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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (3) — 1921

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Nr. 81 - Nr. 90 (8. April - 19. April)
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Laseszeitung fük die wsrttsiige Besölksmng der Amisvrzirke HeiöeiSefg, Meslsch, GinsHeim, Äppmgsrr, ELrrSach, Mssösch, Buchen, Mersheim, ÄsxSsk-
Taubervifchofsheim und Wertheim.

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Lezugspreis: Monatlich einW. Trägerlohn Z.— Mk. Anzsigenveeise:
Die einspaltige Kelltzeile (Zü inm breit) so pfg., Rsttame-Anzeigen
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postscheckkontsKarlsruheNr.22517.Tel.-Adr.:ÄolkszeitungSswet»«'»._

HßiHMerg, DsnnersLag, 14. April 4921
Nr. SH » 3. Zayrgang

Derantwortl.: Für innere u. SugsrcOolitik, Aslksviri'chrfi und Feuilleton:
Or. Kraus; für Kommunales, sozial« Rundschau und Lokales:
O. Gei bei» für die Anzeigen: H. Horchler, sümtl. in Heidelberg.
DruSnnd Verlag der ttnterbadischen Vsrlagsanstalt G. m.b.H./Heidelberg
Geschäftsstelle: Gchröderstraße ZS.
Fernsprecher: 2lnzeigen-AnnKhms 26rg/Redakkl'on 2644.
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VeVschärfung der Strsiklage in England.
Dir Verhandlungen gescherten.
London, 13. April. Die Bergleute teilen mit, daß dis
Verhandlungen mit der Regierung und den Grubenbesitzern
endgültig gescheitert sind. Dadurch erklären sie den
Kriegsfall für die Tripleallianz für gegeben rind fordern ihrs Ka-
meraden, die Eisenbahner und Transportarbeiter
auf, ihnen unverzüglich die versprochene Hilfe zu leisten. Sie
stellen sich auf den Standpunkt, daß heute 'lediglich über den Zeit-
punkt des Streikbeginns Beschluß gefaßt werden kann, nicht
sichr über die Möglichkeit des Streiks. Die Bergleute wollen von
der Forderung der Nationalisierung der Bergwerke und der Ein-
führung des einheitlichen nationalen Lohnes nicht abgehen. Die
Regierung erklärt diese Forderungen für unannehmbar.
' London, 14. April. Lloyd George hat in einem Schreiben
an die Führer der Eisenbahner und Transportarbeiter um Mittei-
lung gebeten, über die Gründe, aus denen heraus sie ihre Entschei-
dung ^getroffen hätten, welche den eigenen Landsleuten einen so
schweren Schaden zufüge.
Londo n, 14. April. Die Heizer und Maschinisten der Loko-
motiven, die ein von den Eisenbahnern unabhängiges Syndikat bil-
den und deren Haltung bisher zweifelhaft war, haben beschlossen
am Freitag in den Streik einzutreten. Die Bereinigung der
Bureauangestellten der Eisenbahnen empfahl ihren Mitgliedern
gleichfalls an dem Streik teilzunehmen.
Hardirrgs KoNSrHbstschaft.
Verwerfung des Völkerhmrdes. — Sonderfrieden mit Deutschland.
Washington, 13. April. In seiner Erklärung an den
Kongreß wandte sich Harding aufs schärfste gegen den Versailler
Völkerbund, der die Anerkennung Amerikas nicht finden
könne. Sein erhabenstes Kiel sei Zerstört worben, als der Bund mit
dem Friedensvertrag verkettet und zu einem Zwangsmittel der
Sieger gemacht wurde. Bezüglich des 'S o n d er fr i e d e ns mit
Deutschland verlangte Harding, daß der Friedenszusland ohne
Verzug hergrftellt werde. Amerika hab: seine Deroflichtungs« bei
der Schaffung von Ruhe in Europa, die Hilfsbereitschaft
Amerikas bedeutet aber nicht Verwicklung und Teilnahme an
den wirtschaftlichen Verordnungen, bedeute nicht Bürgschaft
für Vertragsverpflichtungen, die es nicht betreffen.. Für die Zu-
