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Thode, Henry; Michelangelo; Michelangelo [Mitarb.]
Michelangelo: kritische Untersuchungen über seine Werke; als Anhang zu dem Werke Michelangelo und das Ende der Renaissance (Band 2) — Berlin: Grote, 1908

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4i8 Gemälde, Zeichnungen und Entwürfe religiösen Inhaltes

oben gerichtet, zwischen den zwei symmetrisch angeordneten Rädern,
die hl. Katharina. Wie vom Blitz getroffen, taumeln die zwei Schergen
am linken Rade, am rechten ist der eine auf die Kniee gesunken,
der andere sucht sich gegen den Blitz mit den Armen zu schützen.
Seitwärts flieht links ein Mann nach hinten, rechts eilen zwei Ge-
stalten aus dem Gebäude heraus, Im Vordergründe links eine zu
Boden gesunkene Figur, rechts eine, wie es scheint, sitzende.
Die Bewegungsmotive der Schergen erinnern mehrfach an jene
Skizzen erschreckter Männer, die ich bei der Besprechung der
Fresken in der Cappella Paolina erwähnte (s. oben S. 80 Casa Buon.
V, 17, 18. VIII, 38. XIII, 67, 68), die Katharina in der Inbrunst
ihres gläubigen Himmelanschauens an die Rahel des Juliusdenkmales.
Sehr auffallen muss es nun, dass nicht eine der Figuren in
Bugiardinis Gemälde wiederkehrt, die Zeichnung also von Jenem
nicht benutzt worden ist. Es macht demnach den Eindruck, als
habe Michelangelo, angeregt durch die Konsultation, nur sich selbst
zu Liebe sich in einem Entwürfe versucht. Hingegen stimmt die
reihenartige Anordnung der fallenden und flüchtenden Soldaten im
Vordergründe des Bildes zu Vasaris Erzählung. Aber Letzterer
hat Recht, wenn er sagt, von Michelangelo sei Nichts mehr in ihnen
zu gewahren. Die Ausführung der vom Meister angegebenen Motive,
die man bei gutem Willen noch erkennen mag, ist, namentlich bei
den stark verkürzten Figuren, missglückt. Nur der Kultus Michel-
angelos erklärt die Äusserung Francesco Bocchis (Le bellezze della
cittä di Firenze, 1591): „vi sono da basso molte figure di eccessiva
bellezza, disegnate di mano di Michelagnolo Buonarroti, delle quali
alcune scortano con mirabile industria et da quelli che sono inten-
denti sono tenute in molto pregio."
Im Übrigen verlangt das Gerechtigkeitsgefühl, dass man das
auf ein hohes Ziel grosser Wirkung von Raum und Licht gerich-
tete Streben des guten Bugiardini anerkennt — es schwebte ihm,
möchte ich sagen, Etwas im Sinne der späteren Tintoretto'schen
Kunst vor Augen, und seine kleine rührende Heilige, wie der ihr
erscheinende Engel, verdient einen freundlich theilnahmvollen Blick
des Betrachters.
III
Unausgeführte Aufträge auf Gemälde
Wo es sich um Briefe handelt, in denen die Aufträge gegeben
werden, gebe ich dieselben wörtlich, weil sie, für den Künstler,
für die Auftraggeber und für die Zeit charakteristisch, uns auf das
Lebhafteste in die verschiedengearteten Beziehungen zwischen dem
Künstler und seinen Bewunderern einführen.
 
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