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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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3. Heft
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Forrer, Robert: Die frühgotischen Dolchstreitkolben
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0099

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3. HEFT

R. FORRER, DIE FRÜHGOTISCHEN DOLCHSTREITKOLBEN

79

Die frühgotischen Dolchstreitkolben
Von Dr. R. Forrer

Im Gebiete der alten Waffen lassen sich ge-
wisse Typen verfolgen, die, im Gegensatz zu
den nach ihrem erstmaligen Auftreten nie mehr
verschwundenen Waffen wie Schwert, Spiefs,
Dolch usw., nur ganz sporadisch auftreten, einem
selten wiederkehrenden Gestirn vergleichbar, das
am Himmelsgewölbe plötzlich auftaucht, dann
wieder verschwindet und erst nach langen Jahr-
hunderten wiederkehrt, um kurze Zeit darnach
abermals vom Horizont abzutreten. In diese selt-
same Gruppe gehören auch die bisher noch fast
gar nicht beachteten Dolchstreitkolben, wie


Abb. i. Bronzehand mit eiserner Dolchklinge, Oberteil eines
mittelalterlichen Dolchstreitkolbens, gefunden zu Grassen-
dorf im Elsafs (Coli. Forrer).
meine Abb. i hier ein besonders typisches Bei-
spiel bietet:
Eine bronzene, massiv gegosseneHand
in geballter Stellung hält in ihrer Faust
einen Dolch mit bronzenemKnaufundeiser-
ner Klinge von viereckig-em Durchschnitt.
Das Unterteil der Hand läuft in eine Art eng-
anliegenden Unterärmel aus, der hohl gegossen ist
und ersichtlich zur Aufnahme eines starken höl-
zernen Stieles bestimmt war; zur bessern Sicherung
an letzterem ist die Bronzetülle der Hand zum
Zwecke des Einführens eines Stiftes quer durch-
bohrt. Das Ganze mifst in der Höhe ul/2 cm,

so dafs bei einzelnen meiner Freunde Zweifel am
Waffencharakter dieses Stückes aufgestiegen
waren. Aber verschiedene Momente beweisen
doch unwiderleglich, dafs wir es hier tatsächlich
mit einer, allerdings ebenso seltenen wie eigen-
artigen, Waffe des Mittelalters zu tun haben.
Was zunächst das Gewicht anbetrifft, so sind
auch andere Streitkolbenenden, wie Papagei-
schnäbel und verwandte Erscheinungen, oft nicht
schwerer. Was diese uns schwerer erscheinen
läfst, ist nur die Eisenstange, an welcher sie
sitzen. Unsere Bronzehand safs dagegen, nach
dem 2,8 cm betragenden innern Durchmesser und
der runden Form der Tülle zu schliefsen, aut
einem oben runden und jedenfalls sehr starken,
nach unten sich verbreitenden Hartholzschaft,
der möglicherweise durch ein spiralig umgelegtes
Band aus Schmiedeeisen oder durch ein paar
senkrecht aufgelegte schmale Eisenbänder ver-
stärkt war. Die Länge dieses Holzschaftes dürfte
etwa 40 bis 45 cm betragen haben, die Gesamt-
länge der Waffe ca. 55 cm. So viel mifst mein
Exemplar mit dem nachträglich eingefügten Holz-
griff (vgl. Abb. 2). Dieser Holzschaft erhöhte
natürlich das Gewicht wesentlich. Schwingt man
die in der eben angedeuteten Weise geschäftete
Metallhand, so erkennt man sehr rasch, dafs sie
eine nicht zu verachtende Waffe darstellte, mit
dem stumpfen Ende wie ein kräftiger Streit-
kolben wirkte, mit dem spitzen Dolchende vor-
züglich geeignet war, Leder- und Ringpanzer-
gugeln und selbst leichte Eisenhüte durchzuhauen.
Im grofsen ganzen genommen ist also die ge-
wählte Form der menschlichen Hand nur eine
ornamentale Ausgestaltung des Gedankens, einen
bronzenen Kugelstreitkolben durch Einfügung
einer Dolchklinge noch brauchbarer zu gestalten.



Abb. 2. Bronzener Dolchstreitkolben mit Eisenspitze und ergänztem Holzschaft, 14 Jahr-
hundert, von Grassendorf im Elsaß, auf ’/i der Naturgröße verkleinert (Coli. Forrer).


in der Breite, d. h. in der Länge des Dolches, der
ursprünglich übrigens etwas länger gewesen sein
dürfte, ebenfalls 11V2 cm.
Diese seltsame Bronzehand mit ihrem Dolch
ist relativ leicht: sie wiegt genau nur 300 Gramm,

Das Totalgewicht der wie oben angegeben
ergänzten Waffe beträgt 555 Gramm; es ist also
etwas leichter als das der Papageischnäbel des
16. und 17. Jahrhunderts (ein starkes Exemplar
meiner Sammlung wiegt 895 Gramm), erreichte
 
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