kunft kann keine einzige Gesellschaft der Nationen auf Gerechtigkeit
und zum Frieden verpflichtet werden, bevor der Vertrag, der den
Frieden wieder herstellt, von den Nativnett besiegelt wird, die sich
im Kriege befanden. Harding sagte schließlich, für die vollständige
Wiederherstellung des Friedens und zur Verwirklichung der ameri-
kanischen Bestrebungen nach einem Verbände der Nationen zur
Unterstützung der Weltregierung werde er sich vorbereitet?, indem
er sich die eigene Pflicht und die überragende Pflicht der Ver-
einigten Staaten in dieser kritischen Periode der Welt vor Augen
hält.
Ein kommunistisches VerdarnmurrgLurtett.
B e r l i n, 14. April. (Priv.-Tel.) Die „Freihei t" ver-
öffentlicht ein Vorwort zu der soeben erschienenen Broschüre des
früheren Vorsitzenden der kommunistischen Partei Paul Levy.
In dein Vorwort der Broschüre, die auf den Zerfall der B.K.P.D.
hinwcist, heißt es: Als ich diese Broschüre plante, bestand in
Deutschland eine kommunistische Partei von 500 000 Mitgliedern.
Als ich 8 Tage später schrieb, war die kommunistische Partei in ihren
Grundfesten erschüttert und ihr Bestand in Frage gestellt. Das
Vorwort weist auf die Notwendigkeit der Kritik an dem unv e r-
antwortlichen Spiel, das mit der Existenz der Partei und
mit dem Leben und dem Schicksal ihrer Mitglieder getrieben wurde,
hin. Die Partei dürfte nicht geschlossenen Auges in den Anarchis-
mus bakunistischer Garbe hinekügezerrt werben. Die Toten in Mit-
teldeutschland, Hamburg, im Rheinland, Baden, Schlesien und
Berlin sowie die viele»? tausende von Gefangene??, die die Opfer
dieses b a k u n i sti s ch e n Wahnsinns geworden sind, ver-
langten angesichts der letzte?? Vorgänge: niemals wieder!
Französische UnzufrisvLUheiL mit der
WiTdLrgntmachrmgsabgsLe.
Paris, 13. April. (Priv.-Tel.) Die Kammer begann heute
vormittag die Beratung des Gesetzes über die Metzrabgabe von
de»? deutschen 'Waren. Das Gesetz wurde von allen Rednern
scharf kritisiert. Die meisten Kritiker dieser Sanktion be-
schlossen indessen, wie gleichfalls betont sei, mit Rücksicht auf die
internationale Lage, für das Gesetz zu stimmen. Der Berichterstat-
ter des Ausschusses für Zoll-fragen, Neron, führte als erster Red-
ner aus: Die Abgabe werde von England hauptsächlich als
eine A!? ti - Dumpi n g- B i l! betrachtet. -Die englische Auf-
fassung, daß jedes Land die von ihm erhobenen Summen behalten
dürfe, sei unannehmbar. Nach französischer Auffassung müß-
ten alle erhobenen Beträge einem gemeinsamem Fonds zuge-
führt werden. Neron empfhielt im Namen des Ausschusses die
Annahme des Gesetzes, verhehlt aber nicht, daß er die Maßnahme
bedauere. Er berichtet, die deutschen Lieferantei? hätten
den französischen Kunden bereits mitgeteilt, daß sie Waren in Zu-
kunft nur bei Voraus bezahl u n g senden werden.
Der Abg. Margaine äußerte die Ansicht, daß die Maß-
nahme in erster Linie Frankreich treffen werde. Er er-
warte davon eine bedenkliche Wirkung auf den Stand des französi-
schen Franke?? und eine Steigerung der Teuerung.
Der frühere Minister Pusch erklärte, er werde für das Ge-
setz stimmen, ohne es zu billigen. Er befürchtet, daß der französische
Handel dadurch ungünstig beeinflußt wird und hebt her-
vor, daß Deutschland im Jahre 1920, von den Kohlen abgesehen
für 1200 000 Fr. Waren an Frankreich geliefert habe.
Der Großindustrielle de Wendel führte in einer großen

