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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 91 - Nr. 100 (20. April - 30. April)
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Tsßeszeiirmg für die werttLiige BevölksmKg der AMLsöezirke Heidelberg, Meswch, «Sinsheim, E-pingsrr, GSechaH, Mssöach, Buchs», Adelsheim» BsB^z
TÄuSeBischofsheim nnd WseiHZim.






Le?vasprcls: Monatlich einschl. Trägerlohn 2.— Ml. Anzsigrivi-sifr:
Die (lnspoliwe Petitzelle (36 mm brsit) 8!) psg., Retlame-Nnzsi'gs!,
P9 mm breit) 2.20 M. Lei Wiederholungen Nachlaß nach Tarif
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Eeschäfisstunden: 8- '/s6Uhr. Sprechstunden derRrdakliom 11 -12 lir.
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HZiKeOsrg, Zrsiisg, 29. April "192 kl
Nr. 9S » Z. Zahrggng

Bsraniwortl.: Für inneren. SuFere?»liti?, Ä»WwirtHafk und Feuilleton?
Dr. Krauj- für Kommunales, soziale Rundschau und Lokales:
O. Geibel; für die Anzeigen: A.Korchler, samtl. in »Zrideioerz.
OmckundÄerlaz der tlnteroadiHeu Jerlazsanstalt A.m.b.H.,Hridsiöerg
Geschästsstslle: Gchrsderstraßs zs.
d Fernsprecher: Auzeigen-Ännabme 2SlZ>ReöM'on 2S1S.

Politische Ueberficht.
Eine Wsitsre SLimme zur FriedeKssaZstags
der Kaiserlichen KegierrMg.
Ein neues Scheidemarm-Buch.
Der gerade -jetzt unerhört sich geltend machende Druck der En-
tente aus Deutschland läßt immer wieder die Frage wach werden:
'Mußtees dahin kommen, hätte der Krieg nicht vor dem völligen
Zusammenbruch Deutschlands beendet werden können?
Bekanntlich liefen im Jahre 1917 eine Anzahl Friedens-
vermittlungen. Die Sozialdemokratie bemühte sich
um den Frieden, aber die für Juni 1917 geplante Stockholmer Kon-
ferenz scheiterte. Danach war es der -Papst, der die Friedens-
bemühungen aufnahm, aus achtenswerten Motiven, wenn auch ein
gewisses Bedürfnis mitgesprochen hat, die Sozialdemokratie nicht
als die einzige friedensfördernde Macht erscheinen zu lasten.
Aber -jedenfalls waren die päpstlichen Friedensbemühungen durch-
aus ehrlich gemeint. Auch, sie scheiterten zum großen Teil an der
Schuld der wilhelminischen Diplomatie, die zwar
die Oessentlichkeit glauben machen wollte, daß sie die päpstliche
Friedensbemühung unterstützte, sie aber in Wirklichkeit zielbewußt
sabotiert hat.
Diesen Nachweis erbringt eine neue Schrift des Genossen
Scheidemann: „Papst, Kaiser und Sozialdemokratie in ihren
Friedensbemühungen im Sommer 1917" -(Verlag für -Sozialwisten-
fchast). An -der Hand genauen Materials zeiHt diese Schrift, daß
die Michaelis -und Kühlmann, dirigiert von der all-
deut ch-militaristischen Klique, nicht nur die Oessent-
lichkeit, sondern auch die parlamentarische Vertretung
des deutschen Volkes in der unglaublichsten Weise hinter das
-Licht geführt haben.
Wilhelm ll. war 1917 ursprünglich sehr pessimistisch und frie-
densbedürftig. Er bezeichnete die Friedensbemühungen der Sozial-
demokratie als ein großes Verdienst und ermunterte die
päpstliche Friedens-Vermittlung lebhaft. Aber dann erging es ihm
wie dem „schlappgewordenen Kronprinzen", er wurde von der all-
deutschen Klique „ausgepumpt". Der Hofgeneral v. Pl essen
steckte dem Kaiser ein anonymes Schreiben, wonach England „in
feiner Todesangst" die Vermittlung des Vatikans als letzte Rettung
ansehe. Das Eingehen Englands auf diese Vermittlung fei nur
„das sichere Zeichen, wie schlimm es mit England stehe". Darauf-
hin schwenkte Wilhelm, haltlos wie immer, wieder völlig uvr.
