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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 1
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Bilderschicksale
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0034

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Nr. i.

BLATTER FÜR GEMALDEKUNDE.

1579 oder 1580 verbrannt.*) Ein oft
genanntes Meisterwerk, das durch Feuer
vernichtet worden ist, war ehedem gleich'
falls in Venedig zu sehen; ich meine
Tizians Petrus Martyr, ein Kunstwerk, das
in den 1860 er Jahren beim Ausbrennen der
Capelia del Rosario seinen Untergang ge'
funden hat. In diesem Falle helfen uns
zahlreiche gute Kopien ein wenig über den
Verlust hinweg. Schwerer zu tragen ist
die nahezu gänzliche Zerstörung des
alten Bilderschmucks im großen Rat'
saale des Dogenpalastes zu Venedig.
1577 brach Feuer aus und es verzehrte
die kostbaren Malereien von Giovanni
und Gentile Bellini, Alvise Vivarini,
Carpaccio und anderen. Nur geringe
Reste der Wandmalerei des Guariento,
die das Paradies darstellten, sind er'
halten geblieben.**) Gar schmerzlich für
die Kunstgeschichte ist auch die Ver'
nichtung der Porträtgalerie im Louvre.
Dieses Unglück geschah 1661, und nur
weniges wurde gerettet. Am 18. Juli 1718
brannte die Jesuitenkirche in Antwerpen
aus. Es ist weit bekannt, daß bei jener
Feuersbrunst die Deckengemälde des
Rubens in Rauch aufgingen. Alte
Kopien und einige Originalskizzen
müssen uns seither die Vorstellung
von den verlorenen Gemälden vermit'
teln. Eine Feuersbrunst im Schlosse zu
Kremsier zerstörte 1752 neben anderem
Gut auch Gemälde, und soweit man
aus den alten Inventaren und den spä'
teren Vorräten an Bildern schließen
kann, waren unter den Verbrannten
auch Hans Holbeins „Triumphe der Ar'
mutund des Reichtums“ oder alte Kopien
danach. Von vielen anderen Bränden
da und dort in großen Städten, reich

*) Vergl. „Zeitschrift für bildende Kunst“,
XIX, S. X02 f. (Trautmann zur Ergänzung und
Berichtigung der Angaben bei Crowe und
Cavalcaselle: Tizian).

**) Vor einiger Zeit, als Tintorettos „Para'
dies“ entfernt wurde, um restauriert zu werden,
waren diese Reste wieder zu sehen.

ausgestatteten Schlössern liest man, ohne
genau sagen zu können, ob dabei Bil-
der von Bedeutung zugrunde gegangen
sind. So läßt es sich nur recht allge'
mein feststellen, daß 1814 beim großen
Brande im Palais des Fürsten Razu'
mowsky in Wien auch Gemälde ver'
lorengingen.*) WieDelaGarde erzählte,
wurde bei jener Feuersbrunst alles, was
beweglich war, über die Fenster hinaus'
geworfen in den Schnee, der reichlich
dalag und mitten in die Wasserstrahlen
der Spritzen. Genauer abzuwägen sind
die Verluste in Straßburg und in Rotter'
dam, wo je eine ganze Galerie ver'
brannt ist. Was man an Bildern gegen'
wärtig in den Museen dieser Städte zu
sehen bekommt, ist neu gesammeltes
Gut. Am 14. Dezember 1900 verbrann'
ten im De Ligneschen Stammschloß
Beloeil zahlreiche Meisterwerke der Ma'
lerei.**) Man hörte von Bränden, bei
denen Bilder vernichtet wurden, in Cha'
teau d’Eu, Austerlitz, Sendriölad, Buda'
pest. Durch Feuer ist ferner auch ein
treffliches Bild von Bonnington umge'
kommen, das ehedem, 1828, in der Lon-
doner Royal Academy ausgestellt war
und zuletzt bei Mr. C. J. Lucas zu Warn'
ham Court (Horsham) aufbewahrt wurde,
nicht genügend sorgsam, denn es ver'
brannte (am 26. Dezember 1901).***)
Es war ein Blick durch den Canal
grande in Venedig auf Santa Maria della
Salute.

Verloren, wenigstens vorläufig „ver'
schwunden“ sind heute gewöhnlich auch
alle Bilder, die aus bekannten großen
Sammlungen gestohlen werden. Denn
ein Gauner, der sich an solch kostbarem
Gut vergreift, oder seine Helfershelfer
haben wenig Aussicht, ihre Beute zu

*) Auf diese Sammlung komme ich bei
Gelegenheit zurück.

**) So berichtet die Zeitschrift „Moderne
Kunst“, XV. Jahrgang, Heft n.

***) Hierzu „The illustrated London News“
vom 11. Jänner 1902. (Abbildung.)
 
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