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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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5. Heft
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Müller-Hickler, Hans: Die Waffen- und Uniformsammlung des Prof. Louis Braun in Wernfels
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0160

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H. MÜLLER-HICKLER, DIE WAFFEN- U. UNIFORMSAMMLUNG VON PROF. BRAUN V. BAND

angesprochen zu werden. Gegen die dreifsiger
Jahre wird er mehr zylindrisch, dann dehnt er
sich, offenbar infolge wichtiger strategischer Er-
wägungen, nach unten aus und so wird er noch
jetzt getragen. Das sogenannte Cäppi ist eine
Nebenerscheinung.
Eine Art Kopfbedeckung, die zu Anfang des
19. Jahrhunderts Anklang fand, ist der Tiroler-
hut, anfangs von tschakoartigem Aussehen mit
hoch nach oben geklapptem Rande. Er wurde
in Österreich zuerst benutzt und lebt noch jetzt
bei den Kaiserjägern. Die Zeiten der Freiheits-
kriege sind vorbei, in den Tuilerien herrschen
Fürsten des Glaubens, der Kaiserruf wich dem
Kyrie. Der Soldat sattelte ab.
Die alten Formen erhalten sich im Jahre 1830,
doch nimmt jetzt alles gemäfsigtere Verhältnisse
an. Die alte Pracht bleibt, der von Karl X. ein-
geführte Dragonerhelm ist ein ebenso kostbares
Stück wie der des bayrischen Garde du corps(Fig. 7).


Fig. 7.
Französischer Helm, 1830.

Silbergetriebene Ornamente, vom Hinterschirm
nach vorne bewegt, schmücken ihn, der Kamm zeigt
stilisierte Straufsenfedern. • Ein ganz neuer Typ
erscheint — die preufsische Pickelhaube um 1843.
Sie hat manche Vorzüge vor dem Tschako und
wäre entschieden eine Verbesserung gegen ihn
geworden, hätte sie die niedere Form des Kaskets
gehabt, doch sie war übertrieben hoch und
schwerer als der Tschako. Jetzt freilich ist der
Plelm in Gröfse und Gewicht brauchbar geworden;
er ist eine sehr militärische Kopfbedeckung und
unbedingt gegen Strapazen sehr widerstandsfähig.
Seine vielen Metallbestandteile, die, seitdem seine
Form niedriger ist, ihn fast bedecken, sind ein Nach-
teil. Über sein Gewicht habe ich bereits geschrie-
ben. Die Pickelhaube und die Feldmütze werden
gewifs für die nächste Zeit unsere Nationalkopf-
bedeckungen bleiben. Der scherzhafte Chinahut
und die komische Mütze, die vor Jahren die
Lazaretgehülfen trugen, waren glücklicherweise

nur vorübergehende Übel. Eine ebenfalls neue
Form ist die der bayrischen Hartschiere mit dem
kleinen Löwen. Die Uniform dieser Gardetruppe
ist eine völlig zusammengeworfene und gehört
zu jenen, die ich als nicht stilgerecht bezeichnete.
Die Reiterstiefel und die Glefe sind nicht zu ver-
einigen. Am richtigsten erscheint der Hartschier
mit dem Karabiner innerhalb des Schlosses.
Die Uniform der meisten Staaten ist nun der
Waffenrock.
Ein Teil der vorhandenen Equipierungen der
feindlichen Heere ist aufgestellt. Die Flügel
halten zwei wohlbekannte Gestalten, die der Fan-
tasin und des bayrischen Chevaulegers. Erstere
vertritt die gesamte französische Infanterie. Die
Garde hatte Brustlitzen an Mantel und Tunique
und die Bärenmütze, die jedoch zum Unterschied
von der des ersten Kaiserreiches den Nacken
bedeckte. Die rote Hose führt die gesamte Infan-
terie. Der bayrische Chevauleger ist mit Aus-
nahme des Helmes das getreue Abbild der von
Napoleon I. errichteten chevaux legers francais.
Das Grün des ulankaartigen Waffenrockes, der
carmoisinrote Besatz des 142. Regiments ist noch
genau wie früher, ebenso der breite rote Streifen
am Beinkleid, das weifse Lederzeug. Es liegt diese
Erscheinung an der grofsen Beharrlichkeit der
Bayern, das für gut erkannte festzuhalten. Die
Entwicklung und Beibehaltung des Raupen-
helmes zeigt das ebenso wie das lange Tragen des
hellblauen Tuches. Hoffen wir, dafs es so bleibt;
die Stärke des Reiches liegt nicht in der völligen
Gleichheit des Uniformschnittes; kleinere Staaten
haben auch einmal einen guten Einfall! Vielleicht
erleben wir es noch, dafs bei der Kavallerie der
Karabiner auf dem Rücken und wie beim bay-
rischen Chevauleger der Brotbeutel an der Seite
getragen wird; denn trennt sich jetzt der Reiter
unfreiwillig von seinem Tier, so ist er jeglichen
Mittels sich zu wehren oder sein Leben zu
fristen bar.
Den Mittelpunkt der Gruppe nehmen die
Kürassire der beiden Länder ein, ein Halber-
städter und ein französischer Gardecurrassir.
Beide Repräsentanten einer ritterlichen Waffe,
die sich für ihr Land geopfert hat. In Frank-
reich lebt der Kürafs, dessen Form nun wie
überall nach unten schmäler wurde (Stärke 2 mm),
weiter; die Centgardes, Gardecurrassire und Cara-
biniers wurden nach 1871 ebenfalls in Linien-
regimenter verwandelt. In Deutschland ist der
Harnisch abgelegt und wird nur noch bei Paraden
getragen. Die Kürassire von Vionville und Mars
la tour haben den letzten Rest alter deutscher
Panzerreiterherrlichkeit mit in ihr lorbeerge-
schmücktes Heldengrab genommen. Eine reiche
 
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