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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Schubert-Soldern, Fortunat von: Der mittelalterliche Helm und seine Entwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0056

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36

v. SCHUBERT-SOLDERN, DER MITTELALTERLICHE HELM UND SEINE ENTWICKLUNG V. BAND

des konischen Helms, zurück, den man nun nicht
mehr fest mit demselben verbindet, sondern be-
weglich mit Scharnieren derartig befestigt, dafs
er immer noch mit Rücksicht auf den bei
gewissen Eventualitäten gebrauchten Kübelhelm
abgenommen werden konnte.
Neben diesem Nasenschutz bildet sich wohl
gleichzeitig das Visier aus, dem wir schon in Form
einer fest mit dem Helm verbundenen Gesichts-
maske in den Miniaturen der Herrad von Lands-


Hundsgugel. Um 1350. Königl. Zeughaus, Berlin.

berg begegnen. Um den Beginn des 14. Jahr-
hunderts erleidet diese Art des Gesichtsschutzes
insofern eine Umbildung, als die Gesichtsmaske
sich nunmehr in ein bewegliches Visier ver-
wandelt. Dieser Prozefs ist das Resultat der Er-
fahrungen, die man mit dem festen Gesichtsschutz
und den daraus entstandenen Helmformen ge-
macht hatte. Das Streben mufste naturgemäfs da-
rauf gerichtet sein, das Abnehmen des Helms
beim Marsche oder zum Zwecke des Atemholens
überflüssig zu machen, was um so mehr geboten
war, als die Helmbrünne nunmehr mit der Becken-
haube verbunden wurde. Da lag wohl nichts
näher, als die Prinzipien des Helmfensters mit
einigen zweckentsprechenden Veränderungen auch
beim beweglichen Gesichtsschutz zur Anwendung
zu bringen.

Das eigentümliche der Entwicklung liegt nun
darin, dafs diese ersten Visiervorrichtungen, wenn
wir von den Helmfenstern absehen, sich nicht am
Helm selbst, sondern an der unter dem Helm ge-
tragenen Beckenhaube weiter entwickeln. Der
Grund ist wohl darin zu suchen, dafs man den
Visiervorrichtungen anfänglich nicht traute und
den Topfhelm daher neben der in dieser Weise
verbesserten Beckenhaube noch längere Zeit bei-
behielt. Dafür scheint auch der Umstand zu
sprechen, dafs die meisten Visiere der Becken-
hauben als Absteckvisiere, also darauf eing-erichtet
sind, dafs der Kübelhelm gegebenen Falls noch
darüber getragen werden konnte. Man konnte sich
also von der alterprobten Helmforn der neuen
Einrichtung zuliebe noch nicht trennen. Wie schon
erwähnt, scheinen die ersten Versuche mit Visier-
schutzvorrichtungen bei der Hirnhaube und der
kleinen Kesselhaube gemacht worden zu sein.
Sie dürften sich aber kaum bewährt haben, weil
das Visier an dem Maschenpanzergeflecht des Hals-
bergs keinen festen Stützpunkt fand und jeder wohl-
gezielte Lanzenstofs oder Schwerthieb die Lage
des Visiers nach unten oder oben verschieben mufste.
Besonders das erstere war beim Zusammenstofs mit
dem Spiefs zu befürchten und konnte zur Folge
haben, dafs der Spiefs in die Lücke zwischen dem
heruntergeschobenen Visier und dem untern Helm-
rand eindrang, oder dafs der Unterrand des Visiers
in die Kehle hineingetrieben wurde. Der letzteren
Gefahr suchte man dadurch vorzubeugen, dafs
man die Helmbrünne nun nicht mehr unterhalb
des Kinns fest an den Hals anschliefseti, sondern
vom Kinn ab locker herabfallen liefs.
Ganz anders lag die Sache bei der grofsen
Beckenhaube. Hier fand das Visier an den Backen-
stücken einen festen Stützpunkt, sodafs wenigstens
ein Verschieben nach unten ausgeschlossen war.
Das Visier selbst scheint ursprünglich nur
mäfsig vorgewölbt gewesen zu sein. In seinen
späteren Entwicklungsstadien würd es immer aus-
ladender, immer spitzer gegen vorn zulaufend ge-
staltet, so dafs es auf dem Höhepunkt dieser
früheren Entwicklung die Gestalt einer spitzen
Hundeschnauze annimmt. Der Zweck dieser un-
gemein zugespitzten Form war ohne Zweifel der,
dem Spiefs, wenn er das Visier traf, möglichst
wenige Angriffspunkte zu geben und ihn nach
allen Seiten abgleiten zu lassen. In dieser Ab-
sicht sind auch die kleinen Luftlöcher am Visier
häufig nur an seiner rechten Seite angebracht,
während die linke, die beim Zusammenstofs vom
Spiefs getroffen werden mufste, vollständig glatt
bleibt. Anderseits mufste das vorspringende Visier
das Atmen wesentlich erleichtern, indem es als
Luftreservoir diente.
 
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