Die hl. Familie, gen. „Il Silenzio"
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das Lamm mit der Siegesfahne. Das Bild stammte aus Messina
und soll sich früher in der Sammlung Murats befunden haben.
Eine ausführliche Schilderung der Komposition nach dem Bilde
in Düsseldorf hat Wilhelm Heinse im August 1776 Gleim gemacht.
(Sämtliche Schriften, Leipzig 1857, V, 125 ff.) Von der Mutter
und dem Kinde sagt er: „Eine Lage, die nicht reizender sein kann
und die die schönste ist, die ich je von einem schlafenden Kinde
gesehen! Über seinem rechten Ohre hält die Mutter die linke
Hand zum Griffe bereit, in Besorgniss, sein Schläfchen zu unter-
brechen, das er so im Spielen erhascht, und in zarter Mutterliebe,
dass er fallen möchte, welches gar leicht geschehen könnte. Aus
ihrem schönen Gesichte leuchtet so viel Unschuld (reines Gewissen
von ehelicher Untreue, denn das ist der eigentliche Ausdruck darin),
Güte und Schönheit von innen, dass nichts Widriges und Falsches
kann entdeckt werden." Von Joseph sagt er: „er hat einen röth-
lichen, hier und da verschossenen Hausrock an, darüber ein gelber
Mantel hängt, als ob er ausgewesen, was bestellt hätte und wieder-
gekommen wäre. Auf dem Kopfe hat er eine rothe Kappe auf-
gesetzt und betrachtet daraus, mit einem ehrlichen, trefflichen alten
Zimmermannsgesichte, den kleinen Schlafenden, als ob er dächte:
,Sonderbar; ja sonderbar und unbegreiflich! und doch Alles wahr
und richtig, und kann nicht anders sein!' — Wahre Natur, wie
sie ist!"
„Das schlafende Jesuskind ist das Schönste des Stückes, ein
Meisterstück an reizender Lage, vollkommner Zeichnung und wohl-
gegebnem Licht und Schatten; und die Einheit, die Seele des
Ganzen, worauf sich alles Andere bezieht und harmonirt, wie auf
Herrscher und Monarch. Aus seinem Gesichte dämmert Majestät
von Gottheit aus, und seinem Schläfchen sieht man's an, dass
es nur eine kurze Rast ist vom Tragen der Weltsünde.
„Es ist zum Erstaunen, wenn man dies beinahe Unmögliche
blos in der Vorstellung, zwischen Vater, Mutter und Kind, durch
die kleinscheinende Erfindung einer nachlässigen und gefähr-
lichen Lage im Schlafe nicht allein möglich, sondern auf das
Reizendste dargestellt sieht; und wie die gewöhnliche Stille
des Menschen um ein schlafendes Kind so leise (und
unbemerkt) mit Demuth und Liebe vor Gott verpaart
(und dahinein verwandelt) worden; und das grosse Geheim-
niss, wie hervorbrechende Knospe im Thau des ersten
Morgenroths, erscheint."
Vergleicht man die verschiedenen Kopien, so ergiebt sich der
Rückschluss auf ein Vorbild, wie es die Lawrence'sche Zeichnung
zeigt. Die originelle Michelangeleske Kopftracht und das Motiv
des über den Kopf gezogenen Thierfelles bei Johannes, die in
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das Lamm mit der Siegesfahne. Das Bild stammte aus Messina
und soll sich früher in der Sammlung Murats befunden haben.
Eine ausführliche Schilderung der Komposition nach dem Bilde
in Düsseldorf hat Wilhelm Heinse im August 1776 Gleim gemacht.
(Sämtliche Schriften, Leipzig 1857, V, 125 ff.) Von der Mutter
und dem Kinde sagt er: „Eine Lage, die nicht reizender sein kann
und die die schönste ist, die ich je von einem schlafenden Kinde
gesehen! Über seinem rechten Ohre hält die Mutter die linke
Hand zum Griffe bereit, in Besorgniss, sein Schläfchen zu unter-
brechen, das er so im Spielen erhascht, und in zarter Mutterliebe,
dass er fallen möchte, welches gar leicht geschehen könnte. Aus
ihrem schönen Gesichte leuchtet so viel Unschuld (reines Gewissen
von ehelicher Untreue, denn das ist der eigentliche Ausdruck darin),
Güte und Schönheit von innen, dass nichts Widriges und Falsches
kann entdeckt werden." Von Joseph sagt er: „er hat einen röth-
lichen, hier und da verschossenen Hausrock an, darüber ein gelber
Mantel hängt, als ob er ausgewesen, was bestellt hätte und wieder-
gekommen wäre. Auf dem Kopfe hat er eine rothe Kappe auf-
gesetzt und betrachtet daraus, mit einem ehrlichen, trefflichen alten
Zimmermannsgesichte, den kleinen Schlafenden, als ob er dächte:
,Sonderbar; ja sonderbar und unbegreiflich! und doch Alles wahr
und richtig, und kann nicht anders sein!' — Wahre Natur, wie
sie ist!"
„Das schlafende Jesuskind ist das Schönste des Stückes, ein
Meisterstück an reizender Lage, vollkommner Zeichnung und wohl-
gegebnem Licht und Schatten; und die Einheit, die Seele des
Ganzen, worauf sich alles Andere bezieht und harmonirt, wie auf
Herrscher und Monarch. Aus seinem Gesichte dämmert Majestät
von Gottheit aus, und seinem Schläfchen sieht man's an, dass
es nur eine kurze Rast ist vom Tragen der Weltsünde.
„Es ist zum Erstaunen, wenn man dies beinahe Unmögliche
blos in der Vorstellung, zwischen Vater, Mutter und Kind, durch
die kleinscheinende Erfindung einer nachlässigen und gefähr-
lichen Lage im Schlafe nicht allein möglich, sondern auf das
Reizendste dargestellt sieht; und wie die gewöhnliche Stille
des Menschen um ein schlafendes Kind so leise (und
unbemerkt) mit Demuth und Liebe vor Gott verpaart
(und dahinein verwandelt) worden; und das grosse Geheim-
niss, wie hervorbrechende Knospe im Thau des ersten
Morgenroths, erscheint."
Vergleicht man die verschiedenen Kopien, so ergiebt sich der
Rückschluss auf ein Vorbild, wie es die Lawrence'sche Zeichnung
zeigt. Die originelle Michelangeleske Kopftracht und das Motiv
des über den Kopf gezogenen Thierfelles bei Johannes, die in