeugung
drängte. Für unsre Hofkunst, welche die Begas, Eberlein, Werner, ja
Vogel usw. mit größten Mitteln beschäftigt und an den Böcklin, Klinger,
Thoma usw. als an minderwertigen Leuten vorübergeht, ist gar nicht der
Kaiser, sind die verantwortlich, die immer wieder die staatliche Autorität
mit der künstlerischen verwechseln. Spricht der Kaiser den Berliner Künstlern
jetzt sogar in die Gestaltung ihrer Ausstellungsräume hinein, so haben
sie selber das mitbewirkt. Aber wir wundern uns ja nicht einmal mehr,
wcnn das Wagnerdenkmal-Komitee, das Leichnersche, mit dem Hinein-
korrigieren des Kaisers in Eberleins Entwurf als mit etwas Hochbe-
glückendem auch noch renommiert. Nicht immer fallen die Ergebnisse
so plump ans Licht. Wenn der Eitelkeitsmarkt mit Orden und Titeln
den Einzelnen nur lächerlich erscheinen läßt, der drauf herumsucht, das
Beimischen unzugehöriger Wünsche und Gedanken hat sehr viel ernstere
Folgen. Das eben ist doch nicht zu leugnen: all dieses Hereinbeziehen
staatlicher Autoritüten bringt in die Kunstpflege Unsachlichkeiten. Die
Schwachen veranlaßt es zum Schielen nach Wirkungen, die außer-

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Kunstwart
 
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