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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Contr.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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Mythol. und allegor. Gemälde, Zeichnungen, Entwürfe

sagt dies schliesslich nicht viel und kann mich nicht hindern, das
Blatt dem Meister zuzuschreiben. Sollten wir in ihm etwa eine
Vorlage für Valerio Belli (s. unten) zu erkennen haben?
Somit muss ich in der künstlerischen Gestaltung des Vorwurfes
drei Phasen annehmen, welche uns verdeutlicht werden
I. durch die zwei Zeichnungen in den Uffizien und bei Mr. Robinson,
2. durch die Zeichnung des Kodex Vallardi und
3. durch die Zeichnung in Windsor, welche die definitive Fassung
bringt.
Die Entwicklung nimmt den Weg von der Auffassung gewalt-
samer Entführung zu derjenigen selig freier Entrückung. Die Ver-
götterung des geliebten jungen Freundes, die aus den an ihn ge-
richteten Briefen und Gedichten spricht, fand so ihren leicht ver-
ständlichen bildlichen Ausdruck.
Wickhoff denkt an zwei dem Cavalieri gewidmete Sonette des
Meisters. In dem einen (Guasti XXX. Frey CIX, 19. Thode I,
161) heisst es:
Volo con le vostr' ale senza piume;
Col vostro ingegno al ciel sempre son mosso.
In dem anderen (Guasti XXXII. Frey XLIV. Thode II, 146):
S'un anima in duo corpi e fatta eterna
Ambo levando al cielo e con pari ale.
Ein Blatt in Oxford (Nr. 57), welches Zeus, den Ganymedes
umarmend, zeigt, ist mit Recht übereinstimmend von allen neueren
Forschern aus dem Werk des Meisters ausgeschieden worden.
IX
Tityos
Wie der Raub des Ganymed, wurde auch diese Zeichnung Ende
1532 von Michelangelo für Cavalieri angefertigt. Im Auftrage des
Kardinals Hippolyt Medici — im „Leben des Valerio Vicentino
und Anderer", V, 374 sagt Vasari irriger Weise, der Meister habe
die Zeichnung für Hippolyt angefertigt — hat Giovanni Bernardi
1533 die Komposition in Krystall geschnitten, die auch als Kupfer-
stich im Verlag von Antonio Lafreri vervielfältigt ward (V, 431).
Die Originalzeichnung, bezüglich deren Ächtheit nur
Springer Bedenken gehabt hat, befindet sich in Windsor (Thode
540; Ber. 1615; Phot. Br. 109; Abb. Ber. Pl. CXLIII; Frey 6: im
Gegensinne). Der jugendliche Titan von herkulischen Formen liegt
auf einer felsigen Bodenerhöhung, die isolirt wie das Postament
einer Statue wirkt, das rechte Bein etwas gekrümmt ausgestreckt,
das linke aufgestemmt, den zurückgebogenen linken Arm an den
Stein gefesselt, mit der Rechten den Adler zurückdrängend. Dieser,
 
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