8. HEFT B. RATHGEN, DIE PUNISCHEN GESCHOSSE DES ARSENALS VON KARTHAGO
237
schosse sind in Sizilien >dem Ursprungslande der
Schiefsmaschinen« bisher nicht gefunden worden.J)
Um so wichtiger ist der Umstand, dafs in
Karthago ganz einwandfrei beweisbar grofse Mu-
nitionsbestände des punischen Arsenals auf uns
gekommen sind. Die römische Zerstörungswut,
der Hafs gegen Karthago liefs die ganze Stadt
völlig vernichten. Die Brandruinen wurden ein-
geebnet. Heute noch sieht man, wie die Römer mit
und über den Trümmern ein vollständig geebnetes
Planum hergestellt haben. Auf diesem wurde
dann 190 Jahre später mit dem Aufbau einer
neuen Stadt auf der alten Stelle begonnen, dabei
teilweise über der dicken, hohen, klar erkenn-
baren Schicht des Brandschuttes der Boden
zunächst mit Gufswerk — Estrich — befestigt.
Was hatte verbrennen können, das hatte der
grofse Brand hinweggerafft. Pfeile oder Bolzen
für die Geschütze sind daher vernichtet. Aber
die Steingeschosse, die auf den Wällen, hinter
den Bastionen in kleinen Gebrauchsmagazinen
bezw. in grofsen Vorratsräumen aufgespeichert
lagen, gewifs ähnlich wie zur Zeit der glatten
Pulvergeschütze, deren eiserne Geschosse inKugel-
haufen aufgespeichert oder in Längsgräben einge-
lagert waren, sind vom Feuer verschont geblieben.
Die Mauern und der Brandschutt fielen über sie,
deckten sie zu, bewahrten sie dann unter den
römischen Einebnungsarbeiten für eine spätere
Zukunft unverändert auf. Bis in die letzten
Jahre hinein war das Land in der Gegend des
punischen Kriegshafens und Arsenals ödes Weide-
land. Seit kurzem erst setzt dort eine leider un-
kontrollierte und gegen das Altertum respektlose
Bebauung ein. Waren früher immer schon bei
Arbeiten, Grabungen, in dieser Gegend vereinzelte
Steinkugeln zutage gefördert worden, so wurden
jetzt bei den Fundamentierungen der Keller-
anlagen in dem ehemaligen Arsenalgelände
grofse Depots von Steinkugeln freigelegt. Der
frühere Direktor des Bardo-Museums zu lunis,
Dr. Gaukler, hat in seinem Rapport über die
Tätigkeit der Altertumsverwaltung in den Jahren
1900 — 1905 (erschienen in Nouvelles archives des
missions scientifiques Tome XV. Paris 1908) die
Einzelheiten über die näheren Umstände zweier
grofser, besonders wichtiger derartiger Depot-
funde veröffentlicht. Durch die vielfach mit
den Geschossen zusammen an denselben Orten
gleichzeitig gefundenen sonstigen Gegenstände
zweifellos punischer Herkunft hat er schon an
Die in den römischen Lagern und in den Limes-
kastellen in Deutschland gemachten Funde von Geschossen
aus Stein und Ton bedürfen einer besonderen eingehenden
Bearbeitung; sie konnten hier zum Vergleich noch nicht
herausgezogen werden.
sich bestimmt nachgewiesen, dafs es sich um
punische Munition handele; er hat aber aufser-
dem noch festgestellt, dafs ein Teil dieser Ge-
schosse mit punischen Buchstaben gezeichnet ist.
Damit ist nun jeder Zweifel über deren Herkunft
beseitigt. Früher hatte ein frommer Glaube die
einzeln vorkommenden Kugeln als Hinterlassen-
schaft Ludwigs des Heiligen, der hier 1270 starb,
bezeichnet, dann waren sie der Artillerie Karls V.,
dann derjenigen der Türken zugeschrieben worden.
