Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

DOI Heft:
2. Heft
DOI Artikel:
Feldhaus, Franz Maria: Griechisch-römische Geschütze
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0076

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56

FRANZ M. FELDHAUS, GRIECHISCH-RÖMISCHE GESCHÜTZE

V. BAND

geschütze, die der Kaiser Trajan bei seinen Zügen
in Siebenbürgen benutzte. Ihre Mafse lassen sich
allerdings durch die Reliefs auf der Trajanssäule
nicht feststellen, weil die Bildhauer dieses Denk-
males mit allen Gröfsenverhältnissen willkürlich
verfuhren, aber die Geschütze müssen sehr leicht
gewesen sein, weil zwei Maultiere ausreichten,
sie zu transportieren. Dagegen waren diese
Künstler sonst sehr sorgfältig und geben die
Gegenstände höchst realistisch wieder, und des-
halb sind die Reliefs der Trajanssäule für Kleidung,
Waffen, Ausrüstung usw. der römischen Soldaten
die beste und zuverlässigste Quelle. Das bewährt
sich nun auch an den Geschützen, die alle sieben
dieselbe Konstruktion mit zwei metallenen Büchsen
und einem nach oben gebogenen Bügel dazwischen
sehr deutlich wiedergeben. Es sind wahrschein-
lich die von Ktesibios beschriebenen Arotona


Abb. 7. Armbrust.

d. h. Erzspanner, denn in den Büchsen ist Luft
eingeschlossen, die durch die eingedrückten Kolben
beim Spannen des Geschützes komprimiert und
beim Abdrücken frei wird und durch ihre Ex-
pansion dem Geschütze die Triebkraft verleiht
(Bibliotheca mathematica 1901, S. 382). Oder es
sind die von Philon beschriebenen Erzspanner,
Pfeilgeschütze, deren Spannkraft durch erzerne
Blattfedern erzeugt wird (Abb. 5k
Wir haben somit durch die Reliefs auf den
drei Denkmälern auch drei verschiedene Geschütz-
arten kennen gelernt, und wenn wir den Onager,
der durch Ammians Beschreibung deutlich genug
beschrieben ist, hinzurechnen, im ganzen für vier
Geschützarten das sichere Material in Händen.
Ein sehr erfreulicher Erfolg, den wir der Arbeit
und Erfindungsgabe des Majors Schramm zu ver-
danken haben.
Schneider hat auch der sogenannten Cheiro-
ballistra des Heron, die nie existiert hat, den
Garaus gemacht.

Eine besondere Art der antiken Geschütze
ist der Mehrlader, die sogenannten Schnell-
katapullte des Dionysios von Alexandria. Es war
ein Flachbahngeschütz mit über der Läuferbahn
befindlichem, trichterförmigem Pfeilbehälter. Nach
jedem Schufs nahm eine Nute einer sich drehenden
Welle ein neues Geschofs auf und brachte es
während des Spannens der Sehne zum neuen
Schufs auf die Bahn.
Von den verschiedenen antiken Geschützen
sieht man vorzügliche Rekonstruktionen auf der
Saalburg und im verkleinertem Mafsstabe im
Berliner Zeughause. Wenn hier vorhin der Er-
klärung des Hauptmanns Deimling: „die Geschütze
der Alten sind nichts anderes als grofse Arm-
brüste“ widersprochen wurde, so galt das für die
grofsen Standgeschütze. Tatsächlich haben näm-
lich die Alten auch eine Armbrust gekannt. Es
ist der von Heron von Alexandrien ums Jahr 110
n. Chr. beschriebene „Bauchspanner“ (yaCTQccg>svr]g),
eine Handwaffe, mit der Pfeile geschossen wurden.
Schramm beschreibt ihn im Jahrbuch der Ge-
sellschaft für Lothringische Geschichte und
Altertumskunde (XVIII, 1906, S. 278) folgender-
mafsen: Der Bauchspanner ist nach Heron (Zeich-
nung und Beschreibung: C.Wescher, Poliorcetique,
Paris 1867 S. 80) wiederhergestellt worden. Der
Name Bauchspanner wurde gewählt, weil das
Instrument mit dem Bauche, d. i. mit dem Gewicht
des menschlichen Körpers gespannt wurde. Das
Spannen geschieht auf folgende Weise. Nachdem
die Bogensehnen durch die Klaue (yeiQ), bei
anderen Schriftstellern {SccxTvlog), auf der Diostra
(ßimarou) befestigt und erstere durch das Unter-
schieben des Abzugs (ayaGvrjQia) in seiner Stellung
festgehalten worden ist, wird die Diostra gegen
eine Wand oder auf den Fufsboden gestützt und
nun die Pfeife {avQiy%) durch das gegen das Quer-
holz (xccraywyig) gestemmte Körpergewicht vor-
gedrückt. Die Zahnstangen (xavöviov wdovraofievov)
und Sperrklinken (xoqu'S) ermöglichen den Bogen
beliebig stark zu spannen. Demnächst wird das
Geschütz auf eine Unterlage gestützt, der Pfeil
aufgelegt und über denselben wegvisiert. Wird
der Abzug zurückgezogen, so läfst die Klaue
die Bogensehne los, welche den Pfeil fort-
schnellt.
Dafs die Römer auch Armbruste mit hölzernen
Bogenarmen gekannt haben, geht aus zwei Reliefs
hervor, die bei Polignac-sur-Loire und bei Puy
gefunden wurden. Beide befinden sich gegen-
wärtig im Museum zu Puy. Unsere Abbildungen
6 und 7 zeigen die beiden Armbruste nach Demmin.
Hoffentlich sind die Darstellungen — was bei
Demmin leider nicht immer gewifs ist — zuver-
lässig.
 
Annotationen