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Dehio, Georg
Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler (Band 1): Mitteldeutschland — Berlin, 1905

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https://doi.org/10.11588/diglit.11052#0058

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heim gestifteten Orden des roten Adlers. Der prunkvolle Festsaal
soll demnächst hergestellt werden.

Eremitage. Für bestimmte Seiten der Kultur des 18. Jh. eine Illu-
stration von kostbarer Unmittelbarkeit; weniges dergleichen hat
sich so gut erhalten. Begonnen von Georg Wilhelm c. 1720. Eine
mit pedantischem Ernst durchgeführte Maskerade. An einem nicht
großen länglichen Hof liegen die „Zellen", in die sich die Herren
und Damen des Hofes als „Eremiten" zurückzogen; daher die
wilde Rusticaarchitektur. Die Markgräfin Wilhelmine schuf sich
hieraus (seit 1736) einen Ruhesitz, in dem die Sehnsucht nach
einem natürlicheren Lebenszustand feiner, nach unserem Gefühl
immer noch mit reichlich viel theatralischer Appretur, zum Aus-
druck kommt. Die ältere Einrichtung blieb erhalten in den beiden
Schmalseiten, dem Grottensaal und dem „Refektorium"; letzteres
aus kostbarem Marmor; die Absicht phantastisch zu wirken, bringt
es nur zu schwerfälliger Willkür. In den Gemächern Wilhelminens
herrscht Anmut und Behagen; eine Meisterleistung feinen Ge-
schmacks namentlich das Musikzimmer, echtes Rokoko, also ganz
ohne Architekturformen, nur Rahmenwerk und Füllungen. Das
obligate chinesiche Zimmer ist dadurch ausgezeichnet, daß die
Flachrelieftafeln wirklich chinesisch sind. Die Porträts nur historisch
von Interesse und ihre Benennung nicht überall gesichert. — Aus
den 40er Jahren die „Orangerie", erbaut von St. Pierre. Eine im
Halbkreis angeordnete Kolonnade, dahinter kleine Zimmerchen; im
Scheitel eine Unterbrechung, in welcher als selbständiger kleiner
Zentralbau der „Sonnentempel" steht. Den regelrecht durchgeführ-
ten Architekturformen ist auch hier ein phantastisches Element zu-
gesellt, indem die Säulen eine Inkrustation von bunten Kieseln,
Glasschlacken und Bergkristall tragen. Dagegen das Innere des
Sonnentempels sehr ernsthaft und imposant. (Der reiche Skulpturen-
schmuck nicht mehr vorhanden.) Einige Plafonds der kleinen Ge-
mächer haben eine Stuckdekoration von bezaubernder Grazie, leicht
hingeworfene Blumenranken, farbig auf weißem Grund, das Relief
von schärfster Präzision, als wäre es Porzellan (als Ausführende
werden Italiener genannt). Erst aus den 70er Jahren dürfte das
„Gartenzimmer" stammen, an dem der modernste „Amorphismus"
noch viel zu lernen hätte. — Die Gartenanlagen unter dem letzten
Markgrafen „englisch" umgearbeitet; daher die Grottenarchitekturen
und Wasserkünste in ihrem Zusammenhange nicht mehr verständlich.
Fantaisie. Begonnen von der Markgräfin Wilhelmine (f 1758),
vollendet 1765 (von Rud. Heinr Richter}). Ein Schlößchen im
Sinne des vordringenden Klassizismus; seither mehrfach verändert.
Sanspareil. Park mit allerlei Grottenarchitektur, Naturtheater usw.
Reflex von Fenelons Telemach. In vollem Verfall.
 
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