Rede aus, ein Teil der Sanktionen fei von England vorgeschlagen,
andere feie?» von Frankreich angeregt worden. Man müsse die
Sanktionen bei der Lage der Dinge als Ganzes hinnehme??. Das
könne Frankreich jedoch nicht abhalten, hervorzuheben, ei»? wie
großes Opfer es mit der Annahme der Abgabe von de»? deutsche»?
Ware» auf dem „Altar der Entente" gebracht habe.. Falls diese
Sanktion nicht bald nach Erfüllung ihres Zweckes wieder aufge-
hoben werde, werde sie einem Verbot der deutschen Einfuhr gleich-
kommen. Nennenswerte Einnahmen seien von dieser Maßnahme
nicht zu erwarten. Die französische Industrie brauche einen ge-
wissen staatlichen Schutz.
Darüber dürfe aber nicht vergessen werden, daß Frankreich für
seinen Wiederaufbau auf ausländische Lieferungen angewiesen sei

und daß es aus finanziellen Gründen Interesse daran habe, ins
Ländern mit schwacher Valuta einzukaufen, de Wendel verspricht
sich nichts von den in Artikel 8 des Gesetzes vorgesehenen Ausnah-
men, da die Kommissionen, von denen die Ausnahmegewährung
abhängt, zu langsam arbeiteten. Er empfiehlt bei längerer Dauer
der Maßnahme, das ganze westliche Rheinland davort
a u s z u n e h m e n.
Der Abg. Outrey empfahl eine Zusatzbestimmung zum
Schutze der französische»? Kaufleute, die bereits ihre Zahlungen für
noch nicht gelieferte deutsche Ware?? geleistet haben.
Der Sozialist Blum erklärte, seine Partei werde gegen
das Gesetz stimmen. Die Weiterberatung wurde dann auf Don-
nerstag vormittag vertagt.







lN!.
Erklärungen des Innenministers im Landtag.

xr. Karlsruhe, de»? 13. April.
Die heutige erste Sitzung des badischen Landtags nach den Oster-
ferien erhielt ein großes Gepräge durch die Erklärungen des Ministers
Remmele über die kommunistische»? Anruhen. In leidenschaftsloser,
nüchterner Weise gab der Minister eine Darstellung der Vorgänge, die
das Haus, besonders soweit badische Verhältnisse berührt wurden, mit
größter Aufmerksamkeit verfolgte. Präsident Kopf konnte daher als
Fazit des ministeriellen Exposes erklären, daß Minister Remmele feine
Maßnahme»? mit Umsicht und Energie getroffen habe, -wie er allzeit der
Zustimmung des Hauses sicher sei, 'wen»? er die Autorität des Staates
gegen Anschläge verteidige.
3S. Sssentliche Sitzung. i 5
Präsident Kopf eröffnet die «Atzung um 0.20 Ahr.
Vor Eintritt in die Tagesordnung erhält das Wort
Minister Remmele:
Ain 29. März kam es in Karlsruhe und Mannheim infolge der
kommunistische»? Unruhen zu Blutvergießen. Ich möchte die Sachlage
vor dem Hause klarstellen, nicht um mich zu Verteidige»?, sondern um in
der Zukunft derartiges Blutvergießen Zu Verhindern. Den»? auch in
Zukunft werbe ich die Republik gegen Anschläge verteidigen. Der
Hallenser Parteitag der Kommunisten gab den Auftakt zu diesem Mut-
vergießen. Er wurde geschlossen mit dem Rufe, es lebe der Terror, es
lebe der Bürgerkrieg. Solche Musterungen durchziehen alle Kund-
gebungen der Kommunisten. Unter der Parole: ,-Faust cmss Auge, die
Knie auf die Brust!" wurde zu scharfem Vorgehen aufgefordert. Es
wurde die Forderung: „Sturz der Regierung, Bündnis mit Sowjetrutz-