Der Verhandlungsvorschlag des Papstes vom Sommer 1917
umfaßte sieben Punkte, darunter als vierten die völlige Wie-
de rh e r st e ll u n g Belgiens. Aber obwohl die päpstlichen
Vermittler keinen Zweifel daran ließen, daß ohne die Annahme
dieses Punktes durch Deutschland die Griebensbemühung geschei-
tert sei, obwohl sie die deutsche Diplomatie immer wieder beschwo-
ren, jede -Einschränkung und Verklausulierung in diesem Punkte zu
unterlasten, konnten die Zimmer mann, Michaelis, Kühl-
nr a n n ustv. unter dem Druck der deutschen 'Annexionspolitiker sich
zu keiner klaren Antwort aufraffen. Herr Michaelis —
welch geistiger Horizont enthüllt sich hier! — wollte die ganze päpst-
liche Friedensvermittlung nur benutzen, um sie in einer Art scheitern
zu lasten, die den Gegner ins moralische Unrecht setze. Er
beschloß deshalb, die Angelegenheit „dilatorisch, d. h. ver-
schleppend zu behandeln, wie ja dann die Antwort an den
Papst tatsächlich in der unglaublichsten Weise verzögert wurde.
Selbst das verbündete Bulgarien mahnte die deutschen Diplo-
maten, auf die päpstliche Griedensvermittlung einzugehen, aber im
Auswärtigen Amt konnte man sich nicht entschließen, den auf die
flandrische Küste erpichten Annexionspolitikern den Stuhl vor die
Tür zu setzen. Aus persönlicher Erinnerung schildert Scheidemann,
wie Kühlmann ihn mit allen Mitteln abhalten wollte, im Reichstag
eine unzweideutige Erklärung der Regierung bezüglich Belgiens zu
fordern. Kühlmann raunte schließlich mit geheimnisvoller und
feierlicher Geste, in drei bis vier Wochen würden bereits direkte
Verhandlungen mit England über diesen Punkt im Gange sein, die
man -jetzt nicht stören sollte. Genosse Scheidemann ließ sich dadurch
nicht irreführen; von der feierlichen Voraussage Kühlmanns traf
nichts ein.
Auf einen letzten Versuch des Papstes am 21. September 1917,
Deutschland zur Nachgiebigkeit zu bewegen, folgte nur die lakonische
Aeußerung des Auswärtigen Amtes, daß nichts mehr zu
ändern sei.
So -wurde 1917 eine aussichtsreiche Friedensvermfttlung ver-
paßt, weil die Annerionspolitiker ihre belgischen Aspirationen nicht
opfern wollten. Durch einen klaren Verzicht auf Bel-
gien hätte sich damals mit einiger Wahrscheinlichkeit nach ein
Frieden erzielen lassen, der im großen ganzen die -Unversehrtheit
Deutschlands gewahrt, sicher unsere wirtschaftliche Ver-
sklavung ausgeschlossen hätte. Doch die Annexionisten
wollten -Krieg bis zum bitteren Ende. Mit Recht schließt S «Hei-
de m a n n seine Broschüre mit den Worten: „Für die größen-
wahnsinnigen Pläne dieser Politiker und Eeschästsmänner
überreichen uns setzt die Ententemächte ihre Rechnungen.

Die Schuldsumme der RePENKtiouskoMMMou.
132 Milliarden Goldmark.
Paris, 28. April. Die R-eparationskommission beschloß, wie
die Agence Havas erfährt, auf Grund des Artikels 233 des Ver-
sailler Vertrags, den Betrag der Schäden, den Deutschland nach
Bestimmungen des Artikels 232 und des Anhanges a zum Teil 8
des genannten Vertrags für die Reparation schuldet, auf 132
Milliarden Goldmark festzusetzen. Bei der Fest-
setzung dieser Ziffer nahm die Reparationskommission von der
Summe der Schäden die Abzüge vor, die notwendig sind, um

Ablehnung?
London, 28. April. Reuter erfährt, daß die französi-
sche Regierung den französischen Botschafter in Washing-
ton aussorderte, das Staatsdepartement davon in Kenntnis zu
setzen, daß sie die letzten deutschen Vorschläge weder billigen, noch
in ihnen die Grundlage sür ein mögliches «Uebersinkommen erblicken
könne. Der belgische Außenminister teilte dem Reuterbureau mit,
daß Belgien den deutschen Vorschlag nicht einmal der
Erörterung wert halte.
