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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 1
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Bilderschicksale
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0033

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Nr. i.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

3

nieder, es unterliege für den Kenner
keinem Zweifel, „daß die Restauratoren
weit mehr alte Meisterwerke zugrunde
gerichtet haben, als die Zeit“. Und man
bemerkt schaudernd beim anhaltenden
Studium alter Bilder, daß wirklich ganz
unverantwortlich viele Bilder durch Put'
zen und Reiben ihrer Lasuren, ja noch
tieferer Farbenschichten beraubt worden
sind. Was dann wieder aufgemalt und
lasiert worden ist, kann uns unter keiner
Bedingung das verlorene Alte ersetzen.
Und noch viele andere Operationen, die
vorgeblich zu Nutz und Frommen von
Bildern und Sammlern unternommen
worden sind, haben den Bildern für alle
Zeiten das genommen, was ihren Wert
als geschichtliche Urkunde, ihren Reiz in
ästhetischem Sinne ausgemacht hatte.
Noch schlimmer steht es um die Fälle,
in denen durch Fälscherkniffe alte Bih
der eingreifend geschädigt worden sind,
durch Abkratzen unbequemer Erken'
nungszeichen und Auflegen täuschender
Schichten. Man kennt diese gewissen'
losen Vorgänge schon lange, ohne sie
abschaffen zu können.*) Also versucht
man es, die falschen Lagen zu entfernen;
das Bild wird wieder geschunden, wieder,
wie es heißt: geheilt, nicht immer von
den richtigen Heilkünstlern. Die Kuren
ließen immer tiefere Spuren zurück, und
so wurden gar viele Gemälde langsam
aber sicher vom Leben zum Tode be'
fördert. Denn schließlich ist so ein Bild
ganz unkenntlich geworden, nahezu zum
Material herabgesunken und es wandelt
dann den Weg aller alten Bretter und
Lappen. Nichts mehr von diesem lang'
samen Hinsiechen!

Geschwinder reiten die Toten. Bil'
der, die ins Wasser fallen, dürften ihr
Schicksal gewöhnlich sehr rasch erfüllen,
und bald auch physisch zerfallen, nach'
dem sie ihr künstlerisches Leben ver'

*) Schon 1780 erwähnt der jüngere Le
Brun im Vorwort zum Katalog Poullain die
Gefährdung der Bilder durch Fälscherkünste.

loren haben, auch wenn es nicht gerade
leicht verwischbare, gegen Wasser sehr
empfindliche Aquarelle und Tempera'
bilder sind. Ab und zu las man von
Schiffbrüchen, bei denen auch Bilder ZU'
gründe gegangen sind. Der große Kata'
log der Sankt Petersburger Galerie be'
richtet vom Untergang der kostbaren
Bilder, die 1780 aus der Amsterdamer
Sammlung Braamcamp für die russi'
sehe Hofsammlung angekauft worden
waren. Das baltische Meer wurde ihr
Grab. 1898 notierte ich mir, daß beim
Schiffbruch der „Bourgogne“ zahlreiche
Gemälde mit verunglückt sind, unter
anderen Jules Dupres „Passage du Gue“,
Cazins „ZuyderSee“ und zwei Viberts.*)
Vor einigen Jahrzehnten ist das prächtige
Bildnis des Grafen Eduard Zichy von
Makart durch einen Windstoß in die
Donau geschleudert worden. Heute kann
man es nur mehr aus Nachbildungen
kennen lernen, von denen eine gemalte
sich beim Grafen Eugen Zichy in Buda'
pest befindet. Die ertrunkenen Originale
werden wohl durch keinen Taucher mehr
zustande gebracht werden. Verloren ist
verloren!

Der Feuertod geht nicht minder
gründlich vor, und selten hält das ver'
derbliche Element mitten im Werk inne.
Man kennt angebrannte Bilder. Marco
Boschini macht z. B. eines in der Kirche
Madonna del Orto zu Venedig namhaft,
das durch Altarkerzen versengt wurde.**)
Ich erinnere mich, angebrannte Bilder da
und dort gesehen zu haben, z. B. eines
in der Sammlung Benedek zu Graz.
Zumeist aber verbrennen zugleich mit
einer ganzen Saaleinrichtung, zusam'
men mit einem ganzen Schloß die vom
Feuer ergriffenen Bilder gänzlich. So
ist ein Tizian in San Marco zu Venedig

*) Vergl. „The nineteenth Century“, Ok'
tober 1898, S. 617.

**) „Rieche minere dellapittura veneziana.“
Einleitung,
 
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