Die Brutusbüste
287
In dem Kampf der Argumente scheinen mir schliesslich die für
David sprechenden die stärkeren zu bleiben.
Auf die Verwandtschaft einer Zeichnung in der Casa
Buonarroti (VII, 34. Thode 34. Ber. 1662) mit der Statue machte
Berenson aufmerksam, der sie dem Antonio Mini zuschreibt. Auch
ich kann sie nicht für Michelangelo in Anspruch nehmen, glaube
aber, dass ihr eine Originalstudie des Meisters zu Grunde liegt,
und diese dürfte in der That den ersten Gedanken zu der Statue
enthalten. Die Stellung des Kopfes und des linken über die Schulter
langenden Armes ist schon fixirt, doch steht die Figur noch mit
leicht über das linke gelegtem, etwas erhobenem rechten Beine, und
der rechte nach unten gestreckte Arm ist nicht an den Schenkel gelegt.
Ein Wachsmodell im South Kensington Museum (Thode 603)
zeigt wohl in der Haltung der Arme, nicht aber in der Stellung
und Kopfbewegung, Verwandtschaft mit der Statue.
X
Die Brutusbüste
Die einzige alte Nachricht, die wir über sie besitzen, findet
sich in Vasaris zweiter Auflage. Von Calcagni sprechend, fährt er
fort: „aus Liebe zu ihm hatte ihm Michelangelo, wie erwähnt ward,
die zerbrochene Marmorgruppe der Pieta zu vollenden gegeben,
und dazu eine überlebensgrosse Marmorbüste des Brutus, damit er
sie vollende, denn nur der Kopf war mit gewissen sehr feinen
Gradireisen von ihm ausgeführt worden. Diese Büste hatte er nach
einem Bildniss des Brutus auf einem antiken, sehr alten Cornolin,
der sich im Besitze des Herrn Giuliano Ceserino befand, entworfen,
und zwar fertigte er sie auf Bitten seines vertrauten Freundes
Donato Giannotti für den Kardinal Ridolfi an, ein seltenes Werk."
Wir erinnern uns der Dialoge Giannottis, in denen Michel-
angelo sich über Brutus äussert (s. Band I meines Michelangelo,
S. 122 ff.). Das Gedenken an Lorenzino de' Medici, der nach der
Ermordung Alessandros 1536 allgemein als Brutus gefeiert wurde,
war im Kreise der florentinischen Verbannten lebendig. Es wird
die Veranlassung zur Entstehung der Büste gegeben haben, die für
einen Florentiner bestimmt war. (Vgl. hierzu Fried. Portheim:
Rep. für Kunstw. 1889, XII, S. 151 ff). Von irgend welcher Absicht,
Lorenzino zu porträtiren, kann aber natürlich gar keine Rede sein.
Die Inschrift, als deren Verfasser man im XVIII. Jahrhundert
(Richardson, Volkmann) Bembo nannte, lautet:
Dum Bruti effigiem sculptor de marmore ducit,
In mentem sceleris venit et abstinuit.
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In dem Kampf der Argumente scheinen mir schliesslich die für
David sprechenden die stärkeren zu bleiben.
Auf die Verwandtschaft einer Zeichnung in der Casa
Buonarroti (VII, 34. Thode 34. Ber. 1662) mit der Statue machte
Berenson aufmerksam, der sie dem Antonio Mini zuschreibt. Auch
ich kann sie nicht für Michelangelo in Anspruch nehmen, glaube
aber, dass ihr eine Originalstudie des Meisters zu Grunde liegt,
und diese dürfte in der That den ersten Gedanken zu der Statue
enthalten. Die Stellung des Kopfes und des linken über die Schulter
langenden Armes ist schon fixirt, doch steht die Figur noch mit
leicht über das linke gelegtem, etwas erhobenem rechten Beine, und
der rechte nach unten gestreckte Arm ist nicht an den Schenkel gelegt.
Ein Wachsmodell im South Kensington Museum (Thode 603)
zeigt wohl in der Haltung der Arme, nicht aber in der Stellung
und Kopfbewegung, Verwandtschaft mit der Statue.
X
Die Brutusbüste
Die einzige alte Nachricht, die wir über sie besitzen, findet
sich in Vasaris zweiter Auflage. Von Calcagni sprechend, fährt er
fort: „aus Liebe zu ihm hatte ihm Michelangelo, wie erwähnt ward,
die zerbrochene Marmorgruppe der Pieta zu vollenden gegeben,
und dazu eine überlebensgrosse Marmorbüste des Brutus, damit er
sie vollende, denn nur der Kopf war mit gewissen sehr feinen
Gradireisen von ihm ausgeführt worden. Diese Büste hatte er nach
einem Bildniss des Brutus auf einem antiken, sehr alten Cornolin,
der sich im Besitze des Herrn Giuliano Ceserino befand, entworfen,
und zwar fertigte er sie auf Bitten seines vertrauten Freundes
Donato Giannotti für den Kardinal Ridolfi an, ein seltenes Werk."
Wir erinnern uns der Dialoge Giannottis, in denen Michel-
angelo sich über Brutus äussert (s. Band I meines Michelangelo,
S. 122 ff.). Das Gedenken an Lorenzino de' Medici, der nach der
Ermordung Alessandros 1536 allgemein als Brutus gefeiert wurde,
war im Kreise der florentinischen Verbannten lebendig. Es wird
die Veranlassung zur Entstehung der Büste gegeben haben, die für
einen Florentiner bestimmt war. (Vgl. hierzu Fried. Portheim:
Rep. für Kunstw. 1889, XII, S. 151 ff). Von irgend welcher Absicht,
Lorenzino zu porträtiren, kann aber natürlich gar keine Rede sein.
Die Inschrift, als deren Verfasser man im XVIII. Jahrhundert
(Richardson, Volkmann) Bembo nannte, lautet:
Dum Bruti effigiem sculptor de marmore ducit,
In mentem sceleris venit et abstinuit.