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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Das Jüngste Gericht

stimmte Analogie haben. So schildert Dante (Inf. XXI, 29—38)
Malebranche, der den Rathsherrn von Lucca entführt. Aber
— Michelangelo illustrirte auch hier offenbar nicht Dante,
sondern bildete seine Gruppe der Signorellis nach.
16. Die zwei Gestalten hinten in weissen Kutten
sollen nach Kallab die Heuchler mit Bleikappen (Inf. XXIII, 58
bis 67) wiedergeben. Der Beweis?
17. Auch für die Gestalt des schlangenumwundenen
Minos hatte Michelangelo ein Vorbild in der bildenden
Kunst, nämlich bei Signorelli. Bei Dante umwickelt sich
Minos mit seinem Schwänze, im Fresko ist er von einer
Schlange umringelt. Immerhin ist die allgemeine Beziehung
zu Dante, dem auch Belcari in seiner Rappresentazione folgt,
hier deutlich. So auch, wie es schon Vasari und Condivi
aufgefallen, bei
18. Charon, der die Lässigen mit dem Ruder schlägt. Auch hier aber
war Signorelli Michelangelo in der Entlehnung vorangegangen.
Und es ist zu bemerken, dass sich Michelangelo nicht an
Dantes Schilderung des Greises hält, sondern Charon jünger
und bartlos darstellt, ja, dass er ihn zu einem Teufel macht.
Statt Dantes Einfluss zu betonen, muss man vielmehr die
absichtlich auffallend andere Charakteristik der Gestalt hervor-
heben. Als Teufel erinnert dieser Führer der Verdammten
viel mehr an den Calcabrin des Belcari (s. unten).
19. Das Herauszerren der Verdammten aus dem Kahn
mit Haken und Harken bringt die Motive im XXI. Gesange
des Inferno in Erinnerung. Hingegen auch das Heulen und
Jammern der Seelen daraus (V, 34—36; VI, 19—21; XVII,
46 ff.) erklären zu wollen, erscheint doch sehr überflüssig.
20. Der den Kopf eines Anderen Bewegende rechts
neben Minos. Zuerst Guattani, dann Chapon und Steinmann
sahen hier Ugolino und Ruggiero (Inf. XXXII, 124). Dies ist
nicht denkbar, denn der beissende Kopf ist deutlich der thierische
Kopf eines Teufels. Das Motiv könnte Psalm 49, 15 entnommen
sein: sie liegen in der Hölle wie Schafe, der Tod naget sie.
3. Die Auferstehenden und Emporschwebenden.
21. In den zwei vorn liegenden Gestalten die Seelen
der Geizigen und Verschwender zu sehen auf Grund
von Purg. XIX, 70—75, liegt gar keine Nothwendigkeit vor.
In der Dichtung sind es Weinende, die ,,tutti volti in giuso"
am Boden liegen und ausrufen: adhaesit pavimento anima
mea (Ps. 118, 25). Bei Michelangelo sind es doch mühsam
von der Erde sich Emporhebende.
 
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