Bei dem einen dieser beiden ersten grofsen,
sicher bekannten Munitions-Depots fand man
aufser den schweren Steinkugeln Riesenmengen
von tönernen Schleudergeschossen. Ins Bardo-
museum allein sind mehr als 20000 Stück von ihnen
gekommen: Flachgedrückte Ellipsoide von 6:4cm
Grofse bei etwa 2 cm Dicke; hart gebrannter Ton
von verschiedener Färbung, grau, gelb, rot, je nach
der Stärke des Gebranntseins. Die Gewichte be-
tragen im grofsen Durchschnitt 50 g bei Schwan-
kungen bis zu 40 bezw. 60 g. (Die im Museum in
geringer Menge vorhandenen römischen Schleuder-
bleie wiegen 40 bis 65 g). Die Geschosse sind mit
Formzangen aus dem Lehm herausgekniffen worden,
zeigen deshalb in der Mitte des äufseren Umfanges
durchgehend eine Prefsnaht. Genau dasselbe Ver-
fahren wendeten die Knaben vor reichlich 50 Jahren
in Weimar an, um die Lehmkugeln für ihre Bailäster
anzufertigen. Nur dafs dieses Rundkugeln waren
und man sich mit der Lufttrocknung begnügte. Die
Formbecken der Zange wurden im Innern leicht ein-
geölt, damit die Kugel glatt und willig sich aus der
Form loslösen konnte.
In diesen beiden Depots fanden sich zirka 2500
Steinkugeln und hiervon waren 222 Stück mit zwölf
verschiedenen punischen Buchstaben gezeichnet.
Die Kugeln waren sämtlich aus einem festen, grauen
Kalkstein gefertigt, dessen Steinbrüche —Kredel —
noch heute mit Sicherheit nachzuweisen sind. Seit-
dem haben sich die Funde an derartigen Geschossen
von Jahr zu Jahr gemehrt. Alle sind sie in den eng'-
umschriebenen Grenzen des Arsenals oder im Zuge
der alten Stadtbefestigung gemacht worden. Jetzt
bildet sich in diesem Gelände eine Villenkolonie,
deren Bewohner ihre Gärten mit den Kugeln in
sehr gefälliger Weise als Beeteinfassung verzieren.
Da das nun Mode geworden ist, werden die Kugeln
vielfach verschleppt, finden sich schon in den 5 km
entfernten Gärten von Goulette zum gleichen
Zweck verwendet.
Die Kugeln sind in der grofsen Llauptmenge
säuberlich mit einem Zinkenhammer glatt zu-
gehauen. Besonders bei den rein grauen Steinen
ist das gut gelungen, während die mehr graugelb-
lichen Steine eine etwas splittrige, narbenförmige
Oberfläche zeigen. Ob bei ihnen die letzte Retusche
237
schosse sind in Sizilien >dem Ursprungslande der
Schiefsmaschinen« bisher nicht gefunden worden.J)
Um so wichtiger ist der Umstand, dafs in
Karthago ganz einwandfrei beweisbar grofse Mu-
nitionsbestände des punischen Arsenals auf uns
gekommen sind. Die römische Zerstörungswut,
der Hafs gegen Karthago liefs die ganze Stadt
völlig vernichten. Die Brandruinen wurden ein-
geebnet. Heute noch sieht man, wie die Römer mit
und über den Trümmern ein vollständig geebnetes
Planum hergestellt haben. Auf diesem wurde
dann 190 Jahre später mit dem Aufbau einer
neuen Stadt auf der alten Stelle begonnen, dabei
teilweise über der dicken, hohen, klar erkenn-
baren Schicht des Brandschuttes der Boden
zunächst mit Gufswerk — Estrich — befestigt.
Was hatte verbrennen können, das hatte der
grofse Brand hinweggerafft. Pfeile oder Bolzen
für die Geschütze sind daher vernichtet. Aber
die Steingeschosse, die auf den Wällen, hinter
den Bastionen in kleinen Gebrauchsmagazinen
bezw. in grofsen Vorratsräumen aufgespeichert
lagen, gewifs ähnlich wie zur Zeit der glatten
Pulvergeschütze, deren eiserne Geschosse inKugel-
haufen aufgespeichert oder in Längsgräben einge-
lagert waren, sind vom Feuer verschont geblieben.
