Tac eszMmg für die werktätige Bevölkerung der Amtsbezirke Heidelberg, Wiesloch, Sinsheim, Äppingerr, Sberbach, Mos-ach, Buchen, Adelsheim, B-F-erg
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Heidelberg, MitiVsch, -13. April
Nr. SS * 3. Jahrgang
Derantwotti.: Für innere u. Süßere Politik, Volkswirtsihafi und Feuilleton,'
Dr. Kraus,- für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales-
O. Geibel; für die Anzeigen: H.Horchler, samt!, in Heidridorg.
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Ak ö«N Vl AklMKM.
Kr. Heidelberg, dm 13. April.
Ts zeigt sich immer mehr, daß alle die großen Fragen der
Gegenwart — soziale Revolution, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise,
Wiederaufbau, Valuta u. a. m. —- internationale Fragen sind, die
nur international gelöst werden können. Weder die Imperialisten
noch die Kapitalisten haben bisher eine Wsung dieser Fragen ge-
sunden, nicht einmal angebahnt, weder der Oberste Wirtschaftsrat,
noch der Völkerbund noch die Brüsseler Finanzkonferenz. Sv in-
ternational das Kapital an sich ist, wenn es gilt, über die natio-
nalen Grenzen hinweg Anlage- und damit Pwfitmöglichkeiten zu
suchen, so groß sind die Gegensätze der einzelnen Kapitalistengruppen
im Kampfe um die Absatzmärkte. Umgekehrt bei der Arbeiterschaft:
so immobil sie. dank ihrer sozialen Lage M, so eng sie auf Gedeih
und Verderb mit ihrer nationalen Volkswirtschaft verkettet ist, so
weiß sie doch und erkennt sie von Tag zu Tag mehr, daß ihre
Klassenlage ein internationales Problem ist und daß ihr sozialer
Aufstieg, die Beseitigung der Ausbeutung durch das Kapital, der
Krisen mit ihrer Arbeitslosigkeit nur auf internationaler Basis zu
lösen sind. Aus diesen Tatsachen heraus ist die Arbeiterinternatiö-
nale erwachsen, ist zu verstehen, daß diese Internationale trotz der
Schwächungen durch den Weltkrieg heute wieder von Tag zu Tag
mehr an Bedeutung gewinnt.
Immer wieder bekommt man aus bürgerlichen Kreisen zu
hören, wie ohnmächtig die Arbeitsrinternationale sei, wie jämmer-
lich sie im Kriege versagt habe und heute noch versage, wie der eng-
lische und französische Arbeiter in erster Linie Engländer lind Fran-
zose sei und keine Hand für das arme Deutschland rühre. Mit der-
artigen Phrasen hofft man die Arbeiter vor seinen nationalistischen
Karren spannen zu können, denn meistens wird dieser Kampf von
Leuten geführt, die das allergrößte Interesse am Versagen der
Internationale haben, und leider gibt es immer noch ungeschulte
Arbeiter^ die aus eine derart verlogene Demagogie hereinsallsn.
Umso erfreulicher ist es, daß gerade in den letzten Wochen d i e
Arbeiterinternationale wieder in den Vordergrund des
Interesses gerückt ist, daß, sie sich ihrer Aufgaben durchaus gewach-
sen gezeigt hat, daß sie weiß, w a s sie will und wie sie die großen
wirtschaftlichen und politischen Fragen der Gegenwart lösen will.
Wir haben bereits an dieser Stelle die Amsterdamer Beschlüsse der
2. Internationale und der GewerkschaitÄnternationale besprochen;
inzwischen sind auch die Wiedergutmachungsvorschläge der (unab-
hängigen) internationalen sozialistischen Arbeitsgemeinschaft bekannt-
geworden, die ebenfalls eine beachtenswerte großzügige Lösung der
Wiedergutmachungsfrage darstellen und deren Bedeutung vor allem
darin beruht, daß sie die llnterschrift der sranzösischen
Sozialdemokratie (Longuet, Aurivl usw.) tragen. Heute
liegt uns das Manifesi der englis chen Arbeiterpar -
tei über
Arbeitslosigkeit, Frieder; Md EnischMgrmgsfrage
vor als neuer glänzender Beweis dafür, wie stark dis internationale
Erkenntnis der Arbeiterklasse ist, und wie verlogen und oberfläch-
lich das Gerede vom Rationalismus der Ententearbeiterschaft ist.