Paris, 28. 'April. Der Londoner Berichterstatter des
„Temps" bestätigt, daß auch die e n g l i s ch e R e g i e r u n g die
deutschen Vorschläge als unzureichend betrachte. Nach heute
früh eingetrofsenen Nachrichten aus Washington werde die ameri-
kanische Regierung die Vorschläge nicht weitergeben, weil sie zu
unbestimmt und schon wegen der Bedingungen unan -
nehmbar seien. Die Aufzählung dieser Bedingungen in der
Note wurde als -große Ungeschicklichkeit bezeichnet.
Pessimistische Auftastung in Berlin.
Berlin, 29. April. Wie das „W. T. zu wissen glaubt,
herrscht in Berliner diplomatischen Kreisen dis Auffassung, daß diq
Aussichten sür eins amerikanische Vermittlung wenig günstig
seien. Es unterliege keinem Zweifel, daß Präsident Harding und
die amerikanische Regierung den lebhaften Wunsch zur Beilegung
des Konfliktes und zur Verhinderung der Gewaltmaßnahmen beizu-
tragen haben. Es scheine auch ziemlich sicher, daß in Washington
die deutschen Vorschläge sür eine mögliche Verhandlungsgrundlage
gelten dürsten (?), obgleich man bei einigen Punkten gern eine
klarere und bsstirnmiere Fassung gewünscht hätte, was zu Nachfragen
in Berlin Veranlassung gegeben haben dürste. Dagegen werde be-
zweifelt, ob die amerikanische Regierung angesichts der ablehnenden
Haltung der französischen und nun auch der englischen Regierung
ihre Bemühungen werde zum Erfolg führen können.
Keynes: „Frankreich treibt mit Deutschlands
Schwäche Mißbrauch".
Paris, 29. April. Rach einer «Havasmeldung aus New-
port verbreiten die „World" und andere Blätter ein Kabeltele-
gramm von Keynes, in dem dieser erklärt, daß Deutschland bisher
noch keinen Vertragsbruch begangen habe. Frankreich treibe -jedoch
mit der Schwäche Deutschlands Mißbrauch.
Deutsche Gewerkschaftsführer in Loudon.
London, 28. «April. Rach dem „'Daily Chronicle sind vier
deutsche Gewerkschaftsführer, nämlich Gr aß mann, Hue,
Dittmann und Silberschmidt, in London einaetrofsen, um
mit hervorragenden Politikern und Arbeiterführern über die Re-
parationsfrage und den Wiederaufbau der zerstörten
Gebiete zu beraten.
in Ausführung des Artikels 238 die bereits geleisteten oder noch
zu leistenden Zurückerstattungen zu berücksichtigen und infolgedessen
werden Deutschland diese Zurückerstattungen nicht gutge-
schrieben. Die Reparationskommission hat in die oben genannte
Ziffer die Summen nicht miteinbegriffen, die der Ver-
pflichtung entsprechen, die Deutschland äußerdem in Ausführung des
dritten Absatzes des Artikels 232 zu übernehmen hat, nämlich die
Zurückhaltung aller Summen durchzuführen, die Belgien bis zum
18. November 1918 bei den alliierten und assoziierten Regierungen
geliehen hat, einschließlich 5 Prozent Zinsen jährlich für die er-
wähnten Summen.
«Herr v. Oertzen, der in Abwesenheit Bergmanns an
der Spitze der 'Kriegslastenkommission steht, wurde abends 9 Uhr
von der Reparationskommission, die in amtlicher Sitzung tagte,
berufen. Der Vorsitzende brachte Oertzen namens der Kommission
obige Entscheidung zur Kenntnis. Diese mündliche Mitteilung wird
von der Kriegskastenkommission schriftlich bestätigt.
*
Die „Franks. Ztg." berechnet auf Grund der Bestimmungen
des Friedensvertrags, daß das obige Ergebnis von 132 Milliarden
bei 5 Prozent Verzinsung und 1 Prozent Tilgung und einer Ver-
teilung auf 30 Jahren eine jährliche Leistung von 8 Milliarden
ergibt, die sich durch die belgische Schuld auf 8^ erhöhen dürfte.