lcmd!" ausgestellt. Die „Rote Fahne" erklärte unterm 18. März: „Ein
jeder Arbeiter pfeift auf bas Gesetz und nimmt die Waffe, wo
er sie findet." Es zeigte sich allenthalben, daß es sich »an eine gemein-
same politische Aktion der Kommunisten Deutschlands handelte. Nun zu
de» internen Vorgängen in Baden.
-Die kommunistische Bewegung in Baden hat ihre»? Stutzpunkt in
Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Offenburg, Lörrach und Konstanz.
Illegale Kampforganisationen bestanden schon im November letzten Jah-
res. In einem ausgleichenden Briefwechsel der Kommunistei», studen-
tischer Kommunistengrilpsen usw. wurden über Waffenbeschaffung und
Nachrichtcnopparate Vorkehrungen getroffen. Eisenbahn und Post soll-
ten in den Kreis ihrer Bewegung eingezogm werden. Der Aktionsaus-
schuß der Karlsruher Kommunisten, welcher am 12. Januar gewählt
wurde, hielt Fühlung mit den Ortsgruppen im Lande durch Kuriere auf-
recht. 'Ls wurde versucht, unter Zuhilfenahme von Arbeitslosen Anruhen
hervorzurufen und in Karlsruhe wurde die Bildung eines Arbeitslosen-
rates betrieben. In Baden bestehe»?
zwei illegale Kampforgamsationen;
die eine wird von Frankfurt a. M. aus geleitet und die andere von
Mannheim. Die führenden Persönlichkeiten dieser Organisationen sind
uns bekannt. Am 22. Januar d. I. fand in Frankfurt a. M. eine Kon-
ferenz 'statt, die sich mit der Organisation beschäftigte, und es wurde
überall dort hervorgehvben, daß man mit einem Kampf zu.rechnen habe.
Angehörige der Polizeitruppen i»? Mannheim, Heidelberg und Freiburg
erhielte»» Drohungen, daß man sich in den -Besitz ihrer Waffen setzen
werde. Gegen Mitte März wurden Flugblätter ausgegeben, in denen
zur Bewaffnung aufgerufen wurde und alle Mittel der -Sabotage an-
empfohlen wurden. In einen» weiteren Flugblatt der Mannheimer kam-
munistischen Partei rvurde ebenfalls gesagt, daß die Waffen in die Hände
der Arbeiter gehörten. In der Osterwoche holten sich die badischen
Kommunisten in Halle Instruktionen. Bei den Ortsgruppen der Kom-
munisten wurde angefragt, wieviel Fahrräder und Waffen vorhanden
wären. Am 24. März 1921 sammelten sich im Laufe des Vormittags
auf dem Karlsruher Marktplatz Erwerbslose, um über die Erhöhung der
Anterstützung in demonstrativer Weise zu beraten. Am 26. März ver-
suchte»» die Kommunisten in
Mannheim
ein noch schärfer gehaltenes Flugblatt drucken zu lassen; zur Verhinde-
rung einer Beschlagnahme wurde die Druckerei von Kommunisten be-
wacht. In der Nacht vom 26. zum 27. März kamen die Führer von
Halle zurück und hielten mit den badischen Kurieren Besprechungen ab.
Am Ostersonntag tagten in den größeren Plätzen des Landes Konferen-
zen, die beschlossen, durch massenhafte Verbreitung scharf gehaltener
Flugblätter die Arbeiter zu Demonstrationsstreiks zu bewegen. Am
29. März wurde in einem Rundschreiben aus Mannheim zur „größ-
ten Aktivität" angehalten, da die schlesische Abstimmung, die ver-
schärfte»? -Sanktionen der Entente und die fühlbarer werbende Wirt-
schaftskrise zu Konflikten führen könnten. Die Krise des Kapitalismus