Die englische Arbeiterschaft erkennt ganz klar, daß die englische
Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit ihre Ursachen im Weltkrieg,
in den Friedensverträgen und der Gewaltpolitik der Entente hat
und in Konsequenz daraus fordert sie: Revision der Frie-
densvsrträge, gemsinwirtschaftliche Weltpolik.
. „Jedermann weiß, daß als Folge des Krieges, der Blockade
und des Friedens der ganze europäische Kontinent verarmt ist.
Jeder erkennt, wenn auch unklar, daß ein Zusammenhang besteht
zwischen der Unfähigkeit dieser verarmten Millionen, unsere Waren
.zu kaufen, »mb Ker Arbsitslosigkeil hierzulande." Mit diesen lapi-
daren Sätzen 'wird das Minifest eröffnet. Die Verarmung des
Kontinents, die Notlage insbesondere Mitteleuropas und Ruß-
lands wird als Ursache der Wirtschaftskrise der Siegermächte er-
kannt. An der Hand einer kurzen anschaulichen Statistik wird nach-
gewiesen, daß England im Jahrs 1920 auf direktem Wege noch
nicht ein Zehntel dessen nach russischen, deutschen und öster-
reichisch-ungarischen Häfen verfrachtet hat, was es im Jahre 1913
hinaussandte; seine Ausfuhr nach Mitteleuropa und Rußland be-
trug im Jahre 1920 auf Borkriegspreise umgerechnet 15 Prozent
seines Exports im Jahre 1913, die nach Deutschland beträgt heute
weniger als ein Siebentel der Vorkriegsausfuhr. Speziell über
die Lage Deutschlands sagt das Manifest:
„Deutschland, bas Produktionszentrum Europas, arbeitet heute
unter der schweren Belastung des Versailler Friedens. 'Wir wollen
uns nicht in einen Streit darüber einlassen, inwieweit man ein Recht
hat, eine ganze Nation, mit Einschluß der hilflosen Kinder der Ar-
beiterklasse, für einen Krieg zu bestrafen, in den — wie Lloyd George
uns jetzt sagt — sogar ihre Regierung nur „hineingeschlittert" ist.
Es genügt, zu beweisen, daß die wirtschaftlichen -Folgen der Straf-
maßnahmen die ganze zivilisierte Welt, mit Einschluß unseres eigenen
Landes, treffen werden. Daß die größte Produktionswerkftstt Euro-
pas in diesem Augenblick der Weltknappheit lchmgelegt wirb, ist ein
Unglück für Alle."
Sehr scharfe Worte der Verurteilung findet die englische Ar-
beiterschaft gegen die Pariser Icmuarbeschlüffs der Entente. An
Hand der deutschen Ein- und Ausfuhüstatistik und durch Vergleich
mit den 'Friedensverhältnissen 'wird nachgewiesen, daß Deutschland
einfach ökonomisch diese Forderungen nicht erfüllen kann, daß „die
Alliierten hier mit ganz phantastischen, tatsächlich nicht vorhandenen
Summen spielen".
„Bom Standpunkt des Außenhandels aus betrachtet, bedeutet
eine Entschädigung unbezahlte Exporte, die ohne eine Gegenleistung
än Einfuhrgütern qusgesützrt werden. Vom Standpunkt der Binnen-
wirtschaft heißt das, daß die Zahlungspflichtige Nation auf dem Wege
der Besteuerung die Waren, die Löhne der Arbeiter Md die
Ein Manifest des englischen
ArLeiLerdreibundes gegen Lloyd George.
London, 12. April. Der Arbeiterdreibund veröf-
fentlicht ein Manifest, in dem es heißt:
Wenn den Bergarbeitern nicht ei» Angebot gemacht wird, des-
sen Annahme ihre Verbündeten im Arbeiterdreibrmd ihnen em-
pfehlen können, wird eine Einstellung der Arbeit der
Eisenbahner und Transportarbeiter beginnen. Die
Berantworkung der Regierung für die augenblicklichs
Lage fei sogar großer als die der Bergwerksbesitzer. Der Premier-
minister habe bis organisierte Arbeiterschaft sngeklagt, daß sie das
Lebe» der Nation bedrohe. Wenn das Leben der Ratio»? bedroht
sei, sei es nicht durch die Arbeiterschaft, sondern durch, Lloyd
George und durch die R sgieru n g, dessen Haupt er sei.
