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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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2. Heft
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Feldhaus, Franz Maria: Griechisch-römische Geschütze
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0072

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52

FRANZ M. FELDHAUS, GRIECHISCH-RÖMISCHE GESCHÜTZE

V. BAND

die einzigen Träger derselben beseitigte? Dafs
die Alten wufsten, die Tormenta sei etwas völlig
Neues, geht aus der Erzählung des Diodoros
(13, 41) deutlich hervor. Freilich wird ihm keiner
glauben, dafs die Geschütze sozusagen auf Befehl
des älteren Dionysius erfunden seien, als dieser
(400 v. Chr.) gegen die Karthager rüstete und
die berühmtesten Techniker aus allen Landen
zusammenberief, um seine Truppen aufs beste
auszustatten. Aber seine weitere Angabe, dafs
auch aus dem karthagischen Reiche Baumeister
herangezogen seien, regt zum Nachdenken an;
weil auch Plinius (Naturalis Historia 7, 201) sagt:
„Die Katapulta sollen die syrischen Phöniker
erfunden haben“, und im alten Testamente Wurf-
geschütze nicht nur für das zweite Jahrhundert
v.Chr. (1. Makk. 6, 51) bezeugt sind, sondern bereits
im achten Jahrhundert v. Chr. erwähnt werden:
„Der König Usia (2. Chronika 26, 15) baute in
Jerusalem kunstvolle Maschinen, die auf den
Türmen und Mauerecken stehen sollten, um Ge-
schofse und mächtige Steine zu schleudern.“
Hiernach wäre der Erfinder im Orient zu suchen,
und die Griechen hätten nur benutzt und ver-
vollkommnet, was sie vorfanden; gewifs ein histo-
risch sehr einleuchtender Gedanke.
Doch gleichviel, ob der Erfinder ein Semit
oder ein Grieche gewesen ist: genug, er setzte
statt der elastischen Bogenarme als Triebkraft
etwas ganz anderes ein: die Torsionskraft der
Tiersehnen, die auch durch Rofshaare und bei
andauernden Belagerungen durch das Haupthaar
der Frauen ersetzt werden konnten. — Man kann

an der mittleren Querleiste anliegt und damit
die angespannten Bindfäden hindert, in ihre ur-
sprüngliche Lage zurückzugehen. — Ein Spielzeug,
das wir als Knaben uns anfertigten, machte die
Sache noch anschaulicher. Wir bohrten in eine
Nufsschale zwei gegenüberliegende Löcher, legten
dann quer von aufsen je eine halbe Haarnadel
und zogen ein Rofshaar durch die Löcher über
diese Haarnadeln, bis die Öffnung der Löcher
ganz ausgefüllt war, dann wurden die Enden
festgemacht und mitten durch die Fäden des
Rofshaares ein Streichholz gesteckt, mit dem man
die einzelnen Fäden zu einer Strähne zusammen-
drehte. Zogen wir nun das Streichholz am langen
Hebelarme zurück, um den gespannten Rofshaar-
strähn zu überspannen, und liefsen es dann rasch
los, so schlug das Streichholz durch den wieder
freigelassenen Strähn getrieben, fest auf den
Rand der harten Nufsschale auf, und wir freuten
uns an dem hellen Klang. Das ist im kleinen
ein Torsionsgeschütz, ganz genau, nur mufs man
sich dabei erinnern, dafs statt des Streichholzes
beim Geschütze ein sehr starker Holzarm ein-
gesetzt wird und dafs die Torsion jedes Spann-
nervenbündels bei Schramm einen Anfangsdruck
von 12000 kg hat.
Die antiken Geschütze haben entweder nur
einen Bogenarm und ein Nervenbündel; oder
zwei Bogenarme und zwei Nervenbündel.
1. Das einarmige Geschütz (griechisch
monagkon, lateinisch onager genannt) ist eine
Riesenschleuder, die gewaltige Steine gegen
Tore, Türme und Mauern warf, um sie zu zer-


Abb. 1. Geschütze der Saalburg, j Links Palintonon, rechts Onager.

sich die Kraft der Torsion an einer gewöhnlichen
Tischlersäge (sog. Rahmensäge) klar machen, deren
Spannung durch zwei Bindfäden zwischen den
oberen Enden der Seitenleisten hergestellt wird:
diese Bindfäden werden mittels des in der Mitte
durchgesteckten Pflocks zusammengedreht und
der Pflock dann so weit durchgeschoben, dafs er

trümmern oder wenigstens zu erschüttern. Das
Untergestell bilden zwei starke Schlittenkufen,
fest miteinander verbunden, die in der Mitte sich
buckelartig erheben, um das horizontal durch-
gezogene Spannervenbündel aufzunehmen. Mitten
aus diesem Bündel erhebt sich ein starker Arm
aus Holz, der für gewöhnlich schräg emporsteht,
 
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