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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 1.1904-1905

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Heft 3
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Frimmel, Theodor von: Einige Werke der Sofonisba Anguissola
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https://doi.org/10.11588/diglit.20640#0070

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40

Nr. 3.

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Mag es ein stark mitgenommenes Ork
ginal sein, oder eine alte Kopie, so viel
scheint mir fest zu stehen, daß es eine
Komposition der berühmten Malerin
widergibt, die sich hier im Bilde rechts
selbst dargestellt hat. Die Gesichtszüge
sind die der alternden Sofonisba und
das Kostüm ist ebenfalls das, wie es
von den Mädchen der Familie getragen
wurde. Man erblickt sie in halber
Figur rechts im Bilde. Vorne mitten
ein junges Mädchen, wohl noch kind-

Gemälde im Besitze Heinrich Leitners.

liehen Alters, das Tauben vor sich hält.
Sofonisba legt ihre linke Hand auf eine
der Tauben. Einen ziemlich symmetri-
sehen Abschluß der Gruppe nach links
bildet die Halbfigur eines Mannes in
mittlerem Alter. Seine Gesichtszüge
sind mir fremd, wogegen die Kleine im
Vordergründe aus der Familie der Am
guissola stammen könnte. Eine Ver-
mutung, die ich vorläufig nicht be-
weisen kann, wäre die, daß links ein
Schwager und mitten eine kleine Nichte
der Malerin Sofonisba dargestellt sind.
Zwei Schwestern der Sofonisba waren

ja verheiratet. Die Haltung und Form
der Hände entspricht gänzlich dem, was
man an sicheren Arbeiten der Sofonisba
bemerken kann. Des besonderen er-
innere ich an das große Schachspiel und
an den Stich mit der wunderlichen
Alten.

In der kaiserlichen Galerie zu
Wien befindet sich ein kleines Selbst-
bildnis der jugendlichen Sofonisba
Anguissola aus dem Jahre 1554. Es ist
das früheste Porträt der Künstlerin, das
man bis jetzt kennt. Das späteste ist
von Van Dycks Hand gezeichnet und
stammt aus dem Jahre 1624, das ist
aus der Zeit, als Van Dyck in Italien
war. Die Federzeichnung, die sich in
Van Dycks Skizzenbuch vorfindet, ist
von Bemerkungen begleitet, aus denen
hervorgeht, daß Sofonisba Anguissola
am 12. Juli 1624 gezeichnet wurde, daß
sie damals 96 Jahre zählte, noch geistig
frisch, aber erblindet war. Die Zeichnung
charakterisiert in wenigen, ungemein
geistreich und sicher gezogenen Strichen
die Matrone, die von der vollen Form
ihrer jungen Tage nichts mehr gerettet
hat und vorgebeugt und abgemagert im
Lehnstuhl sitzt. *)

Zwischen diese beiden Bildnisse
fallen der Zeit nach mehrere andere,
z. B. eines, das man in die Schule der
Carraccis schieben will, im Neapeler
Museum (Saal I, Nr. 6). Ob es wohl
ein Selbstbildnis ist? Die Künstlerin
ist da in lebensgroßer Halbfigur dar-
gestellt, aus dem Bilde blickend. Die
Hände liegen auf dem Spinett. Dieses
Porträt dürfte nicht viel später ent-
standen sein, als das Selbstbildnis in

*) Diese Zeichnung ist abgebildet im „ Ar-
chivio storico dell’ arte“ von 1895. Das ganze
Van Dycksche Skizzenbuch wurde durch
M. L. Cust in London veröffentlicht. Van
Dycks Besuch bei der Künstlerin ist wieder-
holt in der Literatur erwähnt, u. a. auch bei
Guiffrey „Van Dyck“ (1882, S. 48). Nicht zu
übersehen H. Hymans „Quelques notes sur
Van Dyck“ (1899, S. n).
 
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