Während die Regierung vom Frieden rede, ermutige sie de» Krieg.
Außer der 'Einberufung der Reserven Habs die Regierung e'me frei-
willige Streitkraft gebildet als Werkzeug, das gegen die Arbeiter-
schaft angewendtzt werden soll. Dadurch habe sie die ernste Verant-
wortung auf sich genommen, Blutvergießen und Bürgerkrieg
hsrauszufvrdern. .
Das Manifest schließt, im Hinblick auf die deutlich bewiesene
Feindseligkeit der Regierung gegen die Arbeiterklasse habe der Ar-
bsiterdreibund beschlossen, sein ganz es Gewicht auf die
Seite der Bergarbeiter zu werfen.
Sozialdemokratie Mrd Sorrdergerichts.
Berlin, 12. April. (Priv.-'Tei.) Der sozialdemo-
kratische Parteivorstand hat zu der Einsetzung von Son-
dsrgerichten in einer Erklärung Stellung genommen, in der es heißt:
„Der sozialdemokratische Parteivorstcmd erachtet es für unmög-
lich, einer Justiz, die seit Jahren mit dem Rechtsgefühl weiter
Volkskreise immer wieder in schärfsten Gegensatz geraten ist, so un-
erhört weitgehendeVollmachten anzuvertrauen, wie sie
der Verordnung des Reichspräsidenten vom 29. März 1921 Vor-
sicht. Auch wenn anerkannt wird, daß gegenüber den Massenver-
brechen des Märzaufruhrs gerade zu Gunsten der Beschuldigten im
Interesse der Beschleunigung des Verfahrens das Schwurgericht
und das Reichsgericht durch weniger schwerfällige und überlastete
Gerichts ersetzt werden müssen, brauchen diese Gerichte nicht soweit,
wie die Verordnung es zuläßt, sich von der ordentlichen Gerichts-
barkeit zu entfernen, sie können vielmehr als besondere Drei-
nr ä n n e r st r a f k a m m e r n den Landgerichten angegliedsrt wer-
den." Die Erklärung beanstandet dann die verschiedenen Einzel-
heiten der Verordnung über die Sondergerichte, so ihre Aus-
dehnung auch auf diejenigen Bezirke, in denen es keinen Aus-
nahmezustand gibt, die Abkürzung des Ermittlungsverfahrens, die
Beschränkung der Verteidigung des Angeklagten und
die Unterstellung der Jugendlichen unter die Sondergerichte und
betont zum Schluß, dringender als die Einrichtung außerordent-
licher Gerichte wäre eine andere Aufgabe gewesen, zu der die
Reichsregierung durch einen einstimmigen Beschluß des Reichs-
tages verpflichtet sei, die Revision der Bestimmungen
über den Waffen gebrauch des Militärs und der Polizei
bei Fluchtversuchen.
Gewinne der Kapitalisten, die die Exportgüter produzieren, aufbrin-
gen muß."
Sehr eingehend wirb gezeigt, daß in letzter Linie die Arbeiter-
schaft Mitteleuropas die leidtragende Klasse dieser Beschlüße sein
muß. Mas von Deutschland immer, wieder behauptet worden ist,
daß dis Pariser Beschlüsse eine Versklavung gerade der deutschen
Arbeiterschaft auf Jahrzehnte hinaus bedeutet, findet in dem Ma-
nifest ein lautes Echo, wenn es da heißt: „Die Entschädigung kann
nur gezahlt werden durch den Export von im Grund durch G e -
fange» enar beit hergestellten Ware», die von ausgsprchte»
Arbeiter» unter EüMarschdrohrmgerr produziert werden."
