Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

DOI Heft:
5. Heft
DOI Artikel:
Gohlke, Wilhelm: Nichtmetallische Geschützrohre
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0163

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5. HEFT

W. GOHLKE, NICHTMETALLISCHE GESCHÜTZROHRE

143

abgebildet, die solche Holzkanonen bedienen:
der eine hat das Geschütz auf der Schulter ge-
laden, der andere stützt das Hinterteil der Waffe
auf eine eiserne Gabel, zielt und entzündet die
Ladung1).
Noch lange, nachdem Eisen und Bronze das
Holzmaterial der Geschützrohre ersetzt hatte,
machte man oft aus der Not eine Tugend und
fertigte Holzgeschütze. Besonders häufig geschah
dies für das Schiefsen von Handgranaten, weil
beim Werfen aus freier Hand sehr oft der wer-
fende Grenadier verletzt wurde. Doch auch
Brandgeschosse und Feuerwerkskörper wurden
aus solchen Mörsern geworfen.
1596 hatten die in Hulst belagerten Nieder-
länder hölzerne, mit eisernen Ringen umlegte
Feuerbüchsen, aus denen sie Brandkugeln auf die
Spanier schossen. Diese Büchsen konnten jedoch
nur leichte Geschosse dieser Art mit schwachen
Ladungen werfen und hielten nur kurze Zeit2).
1677: Oberst v. Geissler in seiner „Neuen ku-
riosen und vollkommenen Artillerie Dresden 1718 ‘,
III, S. 110, schreibt: Von den holtzernen Mortiers,
womit Bomben, Handgranaten und Diagoner
(Feldsteine) geworffen werden.
Diese holtzerne Mortier seynd in Zeit der
Noth nützlich und wohl zu gebrauchen. Anno
1677 ward ich nach Dunquercken commandiret
und weil der damalige Gouverneur Ms de Bonnet
sich sowohl von den Holländern als auch den
Spaniern eine Belagerung vermuthete und zudem
lagen allbereits 5 grofse holländische und 2
spanische Kriegsschiffe vor dem Mund des Hafens,
liefs ich zu der Zeit weil keine Mortiers sonder-
lich vorhanden waren (Fig. 3) einige dieser


holtzernen Mortiers verfertigen, woraus den
12. Juli obenerwähnten Jahres im Beysein des
Gouverneurs und Ms de Yobaut 40 Wurff getan
und auf 200 Schritt und darüber die Steine hinaus-
') Viollet le Duc, Trait ä poudre VI. S. 329.
’2) Meteeren, Niederländische Historie, Bd. 18, Seite 768.

gelegt wurden, welches Mr de Yobaut sehr gut
befand und sagte, dafs dieses so wohl in als
aufserhalb der Belagerung nützlich zu gebrauchen.
Das zu dem Mortier genommene Holtz ist vom
Stamm oder der Wurzel des Baumes und wird
der Mortier auf einem Bohlen von 3 Zoll Dicke
befestigt, also dafs solcher unbeweglich allemahl
auf 45 Grad stehn. An dem Bohlen können
4 Rullen seyn, damit desto bequemer der Mortier
von einem Orte zum andern gebracht werden,
die Kammer kann von Bley, besser aber von
Metall seyn, das Zündloch ist von Eisen oder
Metall und seind 4 eiserne Ringe so feste darum
getrieben und nachgehends mit starken Leinen
überwunden und beleimt; thue ja keinen Spiegel
auff das Pulver in der Kammer oder der Mortier
springet.“
Im letzten Russisch-Japanischen Kriege 1904
stellten die Japaner einige Hundert hölzerne
Mörser her und warfen aus ihnen Dynamitbomben
auf Entfernungen von 360 bis 410 m; der erste
hölzerne Dynamitbombenmörser wurde von den
Russen auf dem Urhlungforthügel gegen die
Laufgräben der Belagerer verwendet; er schofs
auf Entfernungen von 230 bis 410 m.
Doch auch längere Geschützrohre, Kanonen,
formte man im Drange der Not noch bis in die
jüngste Zeit aus Holz.
Im Bauernkriege erbaute Georg Weber den
Aufständischen in Dinkelsbühl Kanonen aus
grünen Waldbäumen. Unter den 100 Geschützen
bei Kaiser Karls V. Einzug in München im
Jahre 1530 befand sich ein 5,6 m langes hölzernes,
mit Eisenringen beschlagenes Geschütz, das 1525
den Salzburger Bauern bei Rastatt abgenommen
war®).
1746 findet man nach Moritz Meyer in Ant-
werpen zwei Kanonen aus Kupferblech und Holz
gefertigt.
1793 hat die französische Armee bei Famars
dünne eiserne, an einer Seite verschlossene Rohre,
die in hölzerne Stämme eingesetzt waren. Die
Stämme wurden an Ort und Stelle ausgebohrt;
sie hielten 8 bis 10 Schufs aus (M. Meyer).
Auch die Tiroler bedienten sich in ihren
Kämpfen 1809 der Holzkanonen, eine derselben
befindet sich im Germanischen Museum zu Nürn-
berg und ist in Essenweins Quellen zur Geschichte
der Feuerwaffen S. 1877 I. O. 106 abgebildet4).
(Fig;- 3a-)
3) Kleine Wittenberger Chronik v. J 1730.
4) Auf dieses Geschütz bezieht sich wohl auch die
Angabe in M. Meyer unter 1809: In Deutschland wurden
hölzerne, aus Dauben zusammengesetzte Kanonen zu Stein-
würfen gebraucht.
 
Annotationen