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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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4. Heft
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Forrer, Robert: Archäologisches und Technisches zu der byzantinischen Feuerwaffe des cod. Vat. 1605 vom 11. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0135

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4. HEFT R. FORRER, ARCHÄOLOGISCHES UND TECHNISCHES ZU DER BYZANT. FEUERWAFFE

115

Archäologisches und Technisches zu der byzantinischen
Feuerwaffe des cod. Vat. 1605 vom 11. Jahrhundert.^
Von Dr. R. Forrer

In Heft Nr. 3 dieser Zeitschrift hat Seite 83
bis 86 Prof. Rudolf Schneider, Heidelberg-
unter dem Titel „Eine byzantinische
Feuerwaffe“ unsern Lesern ein einer
byzantinischen Handschrift des 11. Jahrhunderts
entstammendes, in seinen Vorlagen noch älteres
Bild vorgeführt, welches einen Belagerer zeigt,
der auf einer an eine feindliche Mauer heran-
gerückten Fallbrücke steht undgeg’en den in jenem
Bilde nicht gezeichneten Feind ein Handfeuer-
rohr losbrennt. Schneider hat uns dort die
literarische Quelle philologisch beleuchtet und auch
auf Grund einer Notiz des Leo T aktikus dieFrage
des verwendeten Zündpulvers angeschnitten.
Diesen interessanten Mitteilungen möchte ich
hier noch einige Bemerkungen mehr archäolo-
gischer und technischer Natur anfügen.
Was die Form dieses byzantinischen
Feuerrohres anbetrifft, so geht sie aus dem von
Schneider gegebenen photographischen Klischee
deutlich hervor: Es ist ein kurzes Feuerrohr,
das sich nach vorn etwas verjüngt und hinten
mit einem Zündloch versehen ist, während unter-
halb dieses ein Handgriff senkrecht ansetzt und
bügelartig nach vorn läuft, um hier sich mit dem
Rohr wieder zu vereinigen (vgl. hier Abb. 1).


Abb. 1 a
Abb. 1 und ia. Faksimile der Feuerschufswaffe des cod. Vat.
Nr. 1605 und ihre Rekonstruktion.


Abb. 2 3

Der Schütze hält das Rohr mit der linken
Hand an jenem senkrechten Griffteil so, dafs das
Rohr wagrecht gegen den Gegner gerichtet ist,
und bringt mit der rechten Hand das Zündpulver
zur Entzündung. Diese erfolgt hinten am Rohr,
seitlich rechts durch ein entweder in der Rück-
wand oder auf der Kante liegendes Zündloch,
wahrscheinlich unter Zuhilfenahme eines Zünd-
schwammes oder auch einer Art Lunte.
Schneider vergleicht das Rohr mit einer
Pistole. Wollen wir nach einem noch exakteren
Vergleich suchen, so wird man jenes byzantinische
Rohr am besten den gotischen Hinterlader-
kammern parallel stellen, wie sie teils in
Originalen auf uns gekommen sind, teils auch in
alten Handzeichnungen und Kupferstichen sich
abgebildet vorfinden. Als Abbildungen letzterer
Art, soweit sie der byzantinischen Darstellung
besonders nahe kommen, erinnere ich an den
berühmten Kupferstich des Israel von Meckenem,
Bartsch 8, abgebildet u. a. bei Essenwein „Quellen“
Taf. A. LXVI und in meinem Strafsburger
Waffenausstellungskatalog 1903 Seite 21, woraus
ich hier in Abb. 2 und 3 zwei der dort dargestellten
Kammern kopiere.— Von den dem byzantinischen
Rohr in der Form eng verwandten Originalen
zitiere ich meine beiden gotischen Hinterlader-
kammern Abb. 8 und 12 des eben erwähnten Aus-
stellungskataloges, beide hier unter Abb. 4 und 5
reproduziert. — So ungefähr müssen auch jene
byzantinischen Feuerrohre ausgesehen haben,
ähnlich auch gearbeitet, d. h. aus Eisen oder
Eisenblech geschmiedet oder in Bronze bezw.
Bronzeblech geschmiedet oder gegossen ge-
wesen sein3).


Abb. 2—5. Gotische Hinterladerkammern des XV. Jahrhunderts
(Abb. 2 und 3 nach einem Kupferstich des Israel von Meckenen, Abb. 4 und 5 nach Originalen
in der Sammlung des Verfassers).

*) Anm. der Schriftleitung: Um die Diskussion
über die Frage der byzantinischen Feuerwaffe des 11. Jahr-
hunderts nicht zu weit hinauszuziehen, wurden die Bemer-
kungen Dr. Forrers, der im vorliegenden Heft schon mit
einem älteren Beitrag vertreten ist, noch in dieses Heft mit
aufgenommen.

') Heranzuziehen als Parallele, wenn auch in der Form
allerdings schon weniger genau entsprechend, wäre ferner
die von Demmin, Kriegswaffen (1891) S. 923 abgebildete
„Kleine bronzene, 15 cm lange javanische Handkanone
mit Handhabe oder vielleicht das Ladestück eines Hinter-
laders oder Veuglaire. In Aksoro-Ponging-Schrift trägt die-
 
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