Im letzten Abschnitt werden auf Grund all der hervorge-
hobenen Erkenntnisse folgende Forderungen erhoben: Revision des
Versailler Friedensvertrags auf einer Grundlage der Gerechtigkeit,
wiesis die Deutschenselber billigen und ohne dau-
ernden Zwang such ausführen würden, Freigabe des Anschluffes
Oesterreichs an Deutschland, Schluß mit den kostspieligen Aben-
teuern in Persien und Mesopotamien, gemeinwirtfchaftliche Be-
wirtschaftung der Rohstoffs durch eine iMernatisnale AutoriM,
SKtsprschend den Bedürfnissen jeder Nation. Mit sicherer Hand
wird die imperialistische Tendenz des gegenwärtigen Hochkapitalis-
mus getroffen: „Wir lehnten ab, zu glauben, daß Kriege verhindert
und 'Röstungen vermindert wären, wenn die Mächte ihre Politik
des wirtschaftlichen Imperialismus fortsetzen, indem sie Territorien
an 'sich rissen, um die Rohmaterialien zu monopolisieren. Die Ge-
schichte der halben Welt hat sich in den letzten Jahren um Kohle,
Eisenerz und Oels gedreht." Damit trifft dis englische Arbeiter-
schaft den Punkt, an dem wir Sozialisten uns von jedem bürger-
lichen Pazifismus scheiden: Völkerbund, Schiedsgericht, internatio-
naler Gerichtshof werden nicht genügen zur Verhinderung der
Kriege, so lange nicht die WirtschaftsgegLksätzs'der Rationen durch
eine internationale Wirtschaftsgemeinschaft, insbesondere eine soll-
bare Rohstvffhewirtschaftung aus der Weit geschafft werden. In-
dem die starke und einflußreiche englische Arbeiterpartei diesen Ge-
danken in den Vordergrund stellt, indem sie die englischen Wirt-
schaftsnöte der Gegenwart in Zusammenhang mit der internatio-
nalen Wirtschaftskrise, insbesondere mit der Lage in Mitteleuropa
bringt, hat sie ein gewaltiges und dankenswertes Verdienst
uni die Stärkung und Förderung der Arbeiterinternationale er-
worben. Wir wollen nur hoffen, daß sowohl von der englischen
und Ententepolitik wie von der deutschen 'Regierung in der nächsten
Zeit diese Forderungen und Richtlinien der Internationale nicht
nur beachtet werden, sondern daß auf ihrer Grundlage eine Lösung
der gegenwärtigen Krise, der Ausweg aus dem Chaos versucht
wird, - Ä:
Politische Ueberstcht.
Das neue preußische Kabinett.
Nach dem Berl. „Lvkalanz." und dem „Vorwärts" ist fol-
gende Liste die wahrscheinliche: Präsidium und Volkswohlfahrt
Stegerwald. Inneres Severing, Hande! Fischbeck, Kul-
tus Hänisch, Justiz Am Zehnhof, Finanzen ein Beamter,
ebenso Landwirtschaft. Braun dürfte als Minister ohne Portefeuille
dem Kabinett angehören. Er wird wahrscheinlich Vizepräsident des
Staatsministeriums und wird gleichzeitig mit der. Vertretung der
preußischen Regierung im Reichsrat betraut werden, um so die Ver-
bindung zwischen der preußischen und der Reichsregierung herzu-
sii-Ven und aufrechtzuerhalten.
Badische Politik.
Reichskanzler Fchrenbach beim bad. Staatspräsidenten.
Karlsruhe, 12. April. Reichskanzler Fehrenbach
hotte gestern nachmittag in Baden-Baden eine Zusammenkunft mit
dem badischen Staatspräsidenten Trunk. Kurz nach 6 Uhr trafen
die beiden Herren in Baden-Oos ein und erwarteten in dem von
Basel kommenden Schnellzug den aus der Schweiz Zurückkehrenden
Außenminister Dr. Simons. Staatspräsident Trunk
begleitete die beiden Reichsbeamten im Zuge bis Karlsruhe, von wo
Reichskanzler Fehrenbach und Außenminister Dr. Simons die Wei-
terreise nach Berlin fortsetzten.
