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Heidelberger Zeitung — 1865 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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Uebrigens fteht dieser Fall nicht als der ein-
zige da; denn überall, wo Waisenanstaltcn be-
stehen, sucht man seminaristisch gebildetc Er-
zieher sür deren Leitung zu gewinnen. Am
wenigsteu dürfte cs rathsam erscheinen, diesen'
schwcren Beruf, das Amt eines Lehrers und
Erziehers, die Leitung cines Waisenhauses, in
wclchem Knaben und Mädchen ausgenommen
sind, lediglich „Frauen", „barmherzigen L-chwe-
stern" rc. zu übcrtragcu, wie es da und dort,
z. B. in einem Amtsstädtchcn am Neckar, ge-
schehen ist, trotz der Bestimmung des Stisters.
Für Frauen ist cs unmöglich. solchen Anstal-
ten nnt Ersolg vorzustehen; ihnen fehlt es an
der nöthigen physischen Krast, an der Energie
und dem thatkrästigen Durchgreiscn Knaben
gegenüber, und wir sind sest überzeugt, daß
man davon bald abkommen wird; abcrlcider dann,
wenn solche Anstalten, resp. deren Zöglinge
bedeutenden Schaoen gelitten haben. Die Ab-
sicht dieser von gewisser Seite bevorwortcten
Einsühruug von Ordensfrauen in solche Dienste
läßt sich zu leicht erkcnneu Wir müssen ernst-
lich davor warnen und möchten auch wünschen,
dah man dem schwachen und zarten Geschlechte
nicht Obliegenheiten zumuthen möchte, wozu
seine Kräfte gar nicht ausreichen. Ob man
dies immer erwägt, müsseu wir sehr bczweiseln;
„der Zweck hciligt dic Mittel"; wenn auch
die Gesundheit solchcr Frauen srüh untergra-
ben und die Jugend dabei aufgeopfert, resp.
ihre ernste und tüchtige Erziehung versäumt
wird, das kann ja bei gewissen Leuten nicht
in Anschlag kommen.

Die Gemeinden aber und ihre Vorsteher ha-
ben darin höhere Pflichten; mögen sie dieselben
crsüllen!

** Heidelberg, 3. August. Man muß
es dem Badischcn Beobachter zum Verdienft an-
rcchnen, daß er keine Gelegenheit vorübergehen
läßt, die auch im Stillen schlummernden Ta-
lente sciner Partei an die strahlende Sonne zu
bringen, und mit triumphirender Miene auf
die neu erstandenen Koryphäen daS Publikum
ausmerksam zu machen. — So entnehmen wir
dem Berichte in No. 177 des Bad. Bcob. über
das berüchtigte Casino in Kirrlach, wobei wie
gewöhnlich die obligaten Mrügel nicht gesehlt
habon, daß außer Hrn. Kausmann Lindau
auch Hr. Altbürgermeister Gätschenberger von
Heidelberg als Ncdner auftrat und „große Be-
geisterung" hervorbrachtc. Wir freucn uns,
in Hrn. Gätschenberger nunmchr auchlren be-
rühmten dcntschen Volksredner kennen zu ler-
nen und wünschen ihm von Herzen Erfolg zu
seinen Bestrebungen. Wir sind überzcngt, oaß
wenn derselbe auch als publicistischer Mitar-
beiter für das ehestens dahier erscheinende
ultramontanc Organ zu gewinnen wäre,
das neue Blatt wie seine Kirrlacher Rede über-
all mit Begeisterung ausgenommen und ver-
diente Anerkennung finden würde.

StUttHart, 26. Juli. (Kammer der Ab-
geordneten.) Den ersten Gcgenstand der heuti-
gen Bergthung bildet eine Nachexigcnz von
600,lXX) fl. zur Bildung eines Fonds für künf-
tige Kriegsinvaliden. Diese Regierungsvorlage
wird als unnöthig von verschiedenen Mitglie-

frrten. Dies Moment spielt »nstreitig eine wichtige
Rolle. Aber auch andere Völker haben wenigstens
Iahrhunderte hindurch die gleiche Pietät vor dem Be-
stehenden, Allgemeingiltigen gehavt und sind dann
doch vorwärts geschritten, weil einzelne Denkrr bei
ihnen neue Principien, anfangs freilich oft unter
den mühevollsten Kämpfen proclamirten. Ein
Chinese hat aber den Kopf vicl zu voll, als dqß
fich aus dem bunten Mosaik von Millionen von
Einzelnbeiten in seinem Schädel ein origineller,
öen Fortschritt vorbereitender Gebanke erzeugen
könnte. Zur Gedankenzeugung gehört Muße und
Ueberwältigung des todten Wiffensmaterials Wer
den Geist eines Menschen tödten will, der laffe ihn
nur recht viel lernen. Wir wären hierauf nicht
nähcr eingegangen, wenn es uns ntcht sckiene, als
ob auch in dem Europaischen Reick der Mitte, in
Deutschland, im ErziehungSwesen allzusehr das Be-