„Das -Ganze bedarf natürlich noch sehr viel genauer Prüfung,
als wir sie im Augenblick zu geben vermögen. Der erste Eindruck
aber unterstützt das Urteil, das wir ganz unabhängig von allen
Zahlen schon für die Londoner Konferenz wiederholt ausgesprochen
haben: daß, wenn es nicht zu einer einigermaßen erträglichen Ver-
ständigung kommt, sür uns die gegebene Entscheidung der Rückzug
aus die 'Rechtsbasis des Friedensvertrags, die Festsetzung und das
Diktat der Reparationskommission, wäre. Die Zahlen, die dabei
herauskommen, sind natürlich ebenso unmöglich wie die Pariser
Fahlen, und eher noch einen Grad gröber. «Aber es sind dann ein-
seitig festgesetzte Zahlen, denen gegenüber wir einfach das Menschen-
mögliche zu möglichster «Erfüllung zu leisten hätten, ohne moralische
Verantwortung sür irrige Rechnung und mit den wenn auch noch
so beschränkten Verteidigungsrechten des Versailler Vertrags. Das
ist klar und unzweideutig Rechtens. Aber die Entente bricht das
Recht. Sie hat es gebrochen, als sie in London Sanktionen über
uns verhängte. Sie bricht es weiter mit den neuen «Sanktionen, die
sie im Verfolg der Reparationssrage uns «jetzt androht. Sie will
uns zu einer Unterschrift zwingen, die zu fordern keine Bestimmung
des Friedensvertrags sie berechtigt. Sie macht aus dem Vertrag
von Versailles eine Farce. Und eine Farce ist darum jetzt auch die
Entschädigungsfestsetzung durch die Reparationskommission —- nicht
eine Einschätzung auf «Grund ersthaster Prüfung realer Möglich-
keiten, sondern ein politischer Akt Mr Vorbereitung der Krise des
1. Mai"

Dis Konferenz rrr London.
London, 28. April. Marschall >Ioffre ist heute abend in
London eingetroffen. Der Marschall wird an der Sitzung des Ober-
sten Rates teilnehmen und auch den vorbereitenden Besprechungen
der «Sachverständigen teilnehmen.
P a r i s, 28. April. Nach einer Havasmeldung aus London
halte der belgische Außenminister Iaspar heute morgen Besprechun-
gen mit -Lloyd George, Loucheur, Theunis und Plackett. Bei diesen
Beratungen haben sich nach Havas die drei alliierten Vertreter mit
allen finanziellen Problemen besaßt, die bei einer Besetzung des
Ruhrgebietes in Frage kämen. Besonders hätten sich die alliierten
Vertreter mit dem eventuellen Ergebnis der zu erwartenden Er-
träge bei einer Besetzung des Ruhrgebietes beschäftigt und seien zu
dem Schluß gekommen, daß aus dem Ruhrgebiet eine -Summe von
1^—2 Milliarden Goldmark zu erwarten sei.
Das Ruhrgebiet als Pfund-
Paris, 28. April. Nach Beendigung seiner Mitteilungen
vor dem Finanzausschuß des Senats eEärte Brian d in den
Wandelgängen des Senats: Allen Verbündeten gemeinsam ist die
«Frage der Reparationen. Aber es gibt eine -Frage von besonderer
Bedeutung für Frankreich, den Grenznachbar Deutschlands, nämlich
die seiner persönlichen Sicherheit. Um diese Sicherheit
zu verbürgen, müsse Frankreich Unterpfänder ergreifen. -Augenschein-
lich lause man durch die Besetzung des Ruhrgebiets gewisse
Gefahr, die uns um den Nutzen der Besetzung bringen kann. Aber
gerade hier muß man eine -Geschicklichkeit beweisen. Bei der Be-
setzung Düsseldorfs und anderer Städte hat der deutsche Arbeiter
singesehen, daß wir nicht mit imperialistischen «Absichten kamen und
hat deshalb unsere Truppen gut ausgenommen. Heute kann es ge-
rade so gehen, wenn man den Bergleuten der Ruhr die Ernährung
und ihre «Bezahlung sicherstellte. «Auf jeden Fall müssen wir'' ein
Unterpfand nehmen.