lieber Entstehung und Entwicklung der Fideikommisse
sprach am Montag abend Geheimrat Prof. Goth ein-Heidel-
berg in einer Zusammenkunft von Abgeordneten und einer Reihe
Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in den Räumen des Staats-
ministeriums. Einleitend wies der Redner auf den Einfluß aller
Revolutionen auf die Vereinigung von Feld und Land hin. So
zeigt sich der Resormgeist auch bei den Fideikommissen, deren Auf-
hebung bereits die Verfassung vorsah und die nunmehr durch das
kommende 'Gesetz über dre Aufhebung der Stammgüter Tatsache
werden soll. Es war eine Grundeigentümlichkeit des deutschen
Rechtes, das Familienerbrecht zu schützen. Der alte Zustand der
Hausgenoffenschaft verfiel jedoch schnell; damit war eine Güter-
zersplitterung verbunden. Auf den Rittergütern bildete sich all-
mählich ein Hvfrecht aus; die Gefahr einer Zersplitterung des
Bodens war aber auch hier gegeben. Als Gegengewicht bildete
sich dann das Recht der geschlossenen Hofgüter aus. Sv blieb aus
volkswirtschaftlichen Gründen dieses Sonderrecht, die Unteilbarkeit
des Lehens, bestehen. Wer selbst als der Lehenszweck gefallen
war, ließ man das Sonderrecht bestehen, wobei sich die Reste des
Lehenssystems in den Stammgütern fortsetzten. Eine deutschrecht-
liche Quelle des Fideikommisses nachzuweisen, ist gescheitert; es ist
spanischen Ursprungs. Während Baden im politischen Sinne als
liberales Land vorbildlich war, statuierte man anderseits das be-
sondere ritterliche Erbrecht der Standesherren als ausschließliches
Adelsrecht, Stammgüter zu errichten. Nach der neuen Verfassung
kann jedoch dieses Sonderrecht nicht weiter bestehen und ein unhalt-
bar gewordener Zustand wird beseitigt.
Vorn Schuldkonto der Vergangenheit.
Die „Süddeutsche Zeitung" hält es für angebracht,
die harte Situation der Zeit der -Sanktionen dazu zu benutzen, ihre
Auffassung über den Zusammenbruch zu propagieren, vermutlich
um damit die Möglichkeit einer „Einheitsfront" drastisch zu illu-
strieren. Wir vermögen ihr im Augenblick im Interesse der Außen-
politik auf diefem Gebiete nicht zu folgen, so leicht uns auch die
Feststellungen über dis Schuldfrage fallen . Dagegen halten wir
es für gut, im jetzigen Moment darauf hinzuweifen, wie es das
von den Deutschnationalen so verherrlichte monarchische System'
war, welches das deutsche Volk systematisch verdummte
und es damit unfähig machte, sich ein eigenes Urteil
über die Außenpolitik zu bilden, nachdem der Glaube
wachgerufen war, das Götzenbild „der deutsche Kaiser"
werde es schon machen. Wie weit die „b o ru ss i s ch e L e g e n d e"
und die Selbstvergötterung diese Urteilslosigkeit des deutschen Vol-
kes bzw. vor allem des Bürgertums und des Adels bewirkte, zeigt
trefflich KurtAmendin seinem Buche „D asalteSyste m",
indem er schreibt:
Ganz systematisch hat der Kaiser unserem Volke einzureden
versucht und auch mit Hilfe willfähriger -Beamter und Gelehrter
tatsächlich eingeredet, daß wir Deutschen das auserwählte Volk
der 'Erde seien, daß die Preußen dm vornehmste» Rang innerhalb
der 'Deutschen einnehmen, daß Adel und Militär bei uns v »'n
vornherein ein höher geartetes Menschentum
darstellen, und daß Deutschland alles und jedes der Weisheit und
den Herrschertugenden der Hohenzollern zu verdanken habe. Nach
dieser „borussffchen Legende", die namentlich in Preußen, leider
aber auch in einzelnen Bundesstaaten, mit Ausdauer und Eifer
gepredigt wurde, empfingen alle Schichten des Volkes, voran das
Militär und Beamtentum, Schüler und Kirchengänger, die Lehre,
daß es auf der ganzen weiten Welt überhaupt nur zwei Glück -
ssligkeiten gäbe: nämlich Soldat zu sein und den Hohenzollern
dienen zu dürfen. Die deutsche Geschichte wurde gründlich gereinigt
und umgepflügt; es mußte alles hinaus, was die göttliche Sendung
der Hohenzollern nur irgendwie in Frage stellte, und es wurde
schließlich eine 'Geschichtsdarstellung beliebt, die letzten Endes nichts
anderes war, als eine zu dynastischen Selb st v e r g ö t t erung s-
zwecken unternommene Geschichtsfälschung.
In den Musterungen und Kundgebungen des Kaisers finden
sich Hunderte von Beispielen für jenes System der Selbstvergötte-
rung, das er sich zur Verherrlichung seiner Persönlichkeit ersonnen
hatte. Die Tatsache z. B., daß er mit der Kaiserin dem 75. Stif-
tungsfeste des Korps „Borussia" anwohnl, wird nach seinen Wor-