müsse auf die Spitze getrieben und zu»? Angriff übergegangen werde»?.
Das Ministerium des Inner»; erhielt über diese während der Tage von
Ostersamstag bis Ostermontag getroffene»? Vorbereitungen aus verschiß
denen Teile»? des Landes übereinstimmende Nachrichten. Es warf sich
die Frage auf, ob man diese kommunistische Provokativ»? widerspruchslos
hinnehmen solle oder ob den damit verbundene»? -Gefahren entgegenge-
treten werde»? solle. Die Erfahrungen im letzten «Jahre mit kommunisti-
schen -Umzügen legte»? die Gefahr tumultuöser «Störungen nahe. Das
Ministerium des Innern entschloß sich somit, für den 29. März und di«
folgenden Tage in den Städten Heidelberg, Mannheim, Karlsruhe, Of-
fenburg, Freiburg und Pforzheim Versammlungen unter freiem Himmel
und Umzüge zu verbieken. Ja
Karlsruhe
wurde»? schon in der Frühe des 29. März eine Anzahl Zlugdlattverbrei-
ter. darunter die Führer Trabinger und I u st, inhaftiert, bei denei»
ma»? Mauserpistole»? und 50 bM. 20 »Schuß Munition vorsand. Als die
Sicherheitspolizei, die de»? Marktplatz abgesperrt hatte, abzog, wurde
ei»? -Sturm auf das Bezirksamt versucht, auf die Polizeitruppen geschossen
und Handgranaten geworfen, »vorauf diese von ihren Waffen Gebrauch
machten. Kn Mannheim sand trotz des Verbots ein Demonstrationszug
statt unb wurde der Versuch gemacht, die Polizeitruppen zu entwaffnen,
die dann von ihrer Waffe Gebrauch machten, wobei es drei Tote und
6 Schwerverwundete gab. Ebenso kam es in Ettlingen zu Unruhen,
die zeigten, wie die Kommunisten die Leute »ns Anglück stürzten. Die
Tatsache, daß es Tote gegeben hatte, rief verschiedentlich gegen das Mi-
nisterium des Innern
scharfe Kritik
hervor. Es ist in erster Linie die Argumentation vertrete»» worden, bi«
Kommunisten hätten sich, wenn das Versammiungsverbot nicht Vorge-
lege»» hätte, höchst lächerlich gemacht und eine 'Gefahr für die öffentliche
Sicherheit sei kaum vorgelegen. Vielleicht! Vielleicht aber auch nicht!
Wer wollte das voraussehen! Es ist uns heute noch bekannt, daß in
letzter Stunde die Mannheimer Kommunisten ihre Anhänger
aus Unterbaden und Ludwigshafen nach Mannheim zu ziehen versuchten.
In einer Heidelberger Fabrik meinten kommunistische Arbeiter, sie müß-
ten nach Mannheim gehen, weil es dort etwas gebe. Wir wissen weiter,
daß die eigentlichen Führer der Kommunisten unb auch bekannte Unab-
hängige nicht in der Demonstration »nitmarschierten, sondern in gar nicht
geringer Zahl in Parallel-Nebenstraßen in gleicher Richtung wie der
Zug vorwärts zu kommen suchten. Also fern von der Gefahr! (Zwischen-
rufe.) Auf einen» in den letzten Tage»» verschickte»» Rundzirkular werden
die Kommunisten aufgefordert, die Sozialdemokraten bei ihren Mai-
feiern zu stören. Gegenüber derartige»» Flegeleien und Versuchen
zur Störung der öffentlichen Sicherheit läßt sich nicht mit dem Kopf in
den Sand stecken auskommen. (Sehr richtig!)
Ich führe diese Tatsachen nicht an, um mich gegenüber de»? Angriffen
der kommunistischen oder unabhängigen Presse zu verteidigen, sondern
ich gehe darauf ein, um der Bevölkerung ganz allgemein
den Ernst der damaligen Situation
vor Auge»» zu führen und bei ihr das Verständnis der Beachtung be-
stehender Staatsnol Wendigkeiten zu fördern. -In
Konstanz,
wo aus bestimmte»? Erwägungen rin Versammiungsverbot nicht ausge-
sprochen war, zeigte sich bei der Abhaltung der Kvmmunisteiwersamm-
lung, baß 9 Zehntel von etwa 1000 Personen Neugierige gewesen waren
und diesen erzählte ei»? fremder polnischer Redner, dessen Namen nicht
festgestellt werde»? konnte, die Arbeiter in Deutschland müßten verhun-
gern, wenn sie nicht bald mit den Bluthunden aufräumen würden. Ein
anderer Redner stellte die Behauptung auf, in der 'Seegegend seien in
etwa 15 Orlen uin Schlösser Waffenlager für die Orgesch angelegt, wo-
gegen der Polizeiminister nichts unternehme. Ein zweiter in Konstanz
bis dahin noch nicht gesehener Redner stellte ähnliche verlogene Behaup-
tungen auf, uin die Masse aufzupellschen. Der Versammlungsleiter sagte -
schließlich noch, er würde die Bevölkerung wieder zu einer Versammlung
zusammenrufen, wenn sich die Lage weiterhin zugespitzt habe. In der
folgenden Nacht wurde, wie mir ein -Polizeibericht meldet, ein Versuch
gemacht, in das Munitionsmagazin einzudringen und die Kasernenwache
— bas Bataillon war einen Tag zuvor nach Mitteldeutschland abtrans-
pvrtiert — von ihren Posten wegzulocken. Mit solche»? Möglichkeiten
mußte nach de»? uns zur Verfügung stehenden Informationen dann ins-
besondere ernstlich gerechnet werden, wenn die Versuche der Putschbewe-
gungen von Mitteldeutschland aus rveiter zu tragen, Aussicht auf Erfolg
gezeigt habe»? würden. Im Gegensatz zu den »örtlichen Charakter tragen-
den Putschvorkommnissen der letzte»? 2 Jahre war die diesmalige Putsch-
bewegung rein militärpolitisch aufgezogen; sie war also ernster einzu-
 
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