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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Schubert-Soldern, Fortunat von: Der mittelalterliche Helm und seine Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0055

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2. HEFT v. SCHUBERT-SOLDERN, DER MITTELALTERLICHE HELM UND SEINE ENTWICKLUNG

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genommen und entweder am Sattelknopfe befestigt
oder von dem Knappen nachgetragen werden. Ein
unvorhergesehener Zusammenstofs mit dem Feinde
versetzte daher den Ritter in die Gefahr, ohne
Helm, blofs durch die Helmbrünne und das da-
runter liegende Hersenier geschützt, fechten zu
müssen. Um für die nötige Luftzufuhr zu sorgen
und dem Ritter das Atemholen zu ermöglichen,
was besonders bei längeren Gefechten zur Lebens-
frage wurde, brachte man seit dem Ende des
13. Jahrhunderts an der rechten, also der durch
den Schwert- oder Beilhieb weniger gefährdeten
Seite des Helms ein horizontal in Scharnieren
sich öffnendes und durch einen Riegel verschliefs-
bares Helmfenster an. Dafs aber dieser erste
Vorläufer des beweglichen Visiers in keiner Weise
seinen Zweck erfüllte, da das Öffnen und Schliefsen
viel zu umständlich und daher während des Kampfes
fast unmöglich war, bedarf wohl kaum der Be-
gründung. Darum sehen wir wohl auch in
den Miniaturen des ausgehenden 13. und be-
ginnenden 14. Jahrhunderts die meisten Krieger
ohne Topfhelm fechten.
Wie schon erwähnt, war der Kopf des Kriegers*
wenn er sich des Helms nicht bediente, ursprüng-
lich nur durch die Helmbrünne und das darunter
liegende Hersenier geschützt, sodafs ein kräftig
geführter Schwert- oder Axthieb den Schädel
durch diese hindurch zertrümmern konnte. Man
mufste also umsomehr auf einen wirksameren
Schutz des Kopfes unter dem Helm bedacht sein,
als nach dem Aufkommen des Kübelhelms das
rasche Aufsetzen und Abnehmen noch be-
deutend erschwert wurde. Als Schutz scheint
man sich ursprünglich der einfachen Eisenhaube
bedient zu haben, die entweder auf oder unter
der Helmbrünne getragen, später aber mit dieser
verbunden wurde. Die Eisenhaube schützte den
Scheitel des Kriegers; der übrige Teil des Kopfes
aber blieb, soweit er nicht von der Helmbrünne
gedeckt war, ungeschützt, wenn der Ritter nicht
in die Lage kam, den Topfhelm vor dem Gefecht
aufzusetzen. Man versah die Eisenhaube daher
besonders in Frankreich mit einem Absteckvisier.
Schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts scheint
man jedoch von dieser Form abgekommen zu sein,
da die Eisenhaube den Nacken und die rück-
wärtige Partie des Kopfes nicht schützte und
das Visier an dem Kettengeflecht keinen festen
Stützpunkt fand, sodafs jeder wohlgezielte Stofs
oder Hieb es aus seiner Lage bringen konnte.
Die eigentliche Entwicklung geht von der
Becken- oder Kesselhaube aus, die nichts anderes
ist als der alte konische Helm, nur mit dem Unter-
schied, dafs sie unter dem Topfhelm getragen
wird. 'Mit dem Beginn des 14. Jahrhunderts also

trägt der Krieger zwei Kopfbedeckungen, den
Topfhelm, hauptsächlich für den Zusammenstofs
mit dem Spiefs oder für das Turnier, und darunter
den konischen Helm, d. h. die Beckenhaube, durch
deren Einführung- sich auch die Notwendigkeit
ergab, die Form des Topf- oder Kübelhelms zu
modifizieren. War der Scheitel der früheren
Formen des Topfhelms entweder sphärisch, leicht
gewölbt oder ganz flach, so bekommt der Helm
nun, analog der Form der darunter liegenden
Beckenhaube, eine konische Scheitelplatte.


Topfhelm. Um 1300. Königl. Zeughaus, Berlin.

Obgleich das Gewicht des Topfhelms fast aus-
schliefslich auf den Schultern ruhte, war der
Kopf und der Oberkörper des Kriegers durch
die beiden massiven Kopfbedeckungen derartig
belastet, dafs sich das Bedürfnis nach Ab-
hilfe ergeben mufste. Diese konnte nur darin
gefunden werden, dafs man den Kübelhelm wenig-
stens für Kriegszwecke ganz entbehrlich machte
und die darunter liegende Beckenhaube ausge-
staltete. Der konische Helm, der ursprünglich
des Nackenstückes entbehrte, wird nun mit einem
kräftigen Nackenstück versehen, das bis zum ITals-
ansatz herabreicht und nur das Gesicht frei-
läfst, so dafs auch Wangen und Ohren gegen Ver-
wundungen geschützt sind. Man bezeichnet diese
Form als die grofse Beckenhaube. Zugleich greift
man auf den Nasenschutz, einen alten Bestandteil
 
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