dern heftig angegriffen. Sie entstand durch
eine Motion des Freiherrn v. Varnbüler, die
dersclbe noch als ritterschaftlicher Abgeordnetc
eingebracht hatte. Heute, als Minister, fehlt
cr zu ihrer Vertheidigung. Haben sich seine
Ansichten vielleicht geändert? Heute sagt zu
ihrer Begründung der Stellvertreler deö Kriegs-
ministers, General v. Bauer, die französischen
Contributionsgelder, die aus dem Schweiß und
Blut unserer Väter erworben, seien der Armee
nicht zu gutgekommen. Die Armee reklamire
dieselben nicht, sic verlasse sich aus das Billig-
keitsgefühl der Volksvertretung. Bci der Ab-
stimmung wirö der Antrag Hölder's auf Uc-
bergang zur Tagesordnung mit 41 gegen 25
Stimmen angenommcn. — Einc weitere Nach-
exigenz geht auf Verwilligung von 150,000 fl.
zur Anschaffung von Gußstahlkanonen. Die
Commission beantragt cinstimmig Genehmigung.
Eine Minderheit will' noch die Bedingung an-
fügen, daß die Anschaffung erst erfolge, wenn
sie auch von dcn übrigen Staaten des 8. Ar-
meekorps geschehe. Diese Exigcnz gab Gele-
genheit, dem Kriegsministerium ein Mißtrauens-
volum auszustellen. Wenn es auch nicht be-
schloffen wurde, so wurde cs doch von Redneru
der verschiedcnsten Farbe ausgcsprochen. Frhr.
v. Gültlingen, wie die Herren Zcller, Hölder
und Schott sprachcn sich gleichmäßig mißbil-
ligeno über das Verhalten des Kriegsministers
gegenüber den Wünschcn der Volksvertretung
in Bezug auf die Jugendwchren des Landes,
das Abschaffen des Säbeltragens außer Dicnst,
die Vereidignug des Militärs auf die Verfas-
sung rc. aus. Schott mahnte nur aus Grün-
den der Zwcckmäßigkeit von einem sörmlichen
Beschlusse ab, da nichts zu erreichen sei, als
höchstens ein Personenwechssl. Hopf dagegen
sagte wieder mit seiner gewohnten Weise ohne
alle Umschweife, der Kriegsmimster v. MilleG
sei unfähig, ans die Zdeen der Neuzeit über
Umgestaltung des Heerwesens einzugehen. Er
sei immer noch der alte zopfige gewaltthätige
Soldat, als den er sich bei Bekämpfung des
badischen AufstandsS bewiesen habe. Man
solle sich hüten, dem Kriegsdepartement Ver-
willigungen zu machen. Zu was das Mili-
tär gebraucht werdc, zeigen die neuesten Vor-
fälle am Nhein, wo der beschränkte Despot
von Preußen und der kleine Tyrann von Nass au
die preußischen Abgcordnetcn von einem Orte
zum andern gejagt haben. Man solle für Ka-
nonen nichts verwilligen, von denen man nicht
wisse, ob sie ni.cht eines Tages zur Vörnichtung
unserer Freihciten gebraucht werden wollen. —
Diese letzten Worte ziehen dem Redner von
Seiten des Präsidenten einen Ordnungsrus
zu, da hierin eine bösliche Unterstellung liege.
— Hopf behauptet, die Worte nicht so ge-
braucht zu haben, aber der Präsident ist im
Stande, sie vollständig wieder anzuführen,
worauf dann Hopf gemüthlich zurückgibt: „Nun,
dann habe ich es eben gesagt!" Nach dieser
kleinen Scene nimmt sich Wächter des abwe-
senden Kriegsministers an, ebenso Sr. Maj.
des Königs von Preußen. Den „kleinen Ty-
ranncn von Nassau" überläßt er aber, wie es
scheint, den Krallen des Löwcn von Vonhingen

Material an einzelnen Kcnntniffen zu überladen.
Man sollte viel mehr, als es geschieht, schon beim
Unterricht auf das Allgemeine der Erscheinungen

zu beschränkcn suchen. Leider können wir auf den
in Bezug auf den Inhalt ebenso wie auf die Form
äußerst anregenden und geistvollen Vortrag des

ken nur nock, daß nach ihm Dr. Sckmitz, der
längere Zeit in China geweilt hat, intereffante
Mittheilungen über die äußere Einrichtung der
dortigen Schulcn machte.

Konßtanz, 30. Iuli. Die für dieseS Iahr beab-
sichtigte fünfte Bersammlung dcr Lehrer der bad.
Gelehrtrn- und höhcren Bürgerschulen wtrd in Folge
eineS von dcn meisten Betheiligten geäußerten Wun-
schcs auf den August 1866 verschoben.