London, 28. April. «Im Unterhause erklärte Lloyd George,
er bedauere sehr, daß die deutschen «Reparationsvorschläge durchaus
nicht zufriedenstellend seien. «Sie würden gegenwärtig
mit anderen Vorschlägen zugleich mit den «FinanzsachveEndigen
aller Alliierten sehr sorgfältig geprüft werden. Zur Besetzung des
Ruhrgebietes sagte der Premierminister, er zweifle daran, daß die
Entscheidung des Obersten Rates vor Montag oder Dienstag fallen
könne.-
_, «^1.. _
Deutscher Reichstag.
Schluß der außenpvlit. Debatte. — Eine neue Rede Dr. Simons.
Berlin, 28. April. Nach Erledigung eines Gesetzentwurfes
betr. die Verfügung über Gold wird die Besprechung der aus-
wärtigen Politik fortgesetzt.
Wg. Stresemann (D. Vpt.) erklärt, daß der auswärtige
Ausschuß des Reichstags nicht rechtzeitig über den amerikanischen
Schritt informiert worden sei, sei nicht Schuld der Regierung. Die
Fraktionssührer des Hauses hätten damals die Informierung des
Plenums vorgeschoben. Redner protestiert sodann gegen die Hal-
tung der Mehrheitssozialdemvkraten und bedauert deren partei-
politische Ausführungen. Der Geist, der aus dem Frieden von
Versailles spricht und uns allein die «Schuld an dem Kriege gibt,
muß bekämpft -werden.
Minister Dr. Simons
führt aus, er habe in London nicht gegen das Schulbbekenn t-
n i s Protest erheben können, weil die Entente dieses Bekenntnis ja
schriftlich in Händen habe, und ein etwaiger rethorischer Erfolg Halle
die Gefahr schwerer Schädigungen für das deutsche Volk bedeutet.
Er habe aber den deutschen «Standpunkt zur Schuldfrage schriftlich
fixiert. Es wird das Bestreben der deutschen Regierung sein, die
fremden Archive zu öffnen und dann die Schuldfrage unter neutra-
ler Kontrolle feststellen zu lasten. Der Vorwurf, daß die deutsche
Regierung zu «wenig Vorsühler nach Amerika ausgestreckt habe, trifft
nicht zu. Unser entsprechender Versuch ist 'gescheitert. Für
die Behauptung, die Form unserer Rote sei demütigend, ist mir
kein Beweis erbracht worden. Ich gebe die Hoffnung noch nicht
aus, daß wir doch noch zu Verhandlungen kommen werden. Wie
die Franzosen bei den Reparationen rechnen, wird bewiesen da-
durch, daß unsere «Sachverständigen die Forderungen von 179 Mil-
liarden aus 132 Milliarden zurückschrauben konnten, und selbst das
ist zweifellos noch nicht zuviel. Andererseits ist doch die Forderung
einer Entscheidungsfrist von 24 Stunden nicht geeignet, eine sach-
gemäße Verständigung herbeizusühren. Ueber den Inhalt der Note
wolle er nicht sprechen, es mache aber den Eindruck, als ob sich der
französische «Außenminister der Wirkungen der geplanten Sanktionen
nicht mehr so sicher sei. Weder die Schweiz, noch Italien, noch die
Tschechoslowakei wolle sich den Sanktionen anschließen. Redner
gibt sodann eine Ueberficht über das Ergebnis der Wassenabliese-
rung, die grandioseste Leistung, die jemals ein Land geleistet habe.
Wir besitzen nicht einmal 1000 Kanonen. Unsere Festungen sind
ohne 'Geschütze. Bisher hat jedoch nur Deutschland abgerüstet.
Nur mit der bayerischen Einwohnerwehr hapert es noch. Auch in
der Frage der Bestrafung der Kriegsschuldigen stehen wir vor der
Ausnahme der Verhandlungen. Gegenübe« dem großen polnischen
Heer von 600 000 Mann sind Besoiqnisft lw Osten wohl berechtigt.
Die Vorwürfe reaktionärer Umlneb, sini nicht am Platze. Die
Verhandlungen mit Polen werden lcnacfty'. Namentlich die ober-
schlesische «Frage bleibt Gegenstand de> VnHn«wlungen Die Unter-
suchungen über die Unruhen in Mitteldeutschland haben ergeben,
daß ein Zusammenhang zwischen der Kommunistischen Partei
Deutschlands und Rußlands besteht. Für eine Beteiligung der
Sowjetreqierung hingegen hat sich kein Beweis erbringen lassen.
Auch inbezug aus den Wiederaufbau müssen wir in die Zukunft
 
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