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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 1
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Bilderschicksale
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0032

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2

Nr. i.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

BILDERSCHICKSALE.

Maler und andere Kunstleute denken
wohl einmal darüber nach, wohin all
die unzähligen Bilder gekommen sein
mögen, die von Tausenden geschickter,
auch ungeschickter Hände gemalt wor/
den sind. Was in den Museen und
Privatsammlungen vorliegt, ist ja ge-
wiß sehr viel, aber nicht annähernd ge-
nug, um an Masse dem zu entsprechen,
was überhaupt gemalt worden ist. Man
fragt sich also, wo die vielen alten Ge-
mälde geblieben sind. Der Kunsthistoriker
weiß da ein wenig Bescheid, aber auch
er muß lange suchen und forschen, be-
vor er bündig antworten kann. Eine
Geschichte des gesamten Gemäldevor-
rats, angeschaut unter dem Gesichts-
winkel der Bilderschicksale, ist noch nicht
geschrieben. Nur über einzelne Gruppen
von Bildern und ihre Lebensgeschichte
ist man leidlich unterrichtet, und sogar
in großen, wohl studierten Sammlungen
gibt es genug der alten Stücke, von denen
man nicht bestimmt angeben kann, wo
sie noch vor hundert, vor zweihundert
Jahren gewesen. Geradewegs Regel ist
es, daß man bei einem alten Bilde nur
kleine Strecken von langen Wande-
rungen zu überblicken vermag. Gewöhn-
lich bleibt ein weiter Weg ganz dunkel.
Denn bei Bildern ist es ja nicht wie bei
Planeten, deren Umlauf sich aus der
Beobachtung von kurzen Stücken der
Bahn mit Sicherheit berechnen läßt.
Derlei Sicherheit wird in den Bahnen
der Gemälde gewiß nicht vorgefunden,
aber doch gibt es auch da eine Art
Kreislauf, nur ist es einer, der leider
nichts Himmlisches an sich hat und
dem Kreislauf alles Irdischen ganz ver-
zweifeltnahe steht. Von der Erde kommt
alles, aus dem Gemälde entstehen, zur
Erde kehrt alles zurück. Die Stoffe, die
beim Malen zur Verwendung kommen,
unterliegen alle den Gesetzen der Ver-
gänglichkeit, und noch kein Bild ist

für die Ewigkeit geschaffen worden. Vor-
zügliches Material hat zwar in manchen
Fällen Jahrtausenden getrotzt, wie viel
Solides ist aber dennoch nach kurzem
Bestände unwiederbringlich verloren ge-
gangen! Ich gehe dabei gar nicht auf
den Verlust ungezählter Werke der an-
tiken Malerei ein; auch die vielen ver-
schwundenen Buchmalereien aus dem
Mittelalter sollen mich diesmal nicht
von den Galeriebildern ablenken, so
sehr auch gerade jetzt, kurz nach dem
Brande in der Turiner Bibliothek, die
Versuchung heranrückt, von verlorenen
Miniaturen zu reden. Auch von den
vielen verblichenen Wandmalereien äl-
terer und neuerer Zeiten wird nicht ein-
gehend gehandelt, und nur ein Beispiel
sei angedeutet, bei dem man durch alte
Kopien von dem allgemeinen Aussehen
des Originals Kenntnis erlangt.

Van Mander beschreibt eine Wand-
malerei des Hugo van der Goes in
einem alten Hause zu Gent, auf dem
die Zusammenkunft Davids mit Abigail
dargestellt war. Er beschreibt das Bild
so eingehend, daß sich danach zwei Ko-
pien auffinden ließen. Eine dieser Ko-
pien gehört dem Brüsseler Museum, die
andere der Galerie J. V. Novak zu Prag.*)

Diesmal halte ich mich nur an
Staffeleibilder, deren Schicksale**)
etwas aus der Nähe beleuchtet werden
sollen, und zwar in bezug auf die häu-
figsten Todesarten der Bilder. Ge-
mälde vermodern, zerbröckeln, verbren-
nen, ertrinken, oder sie „verschwinden“;
endlich werden sie nicht selten beim Re-
staurator mehr hingerichtet als herge-
stellt. Friedrich Pecht schrieb 1868 das
harte, wohl etwas übertriebene Urteil

*) Hierzu „Chronique des arts et de la
curiosite“, 1896, S. 157 ff-, „Gazette des beaux
arts“, 1898, II, S. 347 ff. und das Verzeichnis
der Galerie Novak, S. 18 f.

**) Zu den Wanderungen von Galerie-
bildern vergl. die erste Reihe der „Kleinen
Galeriestudien“, Bd. I, S. 267 ff. (Bamberg,
Büchner, 1892, später Koch).
 
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