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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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5. Heft
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Müller-Hickler, Hans: Die Waffen- und Uniformsammlung des Prof. Louis Braun in Wernfels
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0155

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5. HEFT H. MÜLLER-HICKLER, DIE WAFFEN- U. UNIFORMSAMMLUNG VON PROF. BRAUN

135

Ruhmvoll ist sein Andenken: in Ehren trugen
es die Bayern durch die Schlachten und Kämpfe
Napoleons I. und lorbeergeschmückt kehrten sie
aus dem heiligen Kriege zurück, um 1880 end-
gültig Abschied von dem Raupenhelm zu nehmen
und ihn gegen die alles ausgleichende Pickel-
haube einzutauschen. Das lederne, mit Metall-
kamm gezierte Kasket mit einem Anklang an
klassische Motive, zuweilen mit Rofsschweif oder
Fuchsrute geschmückt (der breite Metallbeschlag
an der Vorderseite erinnert an den der ersten
Grenadiermützen) wurde in Deutschland eigent-
lich von Amerika übernommen. Wir richteten
uns damals merkwürdigerweise nach der neuen
Welt, die um jene Zeit aufser der Tapferkeit
des Nationalheeres und der angeworbener Hessen
nicht viel Grofses in militärischen Angelegenheiten
aufzuweisen hatte. Rufsland und Österreich
folgten nach und veränderten den Aufputz beliebig.

Die Entwicklung des Kaskets zum Helm,
den Sprung in seine übertriebene Höhe und die
damit zusammenhängende Veränderung in Form
und Gewicht zeige ich nach Aufnahmen in Wern-
fels (Fig. 3), wobei ich mit Absicht nicht allein
bayrische Kopfbedeckungen wählte:
Nr. 1 ein kurbayrisches Rumfordkasket
1790 — 20 cm hoch — 660 g.
Nr. 2 ein königl. bayrischer Artilleriehelm
1810 — 50 cm hoch — 14x0 g.
Nr. 3 ein französischer Karabinier
1830 — 38 cm hoch — 1000 g.
Nr. 4 ein bayrischer Kürassir
1849/80 — 30 cm hoch — 1200 g.
Nr. 5 ein bayrischer Chevauleger
1880 — 25 cm hoch — 550 g.
Die Gewichtszunahme von Nr. 4 erklärt sich
infolge des Metalles.


Fig. 3.
Entwickelung der Kaskets.

Der Kamm und die Raupe wurden mannigfach
umgewandelt. Mit Ausnahme der Grenadiere
trugen in vielen Ländern fast alle Truppen das
Kasket, sogar in Polen verliefs man die traditionelle
Czapka. In Frankreich mit seinen durch die
Revolution aufgescheuchten klassischen Anwand-
lungen wurde es freudig begrüfst. Neben dem
schlappen, widerlichen Lochhöslerhut, zu dem die
Redensart pafst: „Avec du fer et du pain on
peut aller en Chine“ (als ob sonst nichts nötig
wäre) mag sich allerdings das adrette Heimchen
recht merkwürdig vorgekommen sein.
In einigen Ländern leben seine Nachkommen
weiter, so in Italien, in der päpstlichen Truppe, bei
den österreichischen Dragonern usw. In der
Schweiz sind seine Spuren noch in den seitlichen
Metallspangen der Guidenczakos zu finden. (Diese
Spangen waren die Auszeichnung für berittene
Truppen und eine kleine Verstärkung gegen
Säbelhiebe.)

Ich wollte keine Sensationshascherei treiben
und habe deshalb einen württembergischen Küras-
sierhelm von 1810 aus der Skala gelassen; er
repräsentiert aber das stärkste, was jemals an
Unverstand geboten wurde, und mufs eine Rlasse
für sich bleiben. Bei einer Höhe von 65 cm wiegt
er 6350 kg, also fast 13mal soviel als heute ein
Mannschaftshelm.
Aus der Skala ist die gründliche Veränderung
ersichtlich, die das Kasket durchmacht; sie zeigt,
wie aus einer trag- und brauchbaren Kopfbe-
deckung ein Modeunsinn ward und wie lange es
dauerte, bis man sich wieder zum Verständigen
zurückwandte.
Sehr schön ausgestattetes Sattelzeug und
eine Menge kleiner Equipierungsstücke, die nicht
alle in der Gruppe Aufnahme finden konnten, ver-
vollständigen das Bild der schönen Zeit mit ihrem
Übergang zu einer Periode voll Schmach, Krieg
und herrlichem Sieg über den Länder-Bedrücker.
 
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