Bei der Abstimmung werden die bciden Com-
missionsanlräge angenommen, ein Anlrag
Hops's auf Ucbcrgang zur Tagesordnung da-
gcgen mit 64 gegen 8 Stimmen abgclehnt. —
Der weitere Äntrag dcr Mehrheit dcr Com-
mission, die Bedinguug beizufügen, daß dicser
Anfwand erst gemacht werde, wenn auch bie
übrigcn Staaten des achten Armeekorps sich
zu gleicher Anschaffung solcher Geschütze bereit
erklärt haben, wird mit 43 gegen 21 Stimmen
genehmigt, womit die Sitzung schließt. —
Der preußische Gesandte in Stuttgarl hat in
Folge der kräftigen Bemerkungen, welche der
Abgeordnete Hopf gcmacht hat, Beschmcrde bei
der württembergischen. Nezierung erhoben. —
Es heißt, die württembergische Rcgierung werde
zwar ihr Bedauern über jenen Ausfall aus-
sprechen, dabei aber darauf hinweiseir, daß sie
iu der Sachc nichts thun könne, daß übrigens
der Redner vom Kammcrpräsidenten schließlich
bereits zur Orduung gerufen worden sei, wie
denn auch cin Regierungskommiffär sich gegen
jenen Angriff verwahrt habe.

Berlin, 1. Aug. Auf die Proteste Halb--
hubers ist von hier aus erklärt worden, das
Einschrciten gegen May und Freese basire auf
dem Verhältniß als preußische Unterthanen,
worauf das Mitbesitzrecht Ocsterreichs unan-
wendbar sei, die beiden Proteste werden daher
als bedeutungsloS erachtet. Das Gerichtsver-
fahren gegen May findet in Preußen statt, zu
welchem Behufe May demnächst in ein preu-
ßisches Gefängniß abgeführt werden soll.

Köln, 31. Juli. Der Direclor des Zoo-
logischen Gartens, Hr. Dr.. Bodinus, ist in
Folge eines von dem Untcrsuchungsrichter Hrn.
Landgerichtsrath Simon an ihn erlasseneu Er-
scheinungsbefehls heute Vormittags von dem
genannten Beamten veruommen worden. Hr.
Dr. Bodinus ist, wie wir hören, auf Gruud
der von ihm vexöffentlichten Erklärung in Be-
treff dcr RLumung des Zoologischen Gartens
am 22. d. M. der Aufreizung zu Haß und
Verachtung (§ 101 des Strafgesetzbuches) und
außerdem der Beleidigung von Beamten in

Stettin, 30. Juli. Die in dieser Woche
stattgehabten Beschlagnahmen der „Ostsec-Zei-
tung". der „Pommerscheu Zeitung" und der
„Oder-Zeitung" sind vorgestern, wie bie „Ost-
see-Zeitung berichtet, vom Kreisgericht aufge-
hoben worden.

Jena, 28. Juli. Zum Burschenschafts-Ju-
bilaum haben sich bis jetzt gcgen 700 Theil-
uehmer angemeldct; die' Festhalle, welcke in
ihrsm Säulen- und Sparrwerk bereits auf der
Paradieswicse sich emporhebt, ist auf den Em-
pfang von 1500 bis 2000 Persouen berechnct.

Aus KieL wird gemeldct, daß die Näthe des
Herzogs, um jeden Schein einer „Nebenregie-
rung" zu beseitigen. sich aus deffen NLHe ent-
fernt haben. Hr. Francke weilt auf der Jnsel
Föhr, das Seebad gebrauchend, und Hr. Samver
in Gotha.

Wien, 1. Aug. Der Kaiser hat den Grafen
Bloome zur Berichterstattung nach Jschl berufen,
wo Se. Majestät cinen achtzehntägigen Aufent-
halt nehmen wird. Hr. v. Halbhuber hat wei-
tere, die Proteste unterstützende Schritte zur
Befreiung May's gethan.

G n g l a n p

London, 31. Juli. Die Reuter'sche Agen-
turveröffentlichtfolgende(nichtsehr glaubwürdige)
Nachrichten über einen Arrangementsvorschlag,
den das WienerCabinet in Berlin gemacht haben
soll, umzu einer Lösung derFrage der Herzogthü-
mer zu gelangen: Hesterreich würde zustimmen 1)
zur Erwerbung Kiels seitens Preußens; 2) zur
Besetzung Rendsburgs durch Preußen unter
gewissen Bedingungen; 3) zu andern territo-
rialen Erwerbungen seitens Preußens unter
der Bedingung, daß äcquivalentc Gebietscrwer-
bungen Oesterreich gewährt würdtn. mittelst
einer Rectification der Grenze von Schlesien.
Bezüglich anderer Forderungen Preußens we-
gen der Administration der Marine, der Posten
und der Telegraphen in den Herzogthümern
würde das Cabinet von Wien zugeben, daß
ein direktes Arrangement zwischen Preußcn und
dem künftigen Herzog von Schleswig-Holstein
abgeschlossen werde. Bezüglich des preußischen
Vorschlags wegen Anerkennung des Großher-
 
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