Die Mauern und der Brandschutt fielen über sie,
deckten sie zu, bewahrten sie dann unter den
römischen Einebnungsarbeiten für eine spätere
Zukunft unverändert auf. Bis in die letzten
Jahre hinein war das Land in der Gegend des
punischen Kriegshafens und Arsenals ödes Weide-
land. Seit kurzem erst setzt dort eine leider un-
kontrollierte und gegen das Altertum respektlose
Bebauung ein. Waren früher immer schon bei
Arbeiten, Grabungen, in dieser Gegend vereinzelte
Steinkugeln zutage gefördert worden, so wurden
jetzt bei den Fundamentierungen der Keller-
anlagen in dem ehemaligen Arsenalgelände
grofse Depots von Steinkugeln freigelegt. Der
frühere Direktor des Bardo-Museums zu lunis,
Dr. Gaukler, hat in seinem Rapport über die
Tätigkeit der Altertumsverwaltung in den Jahren
1900 — 1905 (erschienen in Nouvelles archives des
missions scientifiques Tome XV. Paris 1908) die
Einzelheiten über die näheren Umstände zweier
grofser, besonders wichtiger derartiger Depot-
funde veröffentlicht. Durch die vielfach mit
den Geschossen zusammen an denselben Orten
gleichzeitig gefundenen sonstigen Gegenstände
zweifellos punischer Herkunft hat er schon an
Die in den römischen Lagern und in den Limes-
kastellen in Deutschland gemachten Funde von Geschossen
aus Stein und Ton bedürfen einer besonderen eingehenden
Bearbeitung; sie konnten hier zum Vergleich noch nicht
herausgezogen werden.
sich bestimmt nachgewiesen, dafs es sich um
punische Munition handele; er hat aber aufser-
dem noch festgestellt, dafs ein Teil dieser Ge-
schosse mit punischen Buchstaben gezeichnet ist.
Damit ist nun jeder Zweifel über deren Herkunft
beseitigt. Früher hatte ein frommer Glaube die
einzeln vorkommenden Kugeln als Hinterlassen-
schaft Ludwigs des Heiligen, der hier 1270 starb,
bezeichnet, dann waren sie der Artillerie Karls V.,
dann derjenigen der Türken zugeschrieben worden.
Bei dem einen dieser beiden ersten grofsen,
sicher bekannten Munitions-Depots fand man
aufser den schweren Steinkugeln Riesenmengen
von tönernen Schleudergeschossen. Ins Bardo-
museum allein sind mehr als 20000 Stück von ihnen
gekommen: Flachgedrückte Ellipsoide von 6:4cm
Grofse bei etwa 2 cm Dicke; hart gebrannter Ton
von verschiedener Färbung, grau, gelb, rot, je nach
der Stärke des Gebranntseins. Die Gewichte be-
tragen im grofsen Durchschnitt 50 g bei Schwan-
kungen bis zu 40 bezw. 60 g. (Die im Museum in
geringer Menge vorhandenen römischen Schleuder-
bleie wiegen 40 bis 65 g). Die Geschosse sind mit
Formzangen aus dem Lehm herausgekniffen worden,
zeigen deshalb in der Mitte des äufseren Umfanges
durchgehend eine Prefsnaht. Genau dasselbe Ver-
fahren wendeten die Knaben vor reichlich 50 Jahren
in Weimar an, um die Lehmkugeln für ihre Bailäster
anzufertigen. Nur dafs dieses Rundkugeln waren
und man sich mit der Lufttrocknung begnügte. Die
Formbecken der Zange wurden im Innern leicht ein-
geölt, damit die Kugel glatt und willig sich aus der
Form loslösen konnte.
In diesen beiden Depots fanden sich zirka 2500
Steinkugeln und hiervon waren 222 Stück mit zwölf
verschiedenen punischen Buchstaben gezeichnet.
Die Kugeln waren sämtlich aus einem festen, grauen
Kalkstein gefertigt, dessen Steinbrüche —Kredel —
noch heute mit Sicherheit nachzuweisen sind. Seit-
dem haben sich die Funde an derartigen Geschossen
von Jahr zu Jahr gemehrt. Alle sind sie in den eng'-
umschriebenen Grenzen des Arsenals oder im Zuge
der alten Stadtbefestigung gemacht worden. Jetzt
bildet sich in diesem Gelände eine Villenkolonie,
deren Bewohner ihre Gärten mit den Kugeln in
sehr gefälliger Weise als Beeteinfassung verzieren.
Da das nun Mode geworden ist, werden die Kugeln
vielfach verschleppt, finden sich schon in den 5 km
entfernten Gärten von Goulette zum gleichen
Zweck verwendet.
Die Kugeln sind in der grofsen Llauptmenge
säuberlich mit einem Zinkenhammer glatt zu-
gehauen. Besonders bei den rein grauen Steinen
ist das gut gelungen, während die mehr graugelb-
lichen Steine eine etwas splittrige, narbenförmige
Oberfläche zeigen. Ob bei ihnen die letzte Retusche