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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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3. Heft
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Eyßen, Eduard: Ein gefälschter Harnisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0110

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90

E. EYSSEN, EIN GEFÄLSCHTER HARNISCH

V. BAND

bewerkstelligt worden, nachdem man den Har-
nisch in seinen Hauptteilen fertig zusam-
mengesetzt hatte. Die Ätzstreifen auf den
jeweiligen Teilen erschienen nie weiter durchge-
führt, als sie im Zustand der Zusammensetzung
sichtbar waren. Die Streifen auf der Helm-
glocke schnitten mit dem Rand des Stirn-
stulps plötzlich ab, der Mittelstreifen hörte
hinten an der Federhülse auf, ohne bis zum
Nacken herunter geführt zu sein. Der Orna-
mentstreifen über der Mitte der Spangröls, deren
Folgenränder ausgeschnitten waren, setzte mit
der Bogenlinie des Einschnittes an jeder Folge
ab und zeigte vom Ornament genau soviel als
der Einschnitt freiliefs (Abb. 2). Noch besser

mentstreifens gänzlich unberührte Fläche,
umschrieben durch eine dem unregel-
mäfsigen, angefressenen Umrifs des Niet-
kopfes genau entsprechende Kontur
(Abb. 4)*). Die eben skizzierte Behandlung deckt
sich nun durchaus nicht mit dem früheren hand-
werklichen Verfahren. Vielmehr versehen die
alten Ätzmaler die Arbeit des Plattners un-
montiert und im einzelnen, Teil um Teil,
Stück für Stück mit Zierstreifen. ' Mit sicherem
Gefühl für eine solide Dekorationsweise zogen
sie ihren Zierstrich bis unter das überliegende
Geschübe (meist wird er auch durchgeführt) und
aus reiner Freude an der Verzierung brachten
sie ihre Ornamentmuster auch an wenig sicht-


Abb. 4. Unterrand des Bruststücks, links der iierausgenommene Mittelniet.

wurde nach Abnietung des Nackenschirms er-
kennbar, wie der Randstreifen an der unter-
genieteten Partie sich plötzlich verlor, während
die Silhouette des überliegenden Teils sich deutlich
abhob. Aufserdem erschien unter dem Niet-
kopf eine glatte, unbeätzte Fläche (Abb. 3).
Die gleichen Beobachtungen liefsen sich am ge-
samten Harnisch verfolgen: der Rand der ge-
schobenen Teile schnitt den Ätzstreifen
scharf ab und war oft durch verlaufenes
Ätzwasser markiert, die Ätzzeichnung ver-
mied oder überging die Niete. Besonders
klar erschien die letztere Beobachtung an der
Brust. Die Nietung des Gürtelreifens befand
sich in der Mitte und linksseitig in der alten
Verfassung. Um das Nietloch des herausge-
nommenen Mittelnietes war deutlich sicht-
bar eine blanke, von der Ätzung des Orna-

baren oder später verdeckten Stellen unverdrossen
an. Wie ferner die Untersuchung an einwand-
freien Helmen und Harnischteilen lehrt, wurden
etwa schon vorgearbeitete Nietlöcher durch die
Ätzung einfach überzogen, während man andrer-
seits die fertig ausgeführte Ätzverzierung für nach-
träglich notwendige Löcher unbekümmert durch-
schlug. Die Ätzstreifen müssen also bei alten
Stücken stets unter den Nieten durchlaufen.
Auch stofsen bei alter Arbeit die Ätz-
streifen, da, wo sie sich im Winkel treffen,
gewöhnlich hart aneinander, meist von
einer scharf durch die Ecke geführten
Einfassungslinie begleitet. Bei unserem Har-
4) Dafs auch die rechtsseitige, moderne Nietung
deutlich erkennbar umgangen und vom Ätzwasser ange-
griffen war, bewies ebenfalls, dafs die Überätzung nach
der Zusammensetzung stattgefunden hatte.
 
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