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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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324 Mythol. und allegor. Gemälde, Zeichnungen, Entwürfe

gekannt und kopirt hat; äusser Frage gestellt; und endlich zeigen
fast alle nach Michelangelo entstandenen Plaketten jene Prolepsis,
vor der übrigens auch Correggio nicht zurückgescheut ist. Michel-
angelosKomposition enthielt die hinter Ledas linkem
Fusse knieenden zwei Knaben, die auf ein vorne
schräg liegendes Ei schauen, in dem der Embryo eines
dritten Kindes, der Helena, zu gewahren ist. Sowohl
Condivis Ausdruck: ,,il parto dell' uova, di ehe nacquero Castore e
Polluce", sowie Vasaris Angabe: „Castore e Polluce ehe uscivano
dell'uovo", erklären sich, wenn sie auch nicht präzise sind, aus der
Darstellung.
Zu erklären bleibt nur, wie die Verfertiger der Gemäldekopien
in Berlin, Dresden und Venedig dazu kamen, sich auf die Haupt-
gruppe zu beschränken. Die Übereinstimmung in diesem Weglassen
des Eies und der Knaben ist überraschend. Dass die nach dem
Originalgemälde in Paris angefertigten Kopien, wie die Dresdener,
die Zuthat nicht zeigen, liesse sich allenfalls daraus erklären, dass
auf dem Original schon frühzeitig das Ei und die Kinder als an-
stössig entfernt worden sind. Dies geschah vermuthlich auch auf
der del Bene'schen Kopie: auf dem Bilde in London. Und dies
würde uns veranlassen, auch die Bilder in Berlin und Venedig für
Kopien nach dem Pariser Bilde, nicht nach dem Karton zu halten.
Denn dieser zeigte, wie Rosini beweist, die Geburt aus dem Ei
noch in der Mitte des XIX. Jahrhunderts. Getilgt worden kann
sie auf ihm erst später sein, wie man annehmen muss: im Hinblick
auf das Gemälde in der National Gallery. Noch fehlt uns der
Nachweis des einzigen sicher nach dem Karton angefertigten Bildes,
nämlich des Vasari'schen. In ihm müssen wir die Geburt aus dem
Ei voraussetzen. Oder hat Vasari, wie vielleicht auch andere Ko-
pisten des Kartons (etwa der Verfertiger des Gemäldes in Venedig),
aus ähnlichen Rücksichten, wie der Hof in Paris, die Anstoss er-
regenden Schwanenkinder bei Seite gelassen? Dies ist nicht sehr
wahrscheinlich: auf den Plaketten wurden sie doch dargestellt! Wir
bleiben hierüber noch im Dunkel.
IV
Der Karton zu Venus und Amor
Schon in der ersten Ausgabe erwähnt Vasari den auch vom
Anonymus Magliabecchianus angeführten Karton einer Venus, „sehr
fein in Kohle ausgeführt, den Michelangelo dem Bartolommeo Bettini
schenkte". In der zweiten bezeichnet er die Komposition etwas
näher: „eine Venus mit dem Kupido, der sie küsst, ein